Dieses Volk war, wie Mela 1) saget, arbeitsam, und hatte sich in Kriegs- und Friedens-Geschäften so wohl, als in Wissenschaften und in Schriften über dieselben, hervorgethan. Die Wissenschaften blüheten schon bey ihnen, da die Griechen noch ohne Unterricht waren, und Moschus 2) aus Sidon soll schon vor dem Trojanischen Kriege die Atomen gelehret ha- ben. Die Astronomie und Rechenkunst wurde bey ihnen, wo nicht erfun- den, doch höher, als anderwerts, gebracht. Vornehmlich aber sind die Phönicier wegen vieler Erfindungen in den Künsten 3) berühmt, und Ho- merus 4) nennet daher die Sidonier große Künstler. Wir wissen, daß Salomon Phönicische Meister kommen ließ, den Tempel des Herrn und das Haus des Königs zu bauen, und noch bey den Römern wurden die besten Geräthe von Holz, von Punischen Arbeitern gemachet; daher sich bey ihren alten Scribenten von 5) Punischen Betten, Fenstern, Pressen und Fugen Meldung findet.
Der Ueberfluß nährete die Künste: denn es ist bekannt, was die Pro- pheten von dem Pracht zu Tyrus reden: es waren daselbst, wie Strabo an angeführtem Orte berichtet, noch zu seiner Zeit höhere Häuser, als selbst in Rom; und Appianus 6) saget, daß in der Byrsa, dem inneren Theile der Stadt Carthago, die Häuser von sechs Gestock gewesen. In ihren Tempeln waren vergoldete Statuen, wie ein 7) Apollo zu Carthago war; ja man redet von goldenen Säulen, und von Statuen von Smaragd. Livius 8) meldet von einem silbernen Schilde von hundert und dreyßig Pfund, auf welchem das Bildniß des Asdrubals, eines Bruders des Hannibals, gearbeitet war. Es war derselbe im Capitolio aufgehänget.
Ihr
1)L. 1. c. 12.
2)Strab. Geogr. L. 16. p. 757. D.
3)conf. Bochart. Phal. & Can. L. 4. c. 35.
4)Il. ps, 743.
5)conf. Scal. in Varron. de re rust. p. 261. 262.
6)Libyc. p. 58. l. 2.
7)Ibid. p. 57. l. 40.
8)L. 25. c. 39.
I Theil. Zweytes Capitel.
Dieſes Volk war, wie Mela 1) ſaget, arbeitſam, und hatte ſich in Kriegs- und Friedens-Geſchaͤften ſo wohl, als in Wiſſenſchaften und in Schriften uͤber dieſelben, hervorgethan. Die Wiſſenſchaften bluͤheten ſchon bey ihnen, da die Griechen noch ohne Unterricht waren, und Moſchus 2) aus Sidon ſoll ſchon vor dem Trojaniſchen Kriege die Atomen gelehret ha- ben. Die Aſtronomie und Rechenkunſt wurde bey ihnen, wo nicht erfun- den, doch hoͤher, als anderwerts, gebracht. Vornehmlich aber ſind die Phoͤnicier wegen vieler Erfindungen in den Kuͤnſten 3) beruͤhmt, und Ho- merus 4) nennet daher die Sidonier große Kuͤnſtler. Wir wiſſen, daß Salomon Phoͤniciſche Meiſter kommen ließ, den Tempel des Herrn und das Haus des Koͤnigs zu bauen, und noch bey den Roͤmern wurden die beſten Geraͤthe von Holz, von Puniſchen Arbeitern gemachet; daher ſich bey ihren alten Scribenten von 5) Puniſchen Betten, Fenſtern, Preſſen und Fugen Meldung findet.
Der Ueberfluß naͤhrete die Kuͤnſte: denn es iſt bekannt, was die Pro- pheten von dem Pracht zu Tyrus reden: es waren daſelbſt, wie Strabo an angefuͤhrtem Orte berichtet, noch zu ſeiner Zeit hoͤhere Haͤuſer, als ſelbſt in Rom; und Appianus 6) ſaget, daß in der Byrſa, dem inneren Theile der Stadt Carthago, die Haͤuſer von ſechs Geſtock geweſen. In ihren Tempeln waren vergoldete Statuen, wie ein 7) Apollo zu Carthago war; ja man redet von goldenen Saͤulen, und von Statuen von Smaragd. Livius 8) meldet von einem ſilbernen Schilde von hundert und dreyßig Pfund, auf welchem das Bildniß des Asdrubals, eines Bruders des Hannibals, gearbeitet war. Es war derſelbe im Capitolio aufgehaͤnget.
Ihr
1)L. 1. c. 12.
2)Strab. Geogr. L. 16. p. 757. D.
3)conf. Bochart. Phal. & Can. L. 4. c. 35.
4)Il. ψ̛, 743.
5)conf. Scal. in Varron. de re ruſt. p. 261. 262.
6)Libyc. p. 58. l. 2.
7)Ibid. p. 57. l. 40.
8)L. 25. c. 39.
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I Theil. Zweytes Capitel.
Dieſes Volk war, wie Mela 1) ſaget, arbeitſam, und hatte ſich in
Kriegs- und Friedens-Geſchaͤften ſo wohl, als in Wiſſenſchaften und in
Schriften uͤber dieſelben, hervorgethan. Die Wiſſenſchaften bluͤheten ſchon
bey ihnen, da die Griechen noch ohne Unterricht waren, und Moſchus 2)
aus Sidon ſoll ſchon vor dem Trojaniſchen Kriege die Atomen gelehret ha-
ben. Die Aſtronomie und Rechenkunſt wurde bey ihnen, wo nicht erfun-
den, doch hoͤher, als anderwerts, gebracht. Vornehmlich aber ſind die
Phoͤnicier wegen vieler Erfindungen in den Kuͤnſten 3) beruͤhmt, und Ho-
merus 4) nennet daher die Sidonier große Kuͤnſtler. Wir wiſſen, daß
Salomon Phoͤniciſche Meiſter kommen ließ, den Tempel des Herrn und
das Haus des Koͤnigs zu bauen, und noch bey den Roͤmern wurden die
beſten Geraͤthe von Holz, von Puniſchen Arbeitern gemachet; daher ſich bey
ihren alten Scribenten von 5) Puniſchen Betten, Fenſtern, Preſſen und
Fugen Meldung findet.
Der Ueberfluß naͤhrete die Kuͤnſte: denn es iſt bekannt, was die Pro-
pheten von dem Pracht zu Tyrus reden: es waren daſelbſt, wie Strabo
an angefuͤhrtem Orte berichtet, noch zu ſeiner Zeit hoͤhere Haͤuſer, als ſelbſt
in Rom; und Appianus 6) ſaget, daß in der Byrſa, dem inneren Theile
der Stadt Carthago, die Haͤuſer von ſechs Geſtock geweſen. In ihren
Tempeln waren vergoldete Statuen, wie ein 7) Apollo zu Carthago war;
ja man redet von goldenen Saͤulen, und von Statuen von Smaragd.
Livius 8) meldet von einem ſilbernen Schilde von hundert und dreyßig
Pfund, auf welchem das Bildniß des Asdrubals, eines Bruders des
Hannibals, gearbeitet war. Es war derſelbe im Capitolio aufgehaͤnget.
Ihr
1) L. 1. c. 12.
2) Strab. Geogr. L. 16. p. 757. D.
3) conf. Bochart. Phal. & Can. L. 4. c. 35.
4) Il. ψ̛, 743.
5) conf. Scal. in Varron. de re ruſt. p. 261. 262.
6) Libyc. p. 58. l. 2.
7) Ibid. p. 57. l. 40.
8) L. 25. c. 39.
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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/120>, abgerufen am 06.07.2024.
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