N. besuchte auf einer Reise mit einem Freunde den berühmten Garten zu Wörlitz. Dort wurde unter andern eine Wasserparthie gemacht. Unser Reisender war ein zu würdiger und allgemein aner- kannt biederer Mann, als daß man ihm die kleine Schwäche, im Aeußern gern glänzen zu wollen, und z. B. deswegen sehr theure Ringe und andere Kostbarkeiten zu tragen, nicht zu gut halten und sie verzeihlich finden sollte. Er ließ eine Dose mit einem Spielwerk in der Tasche oder aus der Tasche spielen. Da er wohl vermuthen konnte, daß die Schiffer noch nie dergleichen gehört oder gesehen hätten, und durch die ungekannten Töne vielleicht gar, wie die Mohren in der Zauberflöte, verwun- derungsvoll zum Tanzen gereizt werden könnten; wenn der kleine Schiffsraum es nur gestattete, so hoffte er, sich an ihrer Ueberraschung zu weiden. Er stellte sich daher ganz unwissend, und fragte, was denn das für Musik sey? Wir sind, erwiederte einer der Neptunsgesellen, hier nicht weit von einem Dorfe, und das, was wir hören, kommt vom Amts- vieh her! --
Die Spieldoſe auf einer Waſſerparthie.
N. beſuchte auf einer Reiſe mit einem Freunde den berühmten Garten zu Wörlitz. Dort wurde unter andern eine Waſſerparthie gemacht. Unſer Reiſender war ein zu würdiger und allgemein aner- kannt biederer Mann, als daß man ihm die kleine Schwäche, im Aeußern gern glänzen zu wollen, und z. B. deswegen ſehr theure Ringe und andere Koſtbarkeiten zu tragen, nicht zu gut halten und ſie verzeihlich finden ſollte. Er ließ eine Doſe mit einem Spielwerk in der Taſche oder aus der Taſche ſpielen. Da er wohl vermuthen konnte, daß die Schiffer noch nie dergleichen gehört oder geſehen hätten, und durch die ungekannten Töne vielleicht gar, wie die Mohren in der Zauberflöte, verwun- derungsvoll zum Tanzen gereizt werden könnten; wenn der kleine Schiffsraum es nur geſtattete, ſo hoffte er, ſich an ihrer Ueberraſchung zu weiden. Er ſtellte ſich daher ganz unwiſſend, und fragte, was denn das für Muſik ſey? Wir ſind, erwiederte einer der Neptunsgeſellen, hier nicht weit von einem Dorfe, und das, was wir hören, kommt vom Amts- vieh her! —
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0036"n="20"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head>Die Spieldoſe auf einer Waſſerparthie.</head><lb/><p>N. beſuchte auf einer Reiſe mit einem Freunde<lb/>
den berühmten Garten zu Wörlitz. Dort wurde<lb/>
unter andern eine Waſſerparthie gemacht. Unſer<lb/>
Reiſender war ein zu würdiger und allgemein aner-<lb/>
kannt biederer Mann, als daß man ihm die kleine<lb/>
Schwäche, im Aeußern gern glänzen zu wollen,<lb/>
und z. B. deswegen ſehr theure Ringe und andere<lb/>
Koſtbarkeiten zu tragen, nicht zu gut halten und ſie<lb/>
verzeihlich finden ſollte. Er ließ eine Doſe mit<lb/>
einem Spielwerk in der Taſche oder aus der Taſche<lb/>ſpielen. Da er wohl vermuthen konnte, daß die<lb/>
Schiffer noch nie dergleichen gehört oder geſehen<lb/>
hätten, und durch die ungekannten Töne vielleicht<lb/>
gar, wie die Mohren in der Zauberflöte, verwun-<lb/>
derungsvoll zum Tanzen gereizt werden könnten;<lb/>
wenn der kleine Schiffsraum es nur geſtattete, ſo<lb/>
hoffte er, ſich an ihrer Ueberraſchung zu weiden.<lb/>
Er ſtellte ſich daher ganz unwiſſend, und fragte,<lb/>
was denn das für Muſik ſey? Wir ſind, erwiederte<lb/>
einer der Neptunsgeſellen, hier nicht weit von einem<lb/>
Dorfe, und das, was wir hören, kommt vom Amts-<lb/>
vieh her! —</p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[20/0036]
Die Spieldoſe auf einer Waſſerparthie.
N. beſuchte auf einer Reiſe mit einem Freunde
den berühmten Garten zu Wörlitz. Dort wurde
unter andern eine Waſſerparthie gemacht. Unſer
Reiſender war ein zu würdiger und allgemein aner-
kannt biederer Mann, als daß man ihm die kleine
Schwäche, im Aeußern gern glänzen zu wollen,
und z. B. deswegen ſehr theure Ringe und andere
Koſtbarkeiten zu tragen, nicht zu gut halten und ſie
verzeihlich finden ſollte. Er ließ eine Doſe mit
einem Spielwerk in der Taſche oder aus der Taſche
ſpielen. Da er wohl vermuthen konnte, daß die
Schiffer noch nie dergleichen gehört oder geſehen
hätten, und durch die ungekannten Töne vielleicht
gar, wie die Mohren in der Zauberflöte, verwun-
derungsvoll zum Tanzen gereizt werden könnten;
wenn der kleine Schiffsraum es nur geſtattete, ſo
hoffte er, ſich an ihrer Ueberraſchung zu weiden.
Er ſtellte ſich daher ganz unwiſſend, und fragte,
was denn das für Muſik ſey? Wir ſind, erwiederte
einer der Neptunsgeſellen, hier nicht weit von einem
Dorfe, und das, was wir hören, kommt vom Amts-
vieh her! —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/36>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.