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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Vorrede.
ten wollen: er hat nicht gesehen, daß beyde Arme und Hände
neu sind. Herr Spence hätte sich bey dem Zepter eines Jupi-
ters nicht aufgehalten 1), wenn er wahrgenommen, daß der Arm
neu, und folglich auch der Stab neu ist.

Die Ergänzungen sollten in den Kupfern, oder in ihren
Erklärungen, angezeiget werden: denn der Kopf des Ganyme-
des in der Gallerie zu Florenz muß nach dem Kupfer einen
schlechten Begriff machen 2), und er ist noch schlechter im Ori-
ginale. Wie viel andere Köpfe alter Statuen daselbst sind neu,
die man nicht dafür angesehen hat! wie der Kopf eines Apollo,
dessen Lorbeerkranz vom Gori als etwas besonders angeführet
wird 3). Neue Köpfe haben der Narcissus, der sogenannte
Phrygische Priester, eine sitzende Matrone, die Venus Gene-
trix 4): der Kopf der Diana, eines Bacchus mit dem Sa-
tyr zu dessen Füßen, und eines andern Bacchus, der eine
Weintraube in die Höhe hält, sind abscheulich schlecht 5). Die
mehresten Statuen der Königinn Christina von Schweden, wel-
che zu St. Ildefonse in Spanien stehen, haben ebenfalls neue
Köpfe, und die acht Musen daselbst auch die Arme.

Viele Vergehungen der Scribenten rühren auch aus un-
richtigen Zeichnungen her, welches zum Exempel die Ursache
davon in Cupers Erklärung des Homerus ist. Der Zeichner
hat die Tragödie für eine Männliche Figur angesehen, und es
ist der Cothurnus, welcher auf dem Marmor sehr deutlich ist,

nicht
1) Polymet. Dial. 6. p. 46. not. 3.
2) Mus. Flor. T. 3. tav. 5.
3) Ibid. alla tav. 10.
4) Ibid. tav. 71. 80. 88. 33.
5) Ibid. tav. 19. 47. 50.
c 2

Vorrede.
ten wollen: er hat nicht geſehen, daß beyde Arme und Haͤnde
neu ſind. Herr Spence haͤtte ſich bey dem Zepter eines Jupi-
ters nicht aufgehalten 1), wenn er wahrgenommen, daß der Arm
neu, und folglich auch der Stab neu iſt.

Die Ergaͤnzungen ſollten in den Kupfern, oder in ihren
Erklaͤrungen, angezeiget werden: denn der Kopf des Ganyme-
des in der Gallerie zu Florenz muß nach dem Kupfer einen
ſchlechten Begriff machen 2), und er iſt noch ſchlechter im Ori-
ginale. Wie viel andere Koͤpfe alter Statuen daſelbſt ſind neu,
die man nicht dafuͤr angeſehen hat! wie der Kopf eines Apollo,
deſſen Lorbeerkranz vom Gori als etwas beſonders angefuͤhret
wird 3). Neue Koͤpfe haben der Narciſſus, der ſogenannte
Phrygiſche Prieſter, eine ſitzende Matrone, die Venus Gene-
trix 4): der Kopf der Diana, eines Bacchus mit dem Sa-
tyr zu deſſen Fuͤßen, und eines andern Bacchus, der eine
Weintraube in die Hoͤhe haͤlt, ſind abſcheulich ſchlecht 5). Die
mehreſten Statuen der Koͤniginn Chriſtina von Schweden, wel-
che zu St. Ildefonſe in Spanien ſtehen, haben ebenfalls neue
Koͤpfe, und die acht Muſen daſelbſt auch die Arme.

Viele Vergehungen der Scribenten ruͤhren auch aus un-
richtigen Zeichnungen her, welches zum Exempel die Urſache
davon in Cupers Erklaͤrung des Homerus iſt. Der Zeichner
hat die Tragoͤdie fuͤr eine Maͤnnliche Figur angeſehen, und es
iſt der Cothurnus, welcher auf dem Marmor ſehr deutlich iſt,

nicht
1) Polymet. Dial. 6. p. 46. not. 3.
2) Muſ. Flor. T. 3. tav. 5.
3) Ibid. alla tav. 10.
4) Ibid. tav. 71. 80. 88. 33.
5) Ibid. tav. 19. 47. 50.
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[XIX/0017] Vorrede. ten wollen: er hat nicht geſehen, daß beyde Arme und Haͤnde neu ſind. Herr Spence haͤtte ſich bey dem Zepter eines Jupi- ters nicht aufgehalten 1), wenn er wahrgenommen, daß der Arm neu, und folglich auch der Stab neu iſt. Die Ergaͤnzungen ſollten in den Kupfern, oder in ihren Erklaͤrungen, angezeiget werden: denn der Kopf des Ganyme- des in der Gallerie zu Florenz muß nach dem Kupfer einen ſchlechten Begriff machen 2), und er iſt noch ſchlechter im Ori- ginale. Wie viel andere Koͤpfe alter Statuen daſelbſt ſind neu, die man nicht dafuͤr angeſehen hat! wie der Kopf eines Apollo, deſſen Lorbeerkranz vom Gori als etwas beſonders angefuͤhret wird 3). Neue Koͤpfe haben der Narciſſus, der ſogenannte Phrygiſche Prieſter, eine ſitzende Matrone, die Venus Gene- trix 4): der Kopf der Diana, eines Bacchus mit dem Sa- tyr zu deſſen Fuͤßen, und eines andern Bacchus, der eine Weintraube in die Hoͤhe haͤlt, ſind abſcheulich ſchlecht 5). Die mehreſten Statuen der Koͤniginn Chriſtina von Schweden, wel- che zu St. Ildefonſe in Spanien ſtehen, haben ebenfalls neue Koͤpfe, und die acht Muſen daſelbſt auch die Arme. Viele Vergehungen der Scribenten ruͤhren auch aus un- richtigen Zeichnungen her, welches zum Exempel die Urſache davon in Cupers Erklaͤrung des Homerus iſt. Der Zeichner hat die Tragoͤdie fuͤr eine Maͤnnliche Figur angeſehen, und es iſt der Cothurnus, welcher auf dem Marmor ſehr deutlich iſt, nicht 1) Polymet. Dial. 6. p. 46. not. 3. 2) Muſ. Flor. T. 3. tav. 5. 3) Ibid. alla tav. 10. 4) Ibid. tav. 71. 80. 88. 33. 5) Ibid. tav. 19. 47. 50. c 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/17>, abgerufen am 21.11.2024.