Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite


Brauche ich denn das zu leiden, Herr Hofrath?
fragte der Kranke.

Herz stutzte bei dieser Frage. -- Jch meine, er-
klärte ihm der Patient, ob ich mich wohl abtrock-
nen darf?

2.

Zwei Schüler fanden sich einst vor der Woh-
nung des Hofraths Herz ein, als er gerade, von ih-
nen ungesehen, mit der Pfeife im Fenster lag, und
ein unbemerkter Zeuge ihres Gespräches ward. Sie
konnten nicht einig werden, wer von ihnen hinauf
gehen sollte. Beide! sagte der Eine, das ist un-
schicklich: gehe Du dreist hinauf, Du bekommst ge-
wiß etwas. Das kann ich nicht, erwiederte jener;
er möchte mich kennen, ich habe kürzlich erst etwas
von ihm erhalten. Dieß Debattiren dauerte eine
geraume Zeit, endlich wurden sie einig, gemein-
schaftlich ihr Glück zu versuchen. Aber vor der
Thür des Zimmers sank dem Einen der Muth, leise
öffnete er dasselbe und stieß seinen Kameraden
hinein. Dieser zum Tode erschrocken, fing an zu
weinen, und entschuldigte sich damit, daß ihm der
andere gewaltsam hinein gestoßen habe. Sey ruhig,
mein Söhnchen, erwiederte Herz, ich werde Dich
ganz gemächlich wieder hinaus werfen!



Brauche ich denn das zu leiden, Herr Hofrath?
fragte der Kranke.

Herz ſtutzte bei dieſer Frage. — Jch meine, er-
klärte ihm der Patient, ob ich mich wohl abtrock-
nen darf?

2.

Zwei Schüler fanden ſich einſt vor der Woh-
nung des Hofraths Herz ein, als er gerade, von ih-
nen ungeſehen, mit der Pfeife im Fenſter lag, und
ein unbemerkter Zeuge ihres Geſpräches ward. Sie
konnten nicht einig werden, wer von ihnen hinauf
gehen ſollte. Beide! ſagte der Eine, das iſt un-
ſchicklich: gehe Du dreiſt hinauf, Du bekommſt ge-
wiß etwas. Das kann ich nicht, erwiederte jener;
er möchte mich kennen, ich habe kürzlich erſt etwas
von ihm erhalten. Dieß Debattiren dauerte eine
geraume Zeit, endlich wurden ſie einig, gemein-
ſchaftlich ihr Glück zu verſuchen. Aber vor der
Thür des Zimmers ſank dem Einen der Muth, leiſe
öffnete er daſſelbe und ſtieß ſeinen Kameraden
hinein. Dieſer zum Tode erſchrocken, fing an zu
weinen, und entſchuldigte ſich damit, daß ihm der
andere gewaltſam hinein geſtoßen habe. Sey ruhig,
mein Söhnchen, erwiederte Herz, ich werde Dich
ganz gemächlich wieder hinaus werfen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0021" n="5"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Brauche ich denn das zu leiden, Herr Hofrath?<lb/>
fragte der Kranke.</p><lb/>
            <p>Herz &#x017F;tutzte bei die&#x017F;er Frage. &#x2014; Jch meine, er-<lb/>
klärte ihm der Patient, ob ich mich wohl abtrock-<lb/>
nen darf?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>2.</head><lb/>
            <p>Zwei Schüler fanden &#x017F;ich ein&#x017F;t vor der Woh-<lb/>
nung des Hofraths Herz ein, als er gerade, von ih-<lb/>
nen unge&#x017F;ehen, mit der Pfeife im Fen&#x017F;ter lag, und<lb/>
ein unbemerkter Zeuge ihres Ge&#x017F;präches ward. Sie<lb/>
konnten nicht einig werden, wer von ihnen hinauf<lb/>
gehen &#x017F;ollte. Beide! &#x017F;agte der Eine, das i&#x017F;t un-<lb/>
&#x017F;chicklich: gehe Du drei&#x017F;t hinauf, Du bekomm&#x017F;t ge-<lb/>
wiß etwas. Das kann ich nicht, erwiederte jener;<lb/>
er möchte mich kennen, ich habe kürzlich er&#x017F;t etwas<lb/>
von ihm erhalten. Dieß Debattiren dauerte eine<lb/>
geraume Zeit, endlich wurden &#x017F;ie einig, gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlich ihr Glück zu ver&#x017F;uchen. Aber vor der<lb/>
Thür des Zimmers &#x017F;ank dem Einen der Muth, lei&#x017F;e<lb/>
öffnete er da&#x017F;&#x017F;elbe und &#x017F;tieß &#x017F;einen Kameraden<lb/>
hinein. Die&#x017F;er zum Tode er&#x017F;chrocken, fing an zu<lb/>
weinen, und ent&#x017F;chuldigte &#x017F;ich damit, daß ihm der<lb/>
andere gewalt&#x017F;am hinein ge&#x017F;toßen habe. Sey ruhig,<lb/>
mein Söhnchen, erwiederte Herz, ich werde Dich<lb/>
ganz gemächlich wieder hinaus werfen!</p>
          </div>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0021] Brauche ich denn das zu leiden, Herr Hofrath? fragte der Kranke. Herz ſtutzte bei dieſer Frage. — Jch meine, er- klärte ihm der Patient, ob ich mich wohl abtrock- nen darf? 2. Zwei Schüler fanden ſich einſt vor der Woh- nung des Hofraths Herz ein, als er gerade, von ih- nen ungeſehen, mit der Pfeife im Fenſter lag, und ein unbemerkter Zeuge ihres Geſpräches ward. Sie konnten nicht einig werden, wer von ihnen hinauf gehen ſollte. Beide! ſagte der Eine, das iſt un- ſchicklich: gehe Du dreiſt hinauf, Du bekommſt ge- wiß etwas. Das kann ich nicht, erwiederte jener; er möchte mich kennen, ich habe kürzlich erſt etwas von ihm erhalten. Dieß Debattiren dauerte eine geraume Zeit, endlich wurden ſie einig, gemein- ſchaftlich ihr Glück zu verſuchen. Aber vor der Thür des Zimmers ſank dem Einen der Muth, leiſe öffnete er daſſelbe und ſtieß ſeinen Kameraden hinein. Dieſer zum Tode erſchrocken, fing an zu weinen, und entſchuldigte ſich damit, daß ihm der andere gewaltſam hinein geſtoßen habe. Sey ruhig, mein Söhnchen, erwiederte Herz, ich werde Dich ganz gemächlich wieder hinaus werfen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/21
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/21>, abgerufen am 23.11.2024.