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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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Donnernd hallt des Schicksals Stimme:
Völker wacht, die Zeit ist nah'!
Euer Gott in seinem Grimme
Auf der Throne Thaten sah',
Blutig, rechtlos waren alle
Vom Indus bis Tajo's Strand,
Zürnend sprach Er: ja, es falle
Ihre Macht von Land zu Land!
Gott der Gerechtigkeit, laß es gelingen,
Vater, Du segne das muthige Ringen!
Muthigen hilft ja der schützende Gott!
Schimpflich ist's in alter Weise
Noch zu fleh'n um Fürstenhuld,
Mit der Schande schnödem Preise
Mehrt ihr so die große Schuld;
Männern ziemt ein ernstes Mahnen
Mit der Wahrheit Donnerwort,
Selber sich den Weg zu bahnen
Zu der Freiheit stolzem Port.
Aber der Flehende ärndtet nur Schande,
Wahrlich ihm ziemen die schimpflichen Bande,
Er ist der Ehre der Freiheit nicht werth!
Freudig für die Freiheit leben,
Für sie sterben sei der Schwur!
Nicht wie Könige sie geben,
Volle Freiheit rettet nur.
Daß kein Fürstenwort bethöre,
Folgt des Vaterlands Gebot:
Jeder deutsche Mann er schwöre,
Schwöre: Freiheit oder Tod!
Tod für die Freiheit sey freudig willkommen,
Männer Ihr alle, für Freiheit entglommen,
Bleibet dem heiligen Schwure getreu!

Als der Anfang des Zuges am Orte des Festes angekommen war,
wurde auf einem erhöhten Punkte die polnische, und oben auf den höch-
sten Zinnen der Ruine die deutsche Fahne aufgepflanzt. Weithin über
die gesegneten Auen wehte nun das stolze Panner unseres Vaterlandes,
ein Anblick, der die Freude aller Anwesenden zu Begeisterung steigerte.
-- Nach der Ankunft auf dem Berge gewahrte man erst, wie groß die
Menge der angekommenen Gäste sei. Es waren mindestens Dreißig-
tausend Personen versammelt. Man bemerkte insbesondere Bürger aus
Straßburg, Collmar, Paris, Metz, Weisenburg, Manchester, Con-
stanz, Heidelberg, Carlsruhe, Freiburg, Mannheim, Marburg, Tü-
bingen, Würzburg, Jena, Göttingen, Stralsund, Coburg, München,
Frankfurt, Nürnberg, Mainz, Worms, Wiesbaden, Kölln, Trier,
Giesen, Stuttgart, Darmstadt, Kassel, Magdeburg, Hof, Erlangen,

Donnernd hallt des Schickſals Stimme:
Völker wacht, die Zeit iſt nah’!
Euer Gott in ſeinem Grimme
Auf der Throne Thaten ſah’,
Blutig, rechtlos waren alle
Vom Indus bis Tajo’s Strand,
Zürnend ſprach Er: ja, es falle
Ihre Macht von Land zu Land!
Gott der Gerechtigkeit, laß es gelingen,
Vater, Du ſegne das muthige Ringen!
Muthigen hilft ja der ſchützende Gott!
Schimpflich iſt’s in alter Weiſe
Noch zu fleh’n um Fürſtenhuld,
Mit der Schande ſchnödem Preiſe
Mehrt ihr ſo die große Schuld;
Männern ziemt ein ernſtes Mahnen
Mit der Wahrheit Donnerwort,
Selber ſich den Weg zu bahnen
Zu der Freiheit ſtolzem Port.
Aber der Flehende ärndtet nur Schande,
Wahrlich ihm ziemen die ſchimpflichen Bande,
Er iſt der Ehre der Freiheit nicht werth!
Freudig für die Freiheit leben,
Für ſie ſterben ſei der Schwur!
Nicht wie Könige ſie geben,
Volle Freiheit rettet nur.
Daß kein Fürſtenwort bethöre,
Folgt des Vaterlands Gebot:
Jeder deutſche Mann er ſchwöre,
Schwöre: Freiheit oder Tod!
Tod für die Freiheit ſey freudig willkommen,
Männer Ihr alle, für Freiheit entglommen,
Bleibet dem heiligen Schwure getreu!

Als der Anfang des Zuges am Orte des Feſtes angekommen war,
wurde auf einem erhöhten Punkte die polniſche, und oben auf den höch-
ſten Zinnen der Ruine die deutſche Fahne aufgepflanzt. Weithin über
die geſegneten Auen wehte nun das ſtolze Panner unſeres Vaterlandes,
ein Anblick, der die Freude aller Anweſenden zu Begeiſterung ſteigerte.
— Nach der Ankunft auf dem Berge gewahrte man erſt, wie groß die
Menge der angekommenen Gäſte ſei. Es waren mindeſtens Dreißig-
tauſend Perſonen verſammelt. Man bemerkte insbeſondere Bürger aus
Straßburg, Collmar, Paris, Metz, Weiſenburg, Mancheſter, Con-
ſtanz, Heidelberg, Carlsruhe, Freiburg, Mannheim, Marburg, Tü-
bingen, Würzburg, Jena, Göttingen, Stralſund, Coburg, München,
Frankfurt, Nürnberg, Mainz, Worms, Wiesbaden, Kölln, Trier,
Gieſen, Stuttgart, Darmſtadt, Kaſſel, Magdeburg, Hof, Erlangen,

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[14/0022] Donnernd hallt des Schickſals Stimme: Völker wacht, die Zeit iſt nah’! Euer Gott in ſeinem Grimme Auf der Throne Thaten ſah’, Blutig, rechtlos waren alle Vom Indus bis Tajo’s Strand, Zürnend ſprach Er: ja, es falle Ihre Macht von Land zu Land! Gott der Gerechtigkeit, laß es gelingen, Vater, Du ſegne das muthige Ringen! Muthigen hilft ja der ſchützende Gott! Schimpflich iſt’s in alter Weiſe Noch zu fleh’n um Fürſtenhuld, Mit der Schande ſchnödem Preiſe Mehrt ihr ſo die große Schuld; Männern ziemt ein ernſtes Mahnen Mit der Wahrheit Donnerwort, Selber ſich den Weg zu bahnen Zu der Freiheit ſtolzem Port. Aber der Flehende ärndtet nur Schande, Wahrlich ihm ziemen die ſchimpflichen Bande, Er iſt der Ehre der Freiheit nicht werth! Freudig für die Freiheit leben, Für ſie ſterben ſei der Schwur! Nicht wie Könige ſie geben, Volle Freiheit rettet nur. Daß kein Fürſtenwort bethöre, Folgt des Vaterlands Gebot: Jeder deutſche Mann er ſchwöre, Schwöre: Freiheit oder Tod! Tod für die Freiheit ſey freudig willkommen, Männer Ihr alle, für Freiheit entglommen, Bleibet dem heiligen Schwure getreu! Als der Anfang des Zuges am Orte des Feſtes angekommen war, wurde auf einem erhöhten Punkte die polniſche, und oben auf den höch- ſten Zinnen der Ruine die deutſche Fahne aufgepflanzt. Weithin über die geſegneten Auen wehte nun das ſtolze Panner unſeres Vaterlandes, ein Anblick, der die Freude aller Anweſenden zu Begeiſterung ſteigerte. — Nach der Ankunft auf dem Berge gewahrte man erſt, wie groß die Menge der angekommenen Gäſte ſei. Es waren mindeſtens Dreißig- tauſend Perſonen verſammelt. Man bemerkte insbeſondere Bürger aus Straßburg, Collmar, Paris, Metz, Weiſenburg, Mancheſter, Con- ſtanz, Heidelberg, Carlsruhe, Freiburg, Mannheim, Marburg, Tü- bingen, Würzburg, Jena, Göttingen, Stralſund, Coburg, München, Frankfurt, Nürnberg, Mainz, Worms, Wiesbaden, Kölln, Trier, Gieſen, Stuttgart, Darmſtadt, Kaſſel, Magdeburg, Hof, Erlangen,

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/22>, abgerufen am 28.11.2024.