Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Etwas von seiner Reise zu erzählen, er erzählt uns eine lange Geschichte, und am Ende sagt er, sie sei nicht wahr. Aber wer weiß, wer weiß, die Geschichte war doch wohl wahr, und er will es nur nicht eingestehen. Wer weiß! sagte Robert. War es denn eine so schlimme Geschichte? fragte eine alte Verwandte des Hauses, die nie zu Robert's Charakter rechtes Zutrauen gehabt. Lassen Sie sie ihn doch noch einmal erzählen. Um Gotteswillen! rief Robert und sprang auf, ich weiß gar nichts mehr von der ganzen Geschichte; ich bin das wirklich nicht im Stande. Aber zur Strafe sollten wir Ihnen aufgeben, eine andere zu erzählen, meinte Madame G. Wenn Sie so schnell erfinden können, so erzählen Sie doch. Wir sind gerade Alle in der Stimmung, noch eine Geschichte zu hören. Sie braucht gar nicht wahr zu sein, es kommt Ihnen ja darauf nicht an. Ja wohl, ja wohl! scholl es von mehreren Seiten, eine unwahre Geschichte! Ganz gerechte Strafe! Hat er einmal gelogen, so mag er auch das zweite Mal lügen! Wenn Ihnen denn durchaus damit gedient ist, so sollen Sie es auch ordentlich haben. Ich will Ihnen eine ganz unwahre Geschichte erzählen. Hören Sie nur zu! Jeder setzte sich zurecht, die leeren Gläser wurden gefüllt, Madame G. bot noch einige Male Kuchen an, und Robert begann: So viel ich mich erinnere, waren Sie fast Alle Etwas von seiner Reise zu erzählen, er erzählt uns eine lange Geschichte, und am Ende sagt er, sie sei nicht wahr. Aber wer weiß, wer weiß, die Geschichte war doch wohl wahr, und er will es nur nicht eingestehen. Wer weiß! sagte Robert. War es denn eine so schlimme Geschichte? fragte eine alte Verwandte des Hauses, die nie zu Robert's Charakter rechtes Zutrauen gehabt. Lassen Sie sie ihn doch noch einmal erzählen. Um Gotteswillen! rief Robert und sprang auf, ich weiß gar nichts mehr von der ganzen Geschichte; ich bin das wirklich nicht im Stande. Aber zur Strafe sollten wir Ihnen aufgeben, eine andere zu erzählen, meinte Madame G. Wenn Sie so schnell erfinden können, so erzählen Sie doch. Wir sind gerade Alle in der Stimmung, noch eine Geschichte zu hören. Sie braucht gar nicht wahr zu sein, es kommt Ihnen ja darauf nicht an. Ja wohl, ja wohl! scholl es von mehreren Seiten, eine unwahre Geschichte! Ganz gerechte Strafe! Hat er einmal gelogen, so mag er auch das zweite Mal lügen! Wenn Ihnen denn durchaus damit gedient ist, so sollen Sie es auch ordentlich haben. Ich will Ihnen eine ganz unwahre Geschichte erzählen. Hören Sie nur zu! Jeder setzte sich zurecht, die leeren Gläser wurden gefüllt, Madame G. bot noch einige Male Kuchen an, und Robert begann: So viel ich mich erinnere, waren Sie fast Alle <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0010"/> Etwas von seiner Reise zu erzählen, er erzählt uns eine lange Geschichte, und am Ende sagt er, sie sei nicht wahr. Aber wer weiß, wer weiß, die Geschichte war doch wohl wahr, und er will es nur nicht eingestehen.</p><lb/> <p>Wer weiß! sagte Robert.</p><lb/> <p>War es denn eine so schlimme Geschichte? fragte eine alte Verwandte des Hauses, die nie zu Robert's Charakter rechtes Zutrauen gehabt. Lassen Sie sie ihn doch noch einmal erzählen.</p><lb/> <p>Um Gotteswillen! rief Robert und sprang auf, ich weiß gar nichts mehr von der ganzen Geschichte; ich bin das wirklich nicht im Stande.</p><lb/> <p>Aber zur Strafe sollten wir Ihnen aufgeben, eine andere zu erzählen, meinte Madame G. Wenn Sie so schnell erfinden können, so erzählen Sie doch. Wir sind gerade Alle in der Stimmung, noch eine Geschichte zu hören. Sie braucht gar nicht wahr zu sein, es kommt Ihnen ja darauf nicht an.</p><lb/> <p>Ja wohl, ja wohl! scholl es von mehreren Seiten, eine unwahre Geschichte! Ganz gerechte Strafe! Hat er einmal gelogen, so mag er auch das zweite Mal lügen!</p><lb/> <p>Wenn Ihnen denn durchaus damit gedient ist, so sollen Sie es auch ordentlich haben. Ich will Ihnen eine ganz unwahre Geschichte erzählen. Hören Sie nur zu!</p><lb/> <p>Jeder setzte sich zurecht, die leeren Gläser wurden gefüllt, Madame G. bot noch einige Male Kuchen an, und Robert begann:</p><lb/> <p>So viel ich mich erinnere, waren Sie fast Alle<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Etwas von seiner Reise zu erzählen, er erzählt uns eine lange Geschichte, und am Ende sagt er, sie sei nicht wahr. Aber wer weiß, wer weiß, die Geschichte war doch wohl wahr, und er will es nur nicht eingestehen.
Wer weiß! sagte Robert.
War es denn eine so schlimme Geschichte? fragte eine alte Verwandte des Hauses, die nie zu Robert's Charakter rechtes Zutrauen gehabt. Lassen Sie sie ihn doch noch einmal erzählen.
Um Gotteswillen! rief Robert und sprang auf, ich weiß gar nichts mehr von der ganzen Geschichte; ich bin das wirklich nicht im Stande.
Aber zur Strafe sollten wir Ihnen aufgeben, eine andere zu erzählen, meinte Madame G. Wenn Sie so schnell erfinden können, so erzählen Sie doch. Wir sind gerade Alle in der Stimmung, noch eine Geschichte zu hören. Sie braucht gar nicht wahr zu sein, es kommt Ihnen ja darauf nicht an.
Ja wohl, ja wohl! scholl es von mehreren Seiten, eine unwahre Geschichte! Ganz gerechte Strafe! Hat er einmal gelogen, so mag er auch das zweite Mal lügen!
Wenn Ihnen denn durchaus damit gedient ist, so sollen Sie es auch ordentlich haben. Ich will Ihnen eine ganz unwahre Geschichte erzählen. Hören Sie nur zu!
Jeder setzte sich zurecht, die leeren Gläser wurden gefüllt, Madame G. bot noch einige Male Kuchen an, und Robert begann:
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Zitationshilfe: | Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolf_schoenheit_1910/10>, abgerufen am 16.07.2024. |