Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ganze Einrichtung, die Liesbeth zu jeder Zeit sauber erhalten hatte. Georg, des Schultheißen Sohn, dem der Herr Oberamtmann versprochen hatte, einmal bei ihm einzukehren, hätte gern eine hübschere, moderne Einrichtung gehabt: ein Kanapee, einen hartholzenen Tisch, gepolsterte Stühle; ein paar kolorierte Bilder mit dem Herzog Ulrich und Sturmfeder hatte er als ledig schon angeschafft. Liesbeth willigte durchaus in keine Neuerung, und als Georg dennoch sich wenigstens einen Lehnstuhl anschaffte, stellte sie den beharrlich in die fernste Ecke der Schlafkammer, und er mußte ihn jedesmal selbst herbeischleppen, wenn er sich drauf setzen wollte. Georg konnte tüchtig schaffen, wenn's ihn ankam, aber des Schulzen Sohn hatte gearbeitet, was er wollte und wann er wollte, von dem Bauern aber erwartete sein Weib, die selbst bei keiner Arbeit zurückstand, daß er Alles und zu jeder Zeit arbeite. Liesbeth hatte den eigenthümlichen Erbhaß gegen Dienstboten, der sich je und je bei Frauen aller Stünde findet und das Unglück mancher Haushaltung ist. Nach ihrer Ansicht waren alle Dienstboten ein Diebsvolk, alle Taglöhner "faule Freßsäcke ", so sollte so viel wie möglich allein gearbeitet werden. Nach Georg's Geschmack war das nicht, bei ihm war morgen auch ein Tag, Liesbeth hatte aber ein unerreichtes Talent, ihm am Feierabend oder Nachts Alles aufzuzählen, was hätte geschehen sollen und nicht geschehen sei, und das ist eben keine wesentliche Beförderung der Gemüthsruhe. Dadurch, daß Liesbeth be- ganze Einrichtung, die Liesbeth zu jeder Zeit sauber erhalten hatte. Georg, des Schultheißen Sohn, dem der Herr Oberamtmann versprochen hatte, einmal bei ihm einzukehren, hätte gern eine hübschere, moderne Einrichtung gehabt: ein Kanapee, einen hartholzenen Tisch, gepolsterte Stühle; ein paar kolorierte Bilder mit dem Herzog Ulrich und Sturmfeder hatte er als ledig schon angeschafft. Liesbeth willigte durchaus in keine Neuerung, und als Georg dennoch sich wenigstens einen Lehnstuhl anschaffte, stellte sie den beharrlich in die fernste Ecke der Schlafkammer, und er mußte ihn jedesmal selbst herbeischleppen, wenn er sich drauf setzen wollte. Georg konnte tüchtig schaffen, wenn's ihn ankam, aber des Schulzen Sohn hatte gearbeitet, was er wollte und wann er wollte, von dem Bauern aber erwartete sein Weib, die selbst bei keiner Arbeit zurückstand, daß er Alles und zu jeder Zeit arbeite. Liesbeth hatte den eigenthümlichen Erbhaß gegen Dienstboten, der sich je und je bei Frauen aller Stünde findet und das Unglück mancher Haushaltung ist. Nach ihrer Ansicht waren alle Dienstboten ein Diebsvolk, alle Taglöhner „faule Freßsäcke “, so sollte so viel wie möglich allein gearbeitet werden. Nach Georg's Geschmack war das nicht, bei ihm war morgen auch ein Tag, Liesbeth hatte aber ein unerreichtes Talent, ihm am Feierabend oder Nachts Alles aufzuzählen, was hätte geschehen sollen und nicht geschehen sei, und das ist eben keine wesentliche Beförderung der Gemüthsruhe. Dadurch, daß Liesbeth be- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0026"/> ganze Einrichtung, die Liesbeth zu jeder Zeit sauber erhalten hatte. Georg, des Schultheißen Sohn, dem der Herr Oberamtmann versprochen hatte, einmal bei ihm einzukehren, hätte gern eine hübschere, moderne Einrichtung gehabt: ein Kanapee, einen hartholzenen Tisch, gepolsterte Stühle; ein paar kolorierte Bilder mit dem Herzog Ulrich und Sturmfeder hatte er als ledig schon angeschafft. Liesbeth willigte durchaus in keine Neuerung, und als Georg dennoch sich wenigstens einen Lehnstuhl anschaffte, stellte sie den beharrlich in die fernste Ecke der Schlafkammer, und er mußte ihn jedesmal selbst herbeischleppen, wenn er sich drauf setzen wollte.</p><lb/> <p>Georg konnte tüchtig schaffen, wenn's ihn ankam, aber des Schulzen Sohn hatte gearbeitet, was er wollte und wann er wollte, von dem Bauern aber erwartete sein Weib, die selbst bei keiner Arbeit zurückstand, daß er Alles und zu jeder Zeit arbeite. Liesbeth hatte den eigenthümlichen Erbhaß gegen Dienstboten, der sich je und je bei Frauen aller Stünde findet und das Unglück mancher Haushaltung ist. Nach ihrer Ansicht waren alle Dienstboten ein Diebsvolk, alle Taglöhner „faule Freßsäcke “, so sollte so viel wie möglich allein gearbeitet werden. Nach Georg's Geschmack war das nicht, bei ihm war morgen auch ein Tag, Liesbeth hatte aber ein unerreichtes Talent, ihm am Feierabend oder Nachts Alles aufzuzählen, was hätte geschehen sollen und nicht geschehen sei, und das ist eben keine wesentliche Beförderung der Gemüthsruhe. Dadurch, daß Liesbeth be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
ganze Einrichtung, die Liesbeth zu jeder Zeit sauber erhalten hatte. Georg, des Schultheißen Sohn, dem der Herr Oberamtmann versprochen hatte, einmal bei ihm einzukehren, hätte gern eine hübschere, moderne Einrichtung gehabt: ein Kanapee, einen hartholzenen Tisch, gepolsterte Stühle; ein paar kolorierte Bilder mit dem Herzog Ulrich und Sturmfeder hatte er als ledig schon angeschafft. Liesbeth willigte durchaus in keine Neuerung, und als Georg dennoch sich wenigstens einen Lehnstuhl anschaffte, stellte sie den beharrlich in die fernste Ecke der Schlafkammer, und er mußte ihn jedesmal selbst herbeischleppen, wenn er sich drauf setzen wollte.
Georg konnte tüchtig schaffen, wenn's ihn ankam, aber des Schulzen Sohn hatte gearbeitet, was er wollte und wann er wollte, von dem Bauern aber erwartete sein Weib, die selbst bei keiner Arbeit zurückstand, daß er Alles und zu jeder Zeit arbeite. Liesbeth hatte den eigenthümlichen Erbhaß gegen Dienstboten, der sich je und je bei Frauen aller Stünde findet und das Unglück mancher Haushaltung ist. Nach ihrer Ansicht waren alle Dienstboten ein Diebsvolk, alle Taglöhner „faule Freßsäcke “, so sollte so viel wie möglich allein gearbeitet werden. Nach Georg's Geschmack war das nicht, bei ihm war morgen auch ein Tag, Liesbeth hatte aber ein unerreichtes Talent, ihm am Feierabend oder Nachts Alles aufzuzählen, was hätte geschehen sollen und nicht geschehen sei, und das ist eben keine wesentliche Beförderung der Gemüthsruhe. Dadurch, daß Liesbeth be-
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Zitationshilfe: | Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/26>, abgerufen am 16.02.2025. |