Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite



Welt geben konnte, braucht wohl nicht erst nachge-
wiesen zu werden. Alle Jahrhunderte haben solche
Männer auf zu weisen, und die folgenden Jahrhun-
derte werden stets deren auf zu weisen haben. Daher
kann und wird die Wahrheit nie von irgend einer
menschlichen Macht ganz unterdrückt werden.

Den größten Verfolgungen waren gewöhnlich die
Theologen ausgesetzt, sobald sie sich unterstanden,
auch noch so unbedeutend, von dem gewöhnlichen
Schlendrian abzuweichen.

Aber einen vollkommen tragi-komischen Anblick
gewährt es, wenn man auf dergleichen Sachen, die
zu der bittersten Verfolgung Gelegenheit und Grund
abgeben mußten, den Blick richtet. Fühlte ich mich
stark genug dazu, ich würde ein besonderes Werk
veranstalten, worin nur die Verfolgungen der Ge-
lehrten aller Zeiten unter einander und die Gründe
dazu aufgenommen werden sollten; ich bin überzeugt,
die Leser würden im Zweifel seyn, ob sie lachen oder
weinen sollten.

Jm Jahre 1670 schrieb ein Prediger und Doktor
der Theologie, Balthasar Becker, einen Commentar
über den Heidelbergischen Katechismus, unter dem
Titel: "Die rechte Speise der Vollkommenen." und
ward heftig verfolgt, weil er darin Folgendes auf-
gestellt hatte.

1) Adam sey vergänglich geschaffen worden. 2)

G 2



Welt geben konnte, braucht wohl nicht erſt nachge-
wieſen zu werden. Alle Jahrhunderte haben ſolche
Männer auf zu weiſen, und die folgenden Jahrhun-
derte werden ſtets deren auf zu weiſen haben. Daher
kann und wird die Wahrheit nie von irgend einer
menſchlichen Macht ganz unterdrückt werden.

Den größten Verfolgungen waren gewöhnlich die
Theologen ausgeſetzt, ſobald ſie ſich unterſtanden,
auch noch ſo unbedeutend, von dem gewöhnlichen
Schlendrian abzuweichen.

Aber einen vollkommen tragi-komiſchen Anblick
gewährt es, wenn man auf dergleichen Sachen, die
zu der bitterſten Verfolgung Gelegenheit und Grund
abgeben mußten, den Blick richtet. Fühlte ich mich
ſtark genug dazu, ich würde ein beſonderes Werk
veranſtalten, worin nur die Verfolgungen der Ge-
lehrten aller Zeiten unter einander und die Gründe
dazu aufgenommen werden ſollten; ich bin überzeugt,
die Leſer würden im Zweifel ſeyn, ob ſie lachen oder
weinen ſollten.

Jm Jahre 1670 ſchrieb ein Prediger und Doktor
der Theologie, Balthaſar Becker, einen Commentar
über den Heidelbergiſchen Katechismus, unter dem
Titel: »Die rechte Speiſe der Vollkommenen.« und
ward heftig verfolgt, weil er darin Folgendes auf-
geſtellt hatte.

1) Adam ſey vergänglich geſchaffen worden. 2)

G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="99"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Welt geben konnte, braucht wohl nicht er&#x017F;t nachge-<lb/>
wie&#x017F;en zu werden. Alle Jahrhunderte haben &#x017F;olche<lb/>
Männer auf zu wei&#x017F;en, und die folgenden Jahrhun-<lb/>
derte werden &#x017F;tets deren auf zu wei&#x017F;en haben. Daher<lb/>
kann und wird die Wahrheit nie von irgend einer<lb/>
men&#x017F;chlichen Macht ganz unterdrückt werden.</p><lb/>
          <p>Den größten Verfolgungen waren gewöhnlich die<lb/>
Theologen ausge&#x017F;etzt, &#x017F;obald &#x017F;ie &#x017F;ich unter&#x017F;tanden,<lb/>
auch noch &#x017F;o unbedeutend, von dem gewöhnlichen<lb/>
Schlendrian abzuweichen.</p><lb/>
          <p>Aber einen vollkommen tragi-komi&#x017F;chen Anblick<lb/>
gewährt es, wenn man auf dergleichen Sachen, die<lb/>
zu der bitter&#x017F;ten Verfolgung Gelegenheit und Grund<lb/>
abgeben mußten, den Blick richtet. Fühlte ich mich<lb/>
&#x017F;tark genug dazu, ich würde ein be&#x017F;onderes Werk<lb/>
veran&#x017F;talten, worin nur die Verfolgungen der Ge-<lb/>
lehrten aller Zeiten unter einander und die Gründe<lb/>
dazu aufgenommen werden &#x017F;ollten; ich bin überzeugt,<lb/>
die Le&#x017F;er würden im Zweifel &#x017F;eyn, ob &#x017F;ie lachen oder<lb/>
weinen &#x017F;ollten.</p><lb/>
          <p>Jm Jahre 1670 &#x017F;chrieb ein Prediger und Doktor<lb/>
der Theologie, Baltha&#x017F;ar Becker, einen Commentar<lb/>
über den Heidelbergi&#x017F;chen Katechismus, unter dem<lb/>
Titel: »Die rechte Spei&#x017F;e der Vollkommenen.« und<lb/>
ward heftig verfolgt, weil er darin Folgendes auf-<lb/>
ge&#x017F;tellt hatte.</p><lb/>
          <p>1) Adam &#x017F;ey vergänglich ge&#x017F;chaffen worden. 2)<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0115] Welt geben konnte, braucht wohl nicht erſt nachge- wieſen zu werden. Alle Jahrhunderte haben ſolche Männer auf zu weiſen, und die folgenden Jahrhun- derte werden ſtets deren auf zu weiſen haben. Daher kann und wird die Wahrheit nie von irgend einer menſchlichen Macht ganz unterdrückt werden. Den größten Verfolgungen waren gewöhnlich die Theologen ausgeſetzt, ſobald ſie ſich unterſtanden, auch noch ſo unbedeutend, von dem gewöhnlichen Schlendrian abzuweichen. Aber einen vollkommen tragi-komiſchen Anblick gewährt es, wenn man auf dergleichen Sachen, die zu der bitterſten Verfolgung Gelegenheit und Grund abgeben mußten, den Blick richtet. Fühlte ich mich ſtark genug dazu, ich würde ein beſonderes Werk veranſtalten, worin nur die Verfolgungen der Ge- lehrten aller Zeiten unter einander und die Gründe dazu aufgenommen werden ſollten; ich bin überzeugt, die Leſer würden im Zweifel ſeyn, ob ſie lachen oder weinen ſollten. Jm Jahre 1670 ſchrieb ein Prediger und Doktor der Theologie, Balthaſar Becker, einen Commentar über den Heidelbergiſchen Katechismus, unter dem Titel: »Die rechte Speiſe der Vollkommenen.« und ward heftig verfolgt, weil er darin Folgendes auf- geſtellt hatte. 1) Adam ſey vergänglich geſchaffen worden. 2) G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/115
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/115>, abgerufen am 04.05.2024.