Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite



seyn, der so listige Todesengel müsse den Seligen
gewürgt haben.

Die Rettung durch verstorbene Aeltern in
Hundsgestalten.

So wie es bei den Griechen Dämonen und Schutz-
geister gab, so gab es dergleichen, nur mit ungleich
mehr Modifikationen, auch unter den alten Juden.
Unter andern herrschte der Glaube, daß verstorbene
Ältern auf ihre Kinder immer noch ein wachsames
Auge hätten, und ihnen im Augenblicke der Gefahr
unter allerlei Gestalten, je nachdem sie erforderlich
wären, erscheinen könnten. Da gibt es nun eine
Menge recht drolliger Anekdoten, wovon folgende
als Probe dienen mag:

Auf dem Gute eines polnischen Edelmannes leb-
ten zwei Juden, die den Krug gemeinschaftlich ge-
pachtet hatten. Da sie aber schon mehrmals, der
eingetretenen Feiertage wegen, ihre Pflichten ge-
gen den Edelmann nicht erfüllt hatten, so ward
dieser endlich, bei einer ähnlichen Gelegenheit, so
erbittert, daß er sie zu einer Züchtigung verur-
theilte. Alle vorgebrachte Entschuldigungen blieben
ohne Wirkung, es ward ein Bund Stroh herbeige-
bracht, und schon stand der Vogt mit der Peitsche
schlagfertig, als einer der Diener hereintrat, und



ſeyn, der ſo liſtige Todesengel müſſe den Seligen
gewürgt haben.

Die Rettung durch verſtorbene Aeltern in
Hundsgeſtalten.

So wie es bei den Griechen Dämonen und Schutz-
geiſter gab, ſo gab es dergleichen, nur mit ungleich
mehr Modifikationen, auch unter den alten Juden.
Unter andern herrſchte der Glaube, daß verſtorbene
Ältern auf ihre Kinder immer noch ein wachſames
Auge hätten, und ihnen im Augenblicke der Gefahr
unter allerlei Geſtalten, je nachdem ſie erforderlich
wären, erſcheinen könnten. Da gibt es nun eine
Menge recht drolliger Anekdoten, wovon folgende
als Probe dienen mag:

Auf dem Gute eines polniſchen Edelmannes leb-
ten zwei Juden, die den Krug gemeinſchaftlich ge-
pachtet hatten. Da ſie aber ſchon mehrmals, der
eingetretenen Feiertage wegen, ihre Pflichten ge-
gen den Edelmann nicht erfüllt hatten, ſo ward
dieſer endlich, bei einer ähnlichen Gelegenheit, ſo
erbittert, daß er ſie zu einer Züchtigung verur-
theilte. Alle vorgebrachte Entſchuldigungen blieben
ohne Wirkung, es ward ein Bund Stroh herbeige-
bracht, und ſchon ſtand der Vogt mit der Peitſche
ſchlagfertig, als einer der Diener hereintrat, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="28"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;eyn, der &#x017F;o li&#x017F;tige Todesengel mü&#x017F;&#x017F;e den Seligen<lb/>
gewürgt haben.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Die Rettung durch ver&#x017F;torbene Aeltern in<lb/>
Hundsge&#x017F;talten.</head><lb/>
          <p>So wie es bei den Griechen Dämonen und Schutz-<lb/>
gei&#x017F;ter gab, &#x017F;o gab es dergleichen, nur mit ungleich<lb/>
mehr Modifikationen, auch unter den alten Juden.<lb/>
Unter andern herr&#x017F;chte der Glaube, daß ver&#x017F;torbene<lb/>
Ältern auf ihre Kinder immer noch ein wach&#x017F;ames<lb/>
Auge hätten, und ihnen im Augenblicke der Gefahr<lb/>
unter allerlei Ge&#x017F;talten, je nachdem &#x017F;ie erforderlich<lb/>
wären, er&#x017F;cheinen könnten. Da gibt es nun eine<lb/>
Menge recht drolliger Anekdoten, wovon folgende<lb/>
als Probe dienen mag:</p><lb/>
          <p>Auf dem Gute eines polni&#x017F;chen Edelmannes leb-<lb/>
ten zwei Juden, die den Krug gemein&#x017F;chaftlich ge-<lb/>
pachtet hatten. Da &#x017F;ie aber &#x017F;chon mehrmals, der<lb/>
eingetretenen Feiertage wegen, ihre Pflichten ge-<lb/>
gen den Edelmann nicht erfüllt hatten, &#x017F;o ward<lb/>
die&#x017F;er endlich, bei einer ähnlichen Gelegenheit, &#x017F;o<lb/>
erbittert, daß er &#x017F;ie zu einer Züchtigung verur-<lb/>
theilte. Alle vorgebrachte Ent&#x017F;chuldigungen blieben<lb/>
ohne Wirkung, es ward ein Bund Stroh herbeige-<lb/>
bracht, und &#x017F;chon &#x017F;tand der Vogt mit der Peit&#x017F;che<lb/>
&#x017F;chlagfertig, als einer der Diener hereintrat, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0044] ſeyn, der ſo liſtige Todesengel müſſe den Seligen gewürgt haben. Die Rettung durch verſtorbene Aeltern in Hundsgeſtalten. So wie es bei den Griechen Dämonen und Schutz- geiſter gab, ſo gab es dergleichen, nur mit ungleich mehr Modifikationen, auch unter den alten Juden. Unter andern herrſchte der Glaube, daß verſtorbene Ältern auf ihre Kinder immer noch ein wachſames Auge hätten, und ihnen im Augenblicke der Gefahr unter allerlei Geſtalten, je nachdem ſie erforderlich wären, erſcheinen könnten. Da gibt es nun eine Menge recht drolliger Anekdoten, wovon folgende als Probe dienen mag: Auf dem Gute eines polniſchen Edelmannes leb- ten zwei Juden, die den Krug gemeinſchaftlich ge- pachtet hatten. Da ſie aber ſchon mehrmals, der eingetretenen Feiertage wegen, ihre Pflichten ge- gen den Edelmann nicht erfüllt hatten, ſo ward dieſer endlich, bei einer ähnlichen Gelegenheit, ſo erbittert, daß er ſie zu einer Züchtigung verur- theilte. Alle vorgebrachte Entſchuldigungen blieben ohne Wirkung, es ward ein Bund Stroh herbeige- bracht, und ſchon ſtand der Vogt mit der Peitſche ſchlagfertig, als einer der Diener hereintrat, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/44
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/44>, abgerufen am 26.04.2024.