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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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land als mitschuldig schwer anklagte, damals schon hat die Gottheit
laut zur That und Einheit uns gemahnt, doch wir blieben träge, konn-
ten nicht zur Thatkraft, nicht zur Einheit uns entschließen.

Uns genügte, den gepreßten Busen durch Verwünschungen, durch
Worte des Abscheues gegen den Henker so vieler edlen Männer, Frauen
und Kinder erleichtert zu haben, ohne die Mittel zu suchen, dieser
Mordlust des Tyrannen ein Ziel zu setzen, ohne die erforderlichen Kräfte
zu sammeln, gleiches Unglück von dem Vaterlande abzuwehren.

Es genügte uns, unthätig, mit trügerischen Hoffnungen uns zu wie-
gen, während der günstige Augenblick zur That vorüberging, nicht
ahnend, die Gefahr, das Unglück, das Elend, das über uns her im
Anzuge ist. Während Tyrannei und Despotismus mit ihrer treuen
Verwandtin, der Aristokratie, alle Triebfedern rastlos und unverdrossen
in Bewegung setzen, bleiben wir gemüthlich am heimathlichen Heerde,
und berechnen die Hilfe, welche beim Einbruch des Unglücks von einer
fremden Macht uns werden könnte.

Du weinst Vaterland! weinst blutige Thränen über die traurige
Wahrheit, aber deine Thränen trocknen wieder, ohne zu muthiger Ent-
schlossenheit, Einheit und kühner Manneskraft dich zu ermuthigen, gilt
es dem Kampf gegen Tyrannei und Despotismus, gilt es dem herr-
lichen Sieg der Freiheit und der Menschenwürde.

So weit ist es gekommen, daß die meisten deiner Kinder es nicht
einmal wagen, ihre Noth zu klagen, ihr Unglück zu schildern, die Mit-
tel und Wege vorzuschlagen, wie vielleicht noch zu helfen wäre. So
weit ist es gekommen, daß sich deine Söhne durch ein elendes Wört-
chen (ein Gespenst für Kinder) von dem Wege für Tugend, Freiheit
und Recht feig zurückschrecken lassen, ohne zu bedenken, daß der Popanz
"von Gottes Gnaden" kühn erfaßt und an das Licht gehalten in sein
Nichts versinken muß.

Es kann, es darf dies nicht so bleiben; es kann, es darf des
Menschen angeborne Würde, sein höchstes Gut, nicht ferner ein Spott
der Großen seyn; es soll nicht ferner der friedliche Bürger seine ge-
rechte Klage an dem Throne tauber Fürsten erfolglos wimmern. Statt
um das zerrissene Vaterland zu würfeln, sollen und müssen die Despo-
ten, die es zu entweihen sich erkühnen, die ganze Macht seiner Größe
erkennen, und vor seiner strafenden Rechte erzittern; ein zweiter
Varus soll der fremde Despote durch den tapfern Arm eines Herr-
mann dahin gestreckt werden!

land als mitſchuldig ſchwer anklagte, damals ſchon hat die Gottheit
laut zur That und Einheit uns gemahnt, doch wir blieben träge, konn-
ten nicht zur Thatkraft, nicht zur Einheit uns entſchließen.

Uns genügte, den gepreßten Buſen durch Verwünſchungen, durch
Worte des Abſcheues gegen den Henker ſo vieler edlen Männer, Frauen
und Kinder erleichtert zu haben, ohne die Mittel zu ſuchen, dieſer
Mordluſt des Tyrannen ein Ziel zu ſetzen, ohne die erforderlichen Kräfte
zu ſammeln, gleiches Unglück von dem Vaterlande abzuwehren.

Es genügte uns, unthätig, mit trügeriſchen Hoffnungen uns zu wie-
gen, während der günſtige Augenblick zur That vorüberging, nicht
ahnend, die Gefahr, das Unglück, das Elend, das über uns her im
Anzuge iſt. Während Tyrannei und Despotismus mit ihrer treuen
Verwandtin, der Ariſtokratie, alle Triebfedern raſtlos und unverdroſſen
in Bewegung ſetzen, bleiben wir gemüthlich am heimathlichen Heerde,
und berechnen die Hilfe, welche beim Einbruch des Unglücks von einer
fremden Macht uns werden könnte.

Du weinſt Vaterland! weinſt blutige Thränen über die traurige
Wahrheit, aber deine Thränen trocknen wieder, ohne zu muthiger Ent-
ſchloſſenheit, Einheit und kühner Manneskraft dich zu ermuthigen, gilt
es dem Kampf gegen Tyrannei und Despotismus, gilt es dem herr-
lichen Sieg der Freiheit und der Menſchenwürde.

So weit iſt es gekommen, daß die meiſten deiner Kinder es nicht
einmal wagen, ihre Noth zu klagen, ihr Unglück zu ſchildern, die Mit-
tel und Wege vorzuſchlagen, wie vielleicht noch zu helfen wäre. So
weit iſt es gekommen, daß ſich deine Söhne durch ein elendes Wört-
chen (ein Geſpenſt für Kinder) von dem Wege für Tugend, Freiheit
und Recht feig zurückſchrecken laſſen, ohne zu bedenken, daß der Popanz
„von Gottes Gnaden“ kühn erfaßt und an das Licht gehalten in ſein
Nichts verſinken muß.

Es kann, es darf dies nicht ſo bleiben; es kann, es darf des
Menſchen angeborne Würde, ſein höchſtes Gut, nicht ferner ein Spott
der Großen ſeyn; es ſoll nicht ferner der friedliche Bürger ſeine ge-
rechte Klage an dem Throne tauber Fürſten erfolglos wimmern. Statt
um das zerriſſene Vaterland zu würfeln, ſollen und müſſen die Despo-
ten, die es zu entweihen ſich erkühnen, die ganze Macht ſeiner Größe
erkennen, und vor ſeiner ſtrafenden Rechte erzittern; ein zweiter
Varus ſoll der fremde Despote durch den tapfern Arm eines Herr-
mann dahin geſtreckt werden!

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/69>, abgerufen am 30.11.2024.