Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Hetruriern. Griechenland ist dieses von besagter Zeit in allerley Arten von Wissenschaf-ten gewiß, und es scheinet, daß sich damals auch über andere gesittete Völ- ker ein allgemeiner Geist ergossen, welcher sonderlich in die Kunst gewirket, dieselbe begeistert und belebet habe. Wir gehen also von dem ersten und älteren Hetrurischen Stile zuC. schönen 1) In Theseo, p. 9. l. 4. O 3
Von der Kunſt unter den Hetruriern. Griechenland iſt dieſes von beſagter Zeit in allerley Arten von Wiſſenſchaf-ten gewiß, und es ſcheinet, daß ſich damals auch uͤber andere geſittete Voͤl- ker ein allgemeiner Geiſt ergoſſen, welcher ſonderlich in die Kunſt gewirket, dieſelbe begeiſtert und belebet habe. Wir gehen alſo von dem erſten und aͤlteren Hetruriſchen Stile zuC. ſchoͤnen 1) In Theſeo, p. 9. l. 4. O 3
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Von der Kunſt unter den Hetruriern.
Griechenland iſt dieſes von beſagter Zeit in allerley Arten von Wiſſenſchaf-
ten gewiß, und es ſcheinet, daß ſich damals auch uͤber andere geſittete Voͤl-
ker ein allgemeiner Geiſt ergoſſen, welcher ſonderlich in die Kunſt gewirket,
dieſelbe begeiſtert und belebet habe.
Wir gehen alſo von dem erſten und aͤlteren Hetruriſchen Stile zu
dem nachfolgenden und zweyten, deſſen Eigenſchaften und Kennzeichen ſind
theils eine empfindliche Andeutung der Figur und deren Theile, theils eine
gezwungene Stellung und Handlung, die in einigen Figuren gewaltſam
und uͤbetrieben iſt. In der erſten Eigenſchaft ſind die Muskeln ſchwuͤlſtig
erhoben, und liegen wie Huͤgel, die Knochen ſind ſchneidend gezogen, und
allzu ſichtbar angegeben, wodurch dieſer Stil hart und peinlich wird. Es
iſt aber zu merken, daß die beyden Arten dieſer Eigenſchaft, nemlich die
ſtarke Andeutung der Muskeln und der Knochen, ſich nicht beſtaͤndig bey-
ſammen in allerhand Werken dieſes Stils finden. In Marmor, weil
ſich nur goͤttliche Figuren erhalten haben, ſind die Muskeln nicht allezeit
ſehr geſucht; aber der ſtrenge und harte Schnitt der Muskeln der Wade
iſt an allen. Ueberhaupt aber kann man als eine Regel feſtſetzen, daß die
Griechen mehr den Ausdruck und die Andeutung der Muskeln, die He-
trurier aber der Knochen geſucht; und wenn ich nach dieſer Kenntniß einen
ſeltenen und ſchoͤn geſchnittenen Stein beurtheile, und einige Knochen zu ſtark
angegeben ſehe, ſo waͤre ich geneigt, denſelben fuͤr Hetruriſch zu halten,
da er im uͤbrigen einem Griechiſchen Kuͤnſtler Ehre machen koͤnnte. Es iſt
derſelbe zu Anfange des dritten Stuͤcks des folgenden Capitels geſetzt, und
ſtellet den Theſeus vor, wie er die Phaͤa erſchlagen hat, wovon Plutar-
chus 1) meldet. Dieſer Carniol befand ſich noch vor zwanzig Jahren
in dem Koͤniglichen Farneſiſchen Muſeo zu Capo di Monte in Neapel,
iſt aber ſeit der Zeit entwendet worden, wie es vor und nachher mit andern
ſchoͤnen
C.
Von dem
zweyten Stile
der Hetruri-
ſchen Kuͤnſtler,
und von deſſen
Eigenſchaften.
1) In Theſeo, p. 9. l. 4.
O 3
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