Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und Liesbeth wußte andern Weibern, die etwa ihr Loos beklagten und den Georg tadelten, ihre Männer in einer Weise zu charakterisiren, daß sie keine Lust zur Fortsetzung des Gesprächs hatten. War Georg krank, so pflegte sie ihn mit einer Sorgfalt, einer Weichlichkeit beinahe, wie sie auf dem Dorf sonst selten ist, selbst ihre Sparsamkeit trat dann in Hintergrund, sie nahm keine Ausgabe, keine Versäumniß der Arbeit schwer, wenn es um seinetwillen nöthig war; Georg konnte nie sehen, wenn sie sich mit zu harter Arbeit plagte; freilich that er wenig, ihr die Sorge dafür abzunehmen, aber er hätte gern zehn Taglöhner gehalten, um ihr die Mühe zu ersparen, und wenn er ihr mit einem schweren Grasbündel begegnete, so nahm er ihn von ihrem Kopfe und trug ihn heim, eine für einen Bauern unerhörte Galanterie. Trotz dieser jeweiligen Zärtlichkeit sank aber doch das Glück des jungen Hausstandes zusammen, noch eh es recht aufgebaut war, und zu derselben Zeit wankte auch des Schultheißen Haus und that einen großen Fall. Es war von dem Tode seines Weibes an, die kurz nach Georges Hochzeit starb, rasch mit ihm abwärts gegangen. Er hatte gern den Herrn gespielt, ein Haus gemacht, was auf dem Land manchmal noch mehr kostet, als in der Stadt, wo viel mit dem Schein abgemacht wird, und wollte immer für reicher gelten, als er war, was das sicherste Mittel ist, immer ärmer zu werden. Als der Schaden entdeckt wurde, war seine und Liesbeth wußte andern Weibern, die etwa ihr Loos beklagten und den Georg tadelten, ihre Männer in einer Weise zu charakterisiren, daß sie keine Lust zur Fortsetzung des Gesprächs hatten. War Georg krank, so pflegte sie ihn mit einer Sorgfalt, einer Weichlichkeit beinahe, wie sie auf dem Dorf sonst selten ist, selbst ihre Sparsamkeit trat dann in Hintergrund, sie nahm keine Ausgabe, keine Versäumniß der Arbeit schwer, wenn es um seinetwillen nöthig war; Georg konnte nie sehen, wenn sie sich mit zu harter Arbeit plagte; freilich that er wenig, ihr die Sorge dafür abzunehmen, aber er hätte gern zehn Taglöhner gehalten, um ihr die Mühe zu ersparen, und wenn er ihr mit einem schweren Grasbündel begegnete, so nahm er ihn von ihrem Kopfe und trug ihn heim, eine für einen Bauern unerhörte Galanterie. Trotz dieser jeweiligen Zärtlichkeit sank aber doch das Glück des jungen Hausstandes zusammen, noch eh es recht aufgebaut war, und zu derselben Zeit wankte auch des Schultheißen Haus und that einen großen Fall. Es war von dem Tode seines Weibes an, die kurz nach Georges Hochzeit starb, rasch mit ihm abwärts gegangen. Er hatte gern den Herrn gespielt, ein Haus gemacht, was auf dem Land manchmal noch mehr kostet, als in der Stadt, wo viel mit dem Schein abgemacht wird, und wollte immer für reicher gelten, als er war, was das sicherste Mittel ist, immer ärmer zu werden. Als der Schaden entdeckt wurde, war seine <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0028"/> und Liesbeth wußte andern Weibern, die etwa ihr Loos beklagten und den Georg tadelten, ihre Männer in einer Weise zu charakterisiren, daß sie keine Lust zur Fortsetzung des Gesprächs hatten. War Georg krank, so pflegte sie ihn mit einer Sorgfalt, einer Weichlichkeit beinahe, wie sie auf dem Dorf sonst selten ist, selbst ihre Sparsamkeit trat dann in Hintergrund, sie nahm keine Ausgabe, keine Versäumniß der Arbeit schwer, wenn es um seinetwillen nöthig war; Georg konnte nie sehen, wenn sie sich mit zu harter Arbeit plagte; freilich that er wenig, ihr die Sorge dafür abzunehmen, aber er hätte gern zehn Taglöhner gehalten, um ihr die Mühe zu ersparen, und wenn er ihr mit einem schweren Grasbündel begegnete, so nahm er ihn von ihrem Kopfe und trug ihn heim, eine für einen Bauern unerhörte Galanterie.</p><lb/> <p>Trotz dieser jeweiligen Zärtlichkeit sank aber doch das Glück des jungen Hausstandes zusammen, noch eh es recht aufgebaut war, und zu derselben Zeit wankte auch des Schultheißen Haus und that einen großen Fall. Es war von dem Tode seines Weibes an, die kurz nach Georges Hochzeit starb, rasch mit ihm abwärts gegangen. Er hatte gern den Herrn gespielt, ein Haus gemacht, was auf dem Land manchmal noch mehr kostet, als in der Stadt, wo viel mit dem Schein abgemacht wird, und wollte immer für reicher gelten, als er war, was das sicherste Mittel ist, immer ärmer zu werden. Als der Schaden entdeckt wurde, war seine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
und Liesbeth wußte andern Weibern, die etwa ihr Loos beklagten und den Georg tadelten, ihre Männer in einer Weise zu charakterisiren, daß sie keine Lust zur Fortsetzung des Gesprächs hatten. War Georg krank, so pflegte sie ihn mit einer Sorgfalt, einer Weichlichkeit beinahe, wie sie auf dem Dorf sonst selten ist, selbst ihre Sparsamkeit trat dann in Hintergrund, sie nahm keine Ausgabe, keine Versäumniß der Arbeit schwer, wenn es um seinetwillen nöthig war; Georg konnte nie sehen, wenn sie sich mit zu harter Arbeit plagte; freilich that er wenig, ihr die Sorge dafür abzunehmen, aber er hätte gern zehn Taglöhner gehalten, um ihr die Mühe zu ersparen, und wenn er ihr mit einem schweren Grasbündel begegnete, so nahm er ihn von ihrem Kopfe und trug ihn heim, eine für einen Bauern unerhörte Galanterie.
Trotz dieser jeweiligen Zärtlichkeit sank aber doch das Glück des jungen Hausstandes zusammen, noch eh es recht aufgebaut war, und zu derselben Zeit wankte auch des Schultheißen Haus und that einen großen Fall. Es war von dem Tode seines Weibes an, die kurz nach Georges Hochzeit starb, rasch mit ihm abwärts gegangen. Er hatte gern den Herrn gespielt, ein Haus gemacht, was auf dem Land manchmal noch mehr kostet, als in der Stadt, wo viel mit dem Schein abgemacht wird, und wollte immer für reicher gelten, als er war, was das sicherste Mittel ist, immer ärmer zu werden. Als der Schaden entdeckt wurde, war seine
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Zitationshilfe: | Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/28>, abgerufen am 16.02.2025. |