Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Louis erröthete in peinlicher Verlegenheit. Ich dachte, Sie wären kein Freund der Galanterie, sagte lächelnd der Graf. Ich bitte dich, laß ihn geben, unterbrach ihn Leonie; du nöthigst ihm sonst noch das zweite ab, und das erste fiel ihm schwer genug. Sie nahm den Arm ihres Mannes, und mit dem Fächer auf Otto weisend, fuhr sie fort: Herr Marquis, der blonde Jüngling, der Ihnen scheinbar so bescheiden gegenübersteht, hat die von ihm gar nicht hinreichend gewürdigte Ehre, mein Bruder zu sein, Otto Graf Thorstein, künftiger Majoratsherr, den ich Ihrem Wohlwollen empfehle. -- Otto, der Herr Marquis von Chanteloup, mein Landsmann, mit dem ich schon oft von dir sprach. Sie ließ die jungen Männer bei einander und entfernte sich rasch, denn das Gedröhn auffahrender Wagen scholl mächtig von der Straße herauf, und bald war Alles rund umher Leben und Bewegung, in deren glänzendem Gewoge sich der Einzelne verlor. Sprachlos blickte ihr Louis nach. Ihre scherzende Erwähnung einiger zwecklosen Worte hatte ihn tief verletzt. Sie ist falsch, durchzuckte es ihn zum ersten Male wie ein Blitz. Er beachtete die Vorstellung weiter nicht, und hatte sich halb von Otto weggewandt; da schob dieser, der, selbst schüchtern, fremde Schüchternheit instinctiv verstand, den Arm zutraulich unter den des Marquis und zog ihn mit sich in eine Fenstervertiefung fort. Sie werden heute wahrscheinlich das schönste Mädchen der Stadt hier sehen, es ist eine Freundin meiner Schwester, ein Fräulein von Lohenstein. Der Mann ist glücklich, der sie als Frau heimführen wird, sagte Otto, der schon vor seiner Reise eine stille, schüchterne Verehrung für Mariens blühende Schönheit genährt. Der Marquis antwortete nur mit einer Bewegung des Kopfes. Louis erröthete in peinlicher Verlegenheit. Ich dachte, Sie wären kein Freund der Galanterie, sagte lächelnd der Graf. Ich bitte dich, laß ihn geben, unterbrach ihn Leonie; du nöthigst ihm sonst noch das zweite ab, und das erste fiel ihm schwer genug. Sie nahm den Arm ihres Mannes, und mit dem Fächer auf Otto weisend, fuhr sie fort: Herr Marquis, der blonde Jüngling, der Ihnen scheinbar so bescheiden gegenübersteht, hat die von ihm gar nicht hinreichend gewürdigte Ehre, mein Bruder zu sein, Otto Graf Thorstein, künftiger Majoratsherr, den ich Ihrem Wohlwollen empfehle. — Otto, der Herr Marquis von Chanteloup, mein Landsmann, mit dem ich schon oft von dir sprach. Sie ließ die jungen Männer bei einander und entfernte sich rasch, denn das Gedröhn auffahrender Wagen scholl mächtig von der Straße herauf, und bald war Alles rund umher Leben und Bewegung, in deren glänzendem Gewoge sich der Einzelne verlor. Sprachlos blickte ihr Louis nach. Ihre scherzende Erwähnung einiger zwecklosen Worte hatte ihn tief verletzt. Sie ist falsch, durchzuckte es ihn zum ersten Male wie ein Blitz. Er beachtete die Vorstellung weiter nicht, und hatte sich halb von Otto weggewandt; da schob dieser, der, selbst schüchtern, fremde Schüchternheit instinctiv verstand, den Arm zutraulich unter den des Marquis und zog ihn mit sich in eine Fenstervertiefung fort. Sie werden heute wahrscheinlich das schönste Mädchen der Stadt hier sehen, es ist eine Freundin meiner Schwester, ein Fräulein von Lohenstein. Der Mann ist glücklich, der sie als Frau heimführen wird, sagte Otto, der schon vor seiner Reise eine stille, schüchterne Verehrung für Mariens blühende Schönheit genährt. Der Marquis antwortete nur mit einer Bewegung des Kopfes. <TEI> <text> <body> <div n="3"> <pb facs="#f0118"/> <p>Louis erröthete in peinlicher Verlegenheit.</p><lb/> <p>Ich dachte, Sie wären kein Freund der Galanterie, sagte lächelnd der Graf.</p><lb/> <p>Ich bitte dich, laß ihn geben, unterbrach ihn Leonie; du nöthigst ihm sonst noch das zweite ab, und das erste fiel ihm schwer genug.</p><lb/> <p>Sie nahm den Arm ihres Mannes, und mit dem Fächer auf Otto weisend, fuhr sie fort: Herr Marquis, der blonde Jüngling, der Ihnen scheinbar so bescheiden gegenübersteht, hat die von ihm gar nicht hinreichend gewürdigte Ehre, mein Bruder zu sein, Otto Graf Thorstein, künftiger Majoratsherr, den ich Ihrem Wohlwollen empfehle. — Otto, der Herr Marquis von Chanteloup, mein Landsmann, mit dem ich schon oft von dir sprach.</p><lb/> <p>Sie ließ die jungen Männer bei einander und entfernte sich rasch, denn das Gedröhn auffahrender Wagen scholl mächtig von der Straße herauf, und bald war Alles rund umher Leben und Bewegung, in deren glänzendem Gewoge sich der Einzelne verlor.</p><lb/> <p>Sprachlos blickte ihr Louis nach. 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Louis erröthete in peinlicher Verlegenheit.
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Ich bitte dich, laß ihn geben, unterbrach ihn Leonie; du nöthigst ihm sonst noch das zweite ab, und das erste fiel ihm schwer genug.
Sie nahm den Arm ihres Mannes, und mit dem Fächer auf Otto weisend, fuhr sie fort: Herr Marquis, der blonde Jüngling, der Ihnen scheinbar so bescheiden gegenübersteht, hat die von ihm gar nicht hinreichend gewürdigte Ehre, mein Bruder zu sein, Otto Graf Thorstein, künftiger Majoratsherr, den ich Ihrem Wohlwollen empfehle. — Otto, der Herr Marquis von Chanteloup, mein Landsmann, mit dem ich schon oft von dir sprach.
Sie ließ die jungen Männer bei einander und entfernte sich rasch, denn das Gedröhn auffahrender Wagen scholl mächtig von der Straße herauf, und bald war Alles rund umher Leben und Bewegung, in deren glänzendem Gewoge sich der Einzelne verlor.
Sprachlos blickte ihr Louis nach. Ihre scherzende Erwähnung einiger zwecklosen Worte hatte ihn tief verletzt. Sie ist falsch, durchzuckte es ihn zum ersten Male wie ein Blitz. Er beachtete die Vorstellung weiter nicht, und hatte sich halb von Otto weggewandt; da schob dieser, der, selbst schüchtern, fremde Schüchternheit instinctiv verstand, den Arm zutraulich unter den des Marquis und zog ihn mit sich in eine Fenstervertiefung fort.
Sie werden heute wahrscheinlich das schönste Mädchen der Stadt hier sehen, es ist eine Freundin meiner Schwester, ein Fräulein von Lohenstein. Der Mann ist glücklich, der sie als Frau heimführen wird, sagte Otto, der schon vor seiner Reise eine stille, schüchterne Verehrung für Mariens blühende Schönheit genährt.
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Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/118>, abgerufen am 18.07.2024. |