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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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Wissenschaft das Nationalleben befruchtet und die würdige Kunst als
dessen Blüte glänzt.

Ja, er wird kommen der Tag, wo ein gemeinsames deutsches Va-
terland sich erhebt, das alle Söhne als Bürger begrüßt, und alle Bür-
ger mit gleicher Liebe, mit gleichem Schutz umfaßt; wo die erhabene
Germania dasteht, auf dem erzenen Piedestal der Freiheit und des
Rechts, in der einen Hand die Fackel der Aufklärung, welche civilisirend
hinausleuchtet in die fernsten Winkel der Erde, in der andern die Wage
des Schiedsrichteramts, streitenden Völkern das selbsterbetene Gesetz
des Friedens spendend, jenen Völkern, von welchen wir jetzt das Ge-
setz der Gewalt und den Fußtritt höhnender Verachtung empfangen. --

Seit das Joch abgeschüttelt des fremden Eroberers, erwartete das
deutsche Volk, lammfromm, von seinen Fürsten die verheißene Wieder-
geburt; es sieht sich getäuscht, darum schüttelt es zürnend die Locken
und drohet dem Meineid. Die Natur der Herrschenden ist Unterdrü-
ckung, der Völker Streben ist Freiheit. Das deutsche Volk, wenn die
Fürsten nicht ühren Wolkenthron verlassen und Bürger werden, wird in
einem Moment erhabener Begeisterung allein vollenden das Werk, wo-
vor der siechkranke Dünkel erschrickt, wovor die auszehrende Selbst-
sucht erbebt, und wogegen die hinsterbende Gewalt vergebens die Strei-
che des Wahnsinns in die Luft führt; das deutsche Volk wird vollbrin-
gen das heilige Werk durch einen jener allmächtigen Entschlüsse, wo-
durch die Völker, wenn die Fürsten sie an den Abgrund geführt, sich
einzig zu retten vermögen.

Dies der Gedanke des heutigen Festes, des herrlichsten, beden-
tungsvollsten, das seit Jahrhunderten in Deutschland gefeiert ward, --
der Gedanke, der Tausende von ausgezeichneten deutschen Bürgern auf
dieser Höhe versammelt und den Millionen andere Deutsche mitempfin-
den, der Gedanke der Wiedergeburt des Vaterlandes. Und
solcher Gedanke schallt von dieser Bergruine, an deren starren Felswän-
den so mancher Schädel verzweifelnder Bauern sich verblutete, von die-
sem bischöflich-adeligen Raubnest, an welchem deutsche Volkskraft sich
übte, die heiße Rache durch Zerstörung kühlend, schallt die Forderung
deutscher Freiheit, deutscher Wiedergeburt, bedeutungsvoll mahnend, in
alle Gauen des zerrissenen, des zertretenen Gesammtvaterlan des hinüber!

Darum noch einmal! Leuchten wird der große Tag, wozu in jeder
flüchtigen Stunde neue Herzen sich bereiten, und wär' es uns nicht ver-
gönnt, ihn zu schauen, so würden unsre bessern Söhne desto gewisser
ihn heraufführen, sie, in deren unbefleckten Gemüthern jener Freiheits-

Wiſſenſchaft das Nationalleben befruchtet und die würdige Kunſt als
deſſen Blüte glänzt.

Ja, er wird kommen der Tag, wo ein gemeinſames deutſches Va-
terland ſich erhebt, das alle Söhne als Bürger begrüßt, und alle Bür-
ger mit gleicher Liebe, mit gleichem Schutz umfaßt; wo die erhabene
Germania daſteht, auf dem erzenen Piedeſtal der Freiheit und des
Rechts, in der einen Hand die Fackel der Aufklärung, welche civiliſirend
hinausleuchtet in die fernſten Winkel der Erde, in der andern die Wage
des Schiedsrichteramts, ſtreitenden Völkern das ſelbſterbetene Geſetz
des Friedens ſpendend, jenen Völkern, von welchen wir jetzt das Ge-
ſetz der Gewalt und den Fußtritt höhnender Verachtung empfangen. —

Seit das Joch abgeſchüttelt des fremden Eroberers, erwartete das
deutſche Volk, lammfromm, von ſeinen Fürſten die verheißene Wieder-
geburt; es ſieht ſich getäuſcht, darum ſchüttelt es zürnend die Locken
und drohet dem Meineid. Die Natur der Herrſchenden iſt Unterdrü-
ckung, der Völker Streben iſt Freiheit. Das deutſche Volk, wenn die
Fürſten nicht ühren Wolkenthron verlaſſen und Bürger werden, wird in
einem Moment erhabener Begeiſterung allein vollenden das Werk, wo-
vor der ſiechkranke Dünkel erſchrickt, wovor die auszehrende Selbſt-
ſucht erbebt, und wogegen die hinſterbende Gewalt vergebens die Strei-
che des Wahnſinns in die Luft führt; das deutſche Volk wird vollbrin-
gen das heilige Werk durch einen jener allmächtigen Entſchlüſſe, wo-
durch die Völker, wenn die Fürſten ſie an den Abgrund geführt, ſich
einzig zu retten vermögen.

Dies der Gedanke des heutigen Feſtes, des herrlichſten, beden-
tungsvollſten, das ſeit Jahrhunderten in Deutſchland gefeiert ward, —
der Gedanke, der Tauſende von ausgezeichneten deutſchen Bürgern auf
dieſer Höhe verſammelt und den Millionen andere Deutſche mitempfin-
den, der Gedanke der Wiedergeburt des Vaterlandes. Und
ſolcher Gedanke ſchallt von dieſer Bergruine, an deren ſtarren Felswän-
den ſo mancher Schädel verzweifelnder Bauern ſich verblutete, von die-
ſem biſchöflich-adeligen Raubneſt, an welchem deutſche Volkskraft ſich
übte, die heiße Rache durch Zerſtörung kühlend, ſchallt die Forderung
deutſcher Freiheit, deutſcher Wiedergeburt, bedeutungsvoll mahnend, in
alle Gauen des zerriſſenen, des zertretenen Geſammtvaterlan des hinüber!

Darum noch einmal! Leuchten wird der große Tag, wozu in jeder
flüchtigen Stunde neue Herzen ſich bereiten, und wär’ es uns nicht ver-
gönnt, ihn zu ſchauen, ſo würden unſre beſſern Söhne deſto gewiſſer
ihn heraufführen, ſie, in deren unbefleckten Gemüthern jener Freiheits-

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[39/0047] Wiſſenſchaft das Nationalleben befruchtet und die würdige Kunſt als deſſen Blüte glänzt. Ja, er wird kommen der Tag, wo ein gemeinſames deutſches Va- terland ſich erhebt, das alle Söhne als Bürger begrüßt, und alle Bür- ger mit gleicher Liebe, mit gleichem Schutz umfaßt; wo die erhabene Germania daſteht, auf dem erzenen Piedeſtal der Freiheit und des Rechts, in der einen Hand die Fackel der Aufklärung, welche civiliſirend hinausleuchtet in die fernſten Winkel der Erde, in der andern die Wage des Schiedsrichteramts, ſtreitenden Völkern das ſelbſterbetene Geſetz des Friedens ſpendend, jenen Völkern, von welchen wir jetzt das Ge- ſetz der Gewalt und den Fußtritt höhnender Verachtung empfangen. — Seit das Joch abgeſchüttelt des fremden Eroberers, erwartete das deutſche Volk, lammfromm, von ſeinen Fürſten die verheißene Wieder- geburt; es ſieht ſich getäuſcht, darum ſchüttelt es zürnend die Locken und drohet dem Meineid. Die Natur der Herrſchenden iſt Unterdrü- ckung, der Völker Streben iſt Freiheit. Das deutſche Volk, wenn die Fürſten nicht ühren Wolkenthron verlaſſen und Bürger werden, wird in einem Moment erhabener Begeiſterung allein vollenden das Werk, wo- vor der ſiechkranke Dünkel erſchrickt, wovor die auszehrende Selbſt- ſucht erbebt, und wogegen die hinſterbende Gewalt vergebens die Strei- che des Wahnſinns in die Luft führt; das deutſche Volk wird vollbrin- gen das heilige Werk durch einen jener allmächtigen Entſchlüſſe, wo- durch die Völker, wenn die Fürſten ſie an den Abgrund geführt, ſich einzig zu retten vermögen. Dies der Gedanke des heutigen Feſtes, des herrlichſten, beden- tungsvollſten, das ſeit Jahrhunderten in Deutſchland gefeiert ward, — der Gedanke, der Tauſende von ausgezeichneten deutſchen Bürgern auf dieſer Höhe verſammelt und den Millionen andere Deutſche mitempfin- den, der Gedanke der Wiedergeburt des Vaterlandes. Und ſolcher Gedanke ſchallt von dieſer Bergruine, an deren ſtarren Felswän- den ſo mancher Schädel verzweifelnder Bauern ſich verblutete, von die- ſem biſchöflich-adeligen Raubneſt, an welchem deutſche Volkskraft ſich übte, die heiße Rache durch Zerſtörung kühlend, ſchallt die Forderung deutſcher Freiheit, deutſcher Wiedergeburt, bedeutungsvoll mahnend, in alle Gauen des zerriſſenen, des zertretenen Geſammtvaterlan des hinüber! Darum noch einmal! Leuchten wird der große Tag, wozu in jeder flüchtigen Stunde neue Herzen ſich bereiten, und wär’ es uns nicht ver- gönnt, ihn zu ſchauen, ſo würden unſre beſſern Söhne deſto gewiſſer ihn heraufführen, ſie, in deren unbefleckten Gemüthern jener Freiheits-

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/47>, abgerufen am 26.11.2024.