Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

I Theil. Zweytes Capitel.
lassen, und, fo viel mir wissend ist, sind dieselben alle in dessen Villa zu
Tivoli gefunden. An einigen ließ er die ältesten Aegyptischen Figuren ge-
nau nachahmen; an andern vereinigte er die Aegyptische Kunst mit der
Griechischen.

In beyden Arten finden sich einige, welche in Stand und Richtung
den ältesten Aegyptischen Figuren völlig ähnlich sind, das ist, sie stehen
völlig gerade, und ohne Handlung, mit senkrecht hängenden, und an der
Seite und den Hüften fest anliegenden Armen; ihre Füße gehen parallel,
und sie stehen, wie die Aegyptischen, an einer eckigten Säule. Andere haben
zwar eben denselben Stand, aber nicht die Arme unbeweglich, sondern sie
tragen oder zeigen mit derselben. Diese Figuren haben nicht alle ihre alten
Köpfe, so wie auch die im vorigen Capitel angeführte Isis einen neuen
Kopf hat. Dieses ist wohl zu merken, weil es denen, die über diese Sta-
tuen geschrieben haben, nicht allezeit bekannt gewesen, und Bottari 1)
hält sich bey dem Kopfe gedachter Isis viel auf. Die Haarflechten, welche
auf der Achsel liegen, hatten sich erhalten, und nach Anweisung derselben
sind die Locken an dem neuen Kopfe gearbeitet. Nach der Ergänzung die-
ser Statue fand sich der alte wahre Kopf derselben, welchen der Cardinal
Polignac kaufte, dessen Museum der König in Preußen erstanden 2). Ich
will hier die verschiedenen Gattungen der Werke in dieser Art, und unter
denselben die beträchtlichsten Stücke, mit einer Beurtheilung ihrer Zeich-
nung und Form anzeigen, und hernach die Bekleidung in diesem Absatze
berühren.

b. Beurthei-
lung besonde-
rer Werke
aa. in Ab-
sicht der
Zeichnung.

Von Statuen sind insbesondere 3) zwo von röthlichem Granite, welche
an der Wohnung des Bischoffs zu Tivoli stehen, und der angeführte Aegy-

ptischen
1) Mus. Capit. T. 3. Fig. 81. p. 152.
2) Dieser Kopf wurde in der Villa Hadriani bey Tivoli, nebst verschiedenen andern Köpfen,
welche gedachter Cardinal ebenfalls an sich brachte, unter vielen mit der Hacke zerschla-
genen Statuen, in einem mit Marmor ausgemauerten und belegten Teiche gefunden.
3) Maffei Raccolta di Statue Fol. 148.

I Theil. Zweytes Capitel.
laſſen, und, fo viel mir wiſſend iſt, ſind dieſelben alle in deſſen Villa zu
Tivoli gefunden. An einigen ließ er die aͤlteſten Aegyptiſchen Figuren ge-
nau nachahmen; an andern vereinigte er die Aegyptiſche Kunſt mit der
Griechiſchen.

In beyden Arten finden ſich einige, welche in Stand und Richtung
den aͤlteſten Aegyptiſchen Figuren voͤllig aͤhnlich ſind, das iſt, ſie ſtehen
voͤllig gerade, und ohne Handlung, mit ſenkrecht haͤngenden, und an der
Seite und den Huͤften feſt anliegenden Armen; ihre Fuͤße gehen parallel,
und ſie ſtehen, wie die Aegyptiſchen, an einer eckigten Saͤule. Andere haben
zwar eben denſelben Stand, aber nicht die Arme unbeweglich, ſondern ſie
tragen oder zeigen mit derſelben. Dieſe Figuren haben nicht alle ihre alten
Koͤpfe, ſo wie auch die im vorigen Capitel angefuͤhrte Iſis einen neuen
Kopf hat. Dieſes iſt wohl zu merken, weil es denen, die uͤber dieſe Sta-
tuen geſchrieben haben, nicht allezeit bekannt geweſen, und Bottari 1)
haͤlt ſich bey dem Kopfe gedachter Iſis viel auf. Die Haarflechten, welche
auf der Achſel liegen, hatten ſich erhalten, und nach Anweiſung derſelben
ſind die Locken an dem neuen Kopfe gearbeitet. Nach der Ergaͤnzung die-
ſer Statue fand ſich der alte wahre Kopf derſelben, welchen der Cardinal
Polignac kaufte, deſſen Muſeum der Koͤnig in Preußen erſtanden 2). Ich
will hier die verſchiedenen Gattungen der Werke in dieſer Art, und unter
denſelben die betraͤchtlichſten Stuͤcke, mit einer Beurtheilung ihrer Zeich-
nung und Form anzeigen, und hernach die Bekleidung in dieſem Abſatze
beruͤhren.

b. Beurthei-
lung beſonde-
rer Werke
aa. in Ab-
ſicht der
Zeichnung.

Von Statuen ſind insbeſondere 3) zwo von roͤthlichem Granite, welche
an der Wohnung des Biſchoffs zu Tivoli ſtehen, und der angefuͤhrte Aegy-

ptiſchen
1) Muſ. Capit. T. 3. Fig. 81. p. 152.
2) Dieſer Kopf wurde in der Villa Hadriani bey Tivoli, nebſt verſchiedenen andern Koͤpfen,
welche gedachter Cardinal ebenfalls an ſich brachte, unter vielen mit der Hacke zerſchla-
genen Statuen, in einem mit Marmor ausgemauerten und belegten Teiche gefunden.
3) Maffei Raccolta di Statue Fol. 148.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0106" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Theil. Zweytes Capitel.</hi></fw><lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und, fo viel mir wi&#x017F;&#x017F;end i&#x017F;t, &#x017F;ind die&#x017F;elben alle in de&#x017F;&#x017F;en Villa zu<lb/>
Tivoli gefunden. An einigen ließ er die a&#x0364;lte&#x017F;ten Aegypti&#x017F;chen Figuren ge-<lb/>
nau nachahmen; an andern vereinigte er die Aegypti&#x017F;che Kun&#x017F;t mit der<lb/>
Griechi&#x017F;chen.</p><lb/>
              <p>In beyden Arten finden &#x017F;ich einige, welche in Stand und Richtung<lb/>
den a&#x0364;lte&#x017F;ten Aegypti&#x017F;chen Figuren vo&#x0364;llig a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, das i&#x017F;t, &#x017F;ie &#x017F;tehen<lb/>
vo&#x0364;llig gerade, und ohne Handlung, mit &#x017F;enkrecht ha&#x0364;ngenden, und an der<lb/>
Seite und den Hu&#x0364;ften fe&#x017F;t anliegenden Armen; ihre Fu&#x0364;ße gehen parallel,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;tehen, wie die Aegypti&#x017F;chen, an einer eckigten Sa&#x0364;ule. Andere haben<lb/>
zwar eben den&#x017F;elben Stand, aber nicht die Arme unbeweglich, &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
tragen oder zeigen mit der&#x017F;elben. Die&#x017F;e Figuren haben nicht alle ihre alten<lb/>
Ko&#x0364;pfe, &#x017F;o wie auch die im vorigen Capitel angefu&#x0364;hrte I&#x017F;is einen neuen<lb/>
Kopf hat. Die&#x017F;es i&#x017F;t wohl zu merken, weil es denen, die u&#x0364;ber die&#x017F;e Sta-<lb/>
tuen ge&#x017F;chrieben haben, nicht allezeit bekannt gewe&#x017F;en, und Bottari <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Mu&#x017F;. Capit. T. 3. Fig. 81. p. 152.</hi></note><lb/>
ha&#x0364;lt &#x017F;ich bey dem Kopfe gedachter I&#x017F;is viel auf. Die Haarflechten, welche<lb/>
auf der Ach&#x017F;el liegen, hatten &#x017F;ich erhalten, und nach Anwei&#x017F;ung der&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ind die Locken an dem neuen Kopfe gearbeitet. Nach der Erga&#x0364;nzung die-<lb/>
&#x017F;er Statue fand &#x017F;ich der alte wahre Kopf der&#x017F;elben, welchen der Cardinal<lb/>
Polignac kaufte, de&#x017F;&#x017F;en Mu&#x017F;eum der Ko&#x0364;nig in Preußen er&#x017F;tanden <note place="foot" n="2)">Die&#x017F;er Kopf wurde in der Villa Hadriani bey Tivoli, neb&#x017F;t ver&#x017F;chiedenen andern Ko&#x0364;pfen,<lb/>
welche gedachter Cardinal ebenfalls an &#x017F;ich brachte, unter vielen mit der Hacke zer&#x017F;chla-<lb/>
genen Statuen, in einem mit Marmor ausgemauerten und belegten Teiche gefunden.</note>. Ich<lb/>
will hier die ver&#x017F;chiedenen Gattungen der Werke in die&#x017F;er Art, und unter<lb/>
den&#x017F;elben die betra&#x0364;chtlich&#x017F;ten Stu&#x0364;cke, mit einer Beurtheilung ihrer Zeich-<lb/>
nung und Form anzeigen, und hernach die Bekleidung in die&#x017F;em Ab&#x017F;atze<lb/>
beru&#x0364;hren.</p><lb/>
              <note place="left"><hi rendition="#aq">b.</hi> Beurthei-<lb/>
lung be&#x017F;onde-<lb/>
rer Werke<lb/><hi rendition="#aq">aa.</hi> in Ab-<lb/>
&#x017F;icht der<lb/>
Zeichnung.</note>
              <p>Von Statuen &#x017F;ind insbe&#x017F;ondere <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Maffei Raccolta di Statue Fol. 148.</hi></note> zwo von ro&#x0364;thlichem Granite, welche<lb/>
an der Wohnung des Bi&#x017F;choffs zu Tivoli &#x017F;tehen, und der angefu&#x0364;hrte Aegy-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">pti&#x017F;chen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0106] I Theil. Zweytes Capitel. laſſen, und, fo viel mir wiſſend iſt, ſind dieſelben alle in deſſen Villa zu Tivoli gefunden. An einigen ließ er die aͤlteſten Aegyptiſchen Figuren ge- nau nachahmen; an andern vereinigte er die Aegyptiſche Kunſt mit der Griechiſchen. In beyden Arten finden ſich einige, welche in Stand und Richtung den aͤlteſten Aegyptiſchen Figuren voͤllig aͤhnlich ſind, das iſt, ſie ſtehen voͤllig gerade, und ohne Handlung, mit ſenkrecht haͤngenden, und an der Seite und den Huͤften feſt anliegenden Armen; ihre Fuͤße gehen parallel, und ſie ſtehen, wie die Aegyptiſchen, an einer eckigten Saͤule. Andere haben zwar eben denſelben Stand, aber nicht die Arme unbeweglich, ſondern ſie tragen oder zeigen mit derſelben. Dieſe Figuren haben nicht alle ihre alten Koͤpfe, ſo wie auch die im vorigen Capitel angefuͤhrte Iſis einen neuen Kopf hat. Dieſes iſt wohl zu merken, weil es denen, die uͤber dieſe Sta- tuen geſchrieben haben, nicht allezeit bekannt geweſen, und Bottari 1) haͤlt ſich bey dem Kopfe gedachter Iſis viel auf. Die Haarflechten, welche auf der Achſel liegen, hatten ſich erhalten, und nach Anweiſung derſelben ſind die Locken an dem neuen Kopfe gearbeitet. Nach der Ergaͤnzung die- ſer Statue fand ſich der alte wahre Kopf derſelben, welchen der Cardinal Polignac kaufte, deſſen Muſeum der Koͤnig in Preußen erſtanden 2). Ich will hier die verſchiedenen Gattungen der Werke in dieſer Art, und unter denſelben die betraͤchtlichſten Stuͤcke, mit einer Beurtheilung ihrer Zeich- nung und Form anzeigen, und hernach die Bekleidung in dieſem Abſatze beruͤhren. Von Statuen ſind insbeſondere 3) zwo von roͤthlichem Granite, welche an der Wohnung des Biſchoffs zu Tivoli ſtehen, und der angefuͤhrte Aegy- ptiſchen 1) Muſ. Capit. T. 3. Fig. 81. p. 152. 2) Dieſer Kopf wurde in der Villa Hadriani bey Tivoli, nebſt verſchiedenen andern Koͤpfen, welche gedachter Cardinal ebenfalls an ſich brachte, unter vielen mit der Hacke zerſchla- genen Statuen, in einem mit Marmor ausgemauerten und belegten Teiche gefunden. 3) Maffei Raccolta di Statue Fol. 148.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/106
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/106>, abgerufen am 23.12.2024.