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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
blieben war, empöret, und Lachares hatte sich zum Haupte der Stadt auf-
geworfen; Demetrius aber verjagte denselben aus Athen, befestigte das
Museum, und legte Besatzung hinein: er ließ die Athenienser ihren Abfall
empfinden, welche die Umstände, in die sie gesetzt waren, für eine wirkli-
che Knechtschaft hielten 1).

Der Fall des Flors der Kunst ist zu verstehen von Künstlern, welcheB.
Abnahme der
Kunst in Grie-
chenland, die
hingegen an-
fieng zu blü-
hen

sich von neuem hervorgethan: denn diejenigen, welche, als Lysippus, Apel-
les und Protogenes, besagte Zeit überlebet, werden nach ihrem Flore ge-
rechnet. Die große Veränderung nach Alexanders Tode äußert sich auch
in der Sprache und Schreibart der Griechen: denn ihre Schriften sind von
dieser Zeit an größtentheils in dem sogenannten gemeinen Dialecte abge-
fasset, welcher zu keiner Zeit, oder an irgend einem Orte, die Mundart
des Volks war; es war eine Sprache der Gelehrten, so wie es die Latei-
nische itzo ist.

Die Kunst, welche Noth in Griechenland litt, wurde von den Se-a.
Unter den Se-
leucidern.

leucidern nach Asien gerufen, und die dasigen Künstler machten denen,
die in Griechenland geblieben waren, den Vorzug streitig 2). Her-
mocles aus Rhodus,
welcher die Statue des schönen Combabus mach-
te 3), blühete an dem Hofe der ersten von diesen Königen. Ctesias, wel-
cher einen sterbenden Fechter machte, war vielleicht unter den Künstlern
dieses Hofes: denn Antiochus Epiphanes, König in Syrien, führete die
Fechterspiele, welche den Griechen nicht bekannt waren, in Asien ein; er
ließ Fechter von Rom kommen, und die Griechen, welche anfänglich diese
Spiele nicht ohne Abscheu sahen, verlohren durch die Gewohnheit die Em-
pfindung: bey den Cretensern allein waren schon vor dieser Zeit Fechter-
spiele üblich, und es erschienen auch die geehrtesten Frauen bey denselben 4).

Da
1) Dicaearch. Geogr. p. 168. l. 14.
2) Theophraft. Charact. c. ult.
3) Lucian. de Dea Syr. c. 26. p. 472.
4) Scalig. Poet. L. 1. c. 36. p. 44.
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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
blieben war, empoͤret, und Lachares hatte ſich zum Haupte der Stadt auf-
geworfen; Demetrius aber verjagte denſelben aus Athen, befeſtigte das
Muſeum, und legte Beſatzung hinein: er ließ die Athenienſer ihren Abfall
empfinden, welche die Umſtaͤnde, in die ſie geſetzt waren, fuͤr eine wirkli-
che Knechtſchaft hielten 1).

Der Fall des Flors der Kunſt iſt zu verſtehen von Kuͤnſtlern, welcheB.
Abnahme der
Kunſt in Grie-
chenland, die
hingegen an-
fieng zu bluͤ-
hen

ſich von neuem hervorgethan: denn diejenigen, welche, als Lyſippus, Apel-
les und Protogenes, beſagte Zeit uͤberlebet, werden nach ihrem Flore ge-
rechnet. Die große Veraͤnderung nach Alexanders Tode aͤußert ſich auch
in der Sprache und Schreibart der Griechen: denn ihre Schriften ſind von
dieſer Zeit an groͤßtentheils in dem ſogenannten gemeinen Dialecte abge-
faſſet, welcher zu keiner Zeit, oder an irgend einem Orte, die Mundart
des Volks war; es war eine Sprache der Gelehrten, ſo wie es die Latei-
niſche itzo iſt.

Die Kunſt, welche Noth in Griechenland litt, wurde von den Se-a.
Unter den Se-
leucidern.

leucidern nach Aſien gerufen, und die daſigen Kuͤnſtler machten denen,
die in Griechenland geblieben waren, den Vorzug ſtreitig 2). Her-
mocles aus Rhodus,
welcher die Statue des ſchoͤnen Combabus mach-
te 3), bluͤhete an dem Hofe der erſten von dieſen Koͤnigen. Cteſias, wel-
cher einen ſterbenden Fechter machte, war vielleicht unter den Kuͤnſtlern
dieſes Hofes: denn Antiochus Epiphanes, Koͤnig in Syrien, fuͤhrete die
Fechterſpiele, welche den Griechen nicht bekannt waren, in Aſien ein; er
ließ Fechter von Rom kommen, und die Griechen, welche anfaͤnglich dieſe
Spiele nicht ohne Abſcheu ſahen, verlohren durch die Gewohnheit die Em-
pfindung: bey den Cretenſern allein waren ſchon vor dieſer Zeit Fechter-
ſpiele uͤblich, und es erſchienen auch die geehrteſten Frauen bey denſelben 4).

Da
1) Dicaearch. Geogr. p. 168. l. 14.
2) Theophraft. Charact. c. ult.
3) Lucian. de Dea Syr. c. 26. p. 472.
4) Scalig. Poet. L. 1. c. 36. p. 44.
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[357/0045] der Zeit unter den Griechen betrachtet. blieben war, empoͤret, und Lachares hatte ſich zum Haupte der Stadt auf- geworfen; Demetrius aber verjagte denſelben aus Athen, befeſtigte das Muſeum, und legte Beſatzung hinein: er ließ die Athenienſer ihren Abfall empfinden, welche die Umſtaͤnde, in die ſie geſetzt waren, fuͤr eine wirkli- che Knechtſchaft hielten 1). Der Fall des Flors der Kunſt iſt zu verſtehen von Kuͤnſtlern, welche ſich von neuem hervorgethan: denn diejenigen, welche, als Lyſippus, Apel- les und Protogenes, beſagte Zeit uͤberlebet, werden nach ihrem Flore ge- rechnet. Die große Veraͤnderung nach Alexanders Tode aͤußert ſich auch in der Sprache und Schreibart der Griechen: denn ihre Schriften ſind von dieſer Zeit an groͤßtentheils in dem ſogenannten gemeinen Dialecte abge- faſſet, welcher zu keiner Zeit, oder an irgend einem Orte, die Mundart des Volks war; es war eine Sprache der Gelehrten, ſo wie es die Latei- niſche itzo iſt. B. Abnahme der Kunſt in Grie- chenland, die hingegen an- fieng zu bluͤ- hen Die Kunſt, welche Noth in Griechenland litt, wurde von den Se- leucidern nach Aſien gerufen, und die daſigen Kuͤnſtler machten denen, die in Griechenland geblieben waren, den Vorzug ſtreitig 2). Her- mocles aus Rhodus, welcher die Statue des ſchoͤnen Combabus mach- te 3), bluͤhete an dem Hofe der erſten von dieſen Koͤnigen. Cteſias, wel- cher einen ſterbenden Fechter machte, war vielleicht unter den Kuͤnſtlern dieſes Hofes: denn Antiochus Epiphanes, Koͤnig in Syrien, fuͤhrete die Fechterſpiele, welche den Griechen nicht bekannt waren, in Aſien ein; er ließ Fechter von Rom kommen, und die Griechen, welche anfaͤnglich dieſe Spiele nicht ohne Abſcheu ſahen, verlohren durch die Gewohnheit die Em- pfindung: bey den Cretenſern allein waren ſchon vor dieſer Zeit Fechter- ſpiele uͤblich, und es erſchienen auch die geehrteſten Frauen bey denſelben 4). Da a. Unter den Se- leucidern. 1) Dicaearch. Geogr. p. 168. l. 14. 2) Theophraft. Charact. c. ult. 3) Lucian. de Dea Syr. c. 26. p. 472. 4) Scalig. Poet. L. 1. c. 36. p. 44. Y y 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/45>, abgerufen am 24.11.2024.