Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Kunst unter den Griechen.
Gemälde. Zuweilen ist die obere Lage so fein und weiß, daß es reiner fei-
ner Kalk oder Gips scheinet, wie an dem Jupiter und Ganymedes, und an
den andern an eben dem Orte gefundenen Gemälden, und diese Lage ist
einen starken Strohhalm dick. An allen Gemälden, so wohl auf trockenen,
als nassen Gründen, ist die äußerste Lage auf gleiche Weise auf das sorgfäl-
tigste geglättet, wie ein Glas, welches in der zweyten Art Malerey, wenn
der Grund sehr fein war, eine sehr große Fertigkeit und geschwinde Aus-
führung erforderte.

Die heutige Zurichtung des Auftrages zum Fresco-malen, oder auf
nassen Gründen, ist etwas verschieden von der Art der Alten; es wird
derselbe von Kalk und von Puzzolana gemacht: denn der Kalk mit fein ge-
stoßenem Marmor durch einander geschlagen, wird zu schnelle trocken, und
würde die Farben augenblicklich in sich ziehen. Die Fläche wird auch nicht,
wie bey den Alten, geglättet, sondern rauchlich gelassen, und wird mit einem
Borstpinsel wie gekörnet, um die Farben besser anzunehmen: denn auf
einem ganz glatten Grunde würden dieselben, wie man glaubet, ausfließen.

Zum zweyten ist die Art und Weise der Malerey selbst, die Anlage
und Ausführung derselben auf nassen Gründen, welches udo tectorio
pingere
hieß, und die Malerey auf trockenen Gründen zu berühren: denn
von der alten Art auf Holz zu malen, ist uns nichts besonders bekannt,
außer daß die Alten auf weiße Gründe maleten 1); vielleicht aus eben dem
Grunde, warum zum Purpurfärben, wie Plato sagt, die weißeste Wolle
gesucht wurde 2).

Die
1) Galen. de usu part. L. 10. c. 3.
2) Polit. L. 4. p. 407. l. 6. edit. Basil.
N n 2

Von der Kunſt unter den Griechen.
Gemaͤlde. Zuweilen iſt die obere Lage ſo fein und weiß, daß es reiner fei-
ner Kalk oder Gips ſcheinet, wie an dem Jupiter und Ganymedes, und an
den andern an eben dem Orte gefundenen Gemaͤlden, und dieſe Lage iſt
einen ſtarken Strohhalm dick. An allen Gemaͤlden, ſo wohl auf trockenen,
als naſſen Gruͤnden, iſt die aͤußerſte Lage auf gleiche Weiſe auf das ſorgfaͤl-
tigſte geglaͤttet, wie ein Glas, welches in der zweyten Art Malerey, wenn
der Grund ſehr fein war, eine ſehr große Fertigkeit und geſchwinde Aus-
fuͤhrung erforderte.

Die heutige Zurichtung des Auftrages zum Freſco-malen, oder auf
naſſen Gruͤnden, iſt etwas verſchieden von der Art der Alten; es wird
derſelbe von Kalk und von Puzzolana gemacht: denn der Kalk mit fein ge-
ſtoßenem Marmor durch einander geſchlagen, wird zu ſchnelle trocken, und
wuͤrde die Farben augenblicklich in ſich ziehen. Die Flaͤche wird auch nicht,
wie bey den Alten, geglaͤttet, ſondern rauchlich gelaſſen, und wird mit einem
Borſtpinſel wie gekoͤrnet, um die Farben beſſer anzunehmen: denn auf
einem ganz glatten Grunde wuͤrden dieſelben, wie man glaubet, ausfließen.

Zum zweyten iſt die Art und Weiſe der Malerey ſelbſt, die Anlage
und Ausfuͤhrung derſelben auf naſſen Gruͤnden, welches udo tectorio
pingere
hieß, und die Malerey auf trockenen Gruͤnden zu beruͤhren: denn
von der alten Art auf Holz zu malen, iſt uns nichts beſonders bekannt,
außer daß die Alten auf weiße Gruͤnde maleten 1); vielleicht aus eben dem
Grunde, warum zum Purpurfaͤrben, wie Plato ſagt, die weißeſte Wolle
geſucht wurde 2).

Die
1) Galen. de uſu part. L. 10. c. 3.
2) Polit. L. 4. p. 407. l. 6. edit. Baſil.
N n 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0333" n="283"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Kun&#x017F;t unter den Griechen.</hi></fw><lb/>
Gema&#x0364;lde. Zuweilen i&#x017F;t die obere Lage &#x017F;o fein und weiß, daß es reiner fei-<lb/>
ner Kalk oder Gips &#x017F;cheinet, wie an dem Jupiter und Ganymedes, und an<lb/>
den andern an eben dem Orte gefundenen Gema&#x0364;lden, und die&#x017F;e Lage i&#x017F;t<lb/>
einen &#x017F;tarken Strohhalm dick. An allen Gema&#x0364;lden, &#x017F;o wohl auf trockenen,<lb/>
als na&#x017F;&#x017F;en Gru&#x0364;nden, i&#x017F;t die a&#x0364;ußer&#x017F;te Lage auf gleiche Wei&#x017F;e auf das &#x017F;orgfa&#x0364;l-<lb/>
tig&#x017F;te gegla&#x0364;ttet, wie ein Glas, welches in der zweyten Art Malerey, wenn<lb/>
der Grund &#x017F;ehr fein war, eine &#x017F;ehr große Fertigkeit und ge&#x017F;chwinde Aus-<lb/>
fu&#x0364;hrung erforderte.</p><lb/>
              <p>Die heutige Zurichtung des Auftrages zum <hi rendition="#fr">Fre&#x017F;co</hi>-malen, oder auf<lb/>
na&#x017F;&#x017F;en Gru&#x0364;nden, i&#x017F;t etwas ver&#x017F;chieden von der Art der Alten; es wird<lb/>
der&#x017F;elbe von Kalk und von Puzzolana gemacht: denn der Kalk mit fein ge-<lb/>
&#x017F;toßenem Marmor durch einander ge&#x017F;chlagen, wird zu &#x017F;chnelle trocken, und<lb/>
wu&#x0364;rde die Farben augenblicklich in &#x017F;ich ziehen. Die Fla&#x0364;che wird auch nicht,<lb/>
wie bey den Alten, gegla&#x0364;ttet, &#x017F;ondern rauchlich gela&#x017F;&#x017F;en, und wird mit einem<lb/>
Bor&#x017F;tpin&#x017F;el wie geko&#x0364;rnet, um die Farben be&#x017F;&#x017F;er anzunehmen: denn auf<lb/>
einem ganz glatten Grunde wu&#x0364;rden die&#x017F;elben, wie man glaubet, ausfließen.</p><lb/>
              <p>Zum zweyten i&#x017F;t die Art und Wei&#x017F;e der Malerey &#x017F;elb&#x017F;t, die Anlage<lb/>
und Ausfu&#x0364;hrung der&#x017F;elben auf na&#x017F;&#x017F;en Gru&#x0364;nden, welches <hi rendition="#aq">udo tectorio<lb/>
pingere</hi> hieß, und die Malerey auf trockenen Gru&#x0364;nden zu beru&#x0364;hren: denn<lb/>
von der alten Art auf Holz zu malen, i&#x017F;t uns nichts be&#x017F;onders bekannt,<lb/>
außer daß die Alten auf weiße Gru&#x0364;nde maleten <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Galen. de u&#x017F;u part. L. 10. c.</hi> 3.</note>; vielleicht aus eben dem<lb/>
Grunde, warum zum Purpurfa&#x0364;rben, wie Plato &#x017F;agt, die weiße&#x017F;te Wolle<lb/>
ge&#x017F;ucht wurde <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Polit. L. 4. p. 407. l. 6. edit. Ba&#x017F;il.</hi></note>.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">N n 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0333] Von der Kunſt unter den Griechen. Gemaͤlde. Zuweilen iſt die obere Lage ſo fein und weiß, daß es reiner fei- ner Kalk oder Gips ſcheinet, wie an dem Jupiter und Ganymedes, und an den andern an eben dem Orte gefundenen Gemaͤlden, und dieſe Lage iſt einen ſtarken Strohhalm dick. An allen Gemaͤlden, ſo wohl auf trockenen, als naſſen Gruͤnden, iſt die aͤußerſte Lage auf gleiche Weiſe auf das ſorgfaͤl- tigſte geglaͤttet, wie ein Glas, welches in der zweyten Art Malerey, wenn der Grund ſehr fein war, eine ſehr große Fertigkeit und geſchwinde Aus- fuͤhrung erforderte. Die heutige Zurichtung des Auftrages zum Freſco-malen, oder auf naſſen Gruͤnden, iſt etwas verſchieden von der Art der Alten; es wird derſelbe von Kalk und von Puzzolana gemacht: denn der Kalk mit fein ge- ſtoßenem Marmor durch einander geſchlagen, wird zu ſchnelle trocken, und wuͤrde die Farben augenblicklich in ſich ziehen. Die Flaͤche wird auch nicht, wie bey den Alten, geglaͤttet, ſondern rauchlich gelaſſen, und wird mit einem Borſtpinſel wie gekoͤrnet, um die Farben beſſer anzunehmen: denn auf einem ganz glatten Grunde wuͤrden dieſelben, wie man glaubet, ausfließen. Zum zweyten iſt die Art und Weiſe der Malerey ſelbſt, die Anlage und Ausfuͤhrung derſelben auf naſſen Gruͤnden, welches udo tectorio pingere hieß, und die Malerey auf trockenen Gruͤnden zu beruͤhren: denn von der alten Art auf Holz zu malen, iſt uns nichts beſonders bekannt, außer daß die Alten auf weiße Gruͤnde maleten 1); vielleicht aus eben dem Grunde, warum zum Purpurfaͤrben, wie Plato ſagt, die weißeſte Wolle geſucht wurde 2). Die 1) Galen. de uſu part. L. 10. c. 3. 2) Polit. L. 4. p. 407. l. 6. edit. Baſil. N n 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/333
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/333>, abgerufen am 22.11.2024.