Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

müsse er sich rüsten, seine Rolle als Liesbeth's Beschützer durchzuführen. Er zog den Hut ein wenig tiefer in die Stirn herein und legte die Beine, lang ausgestreckt, über einander. Dann hörte er, wie Liesbeth's Athem rascher und schwerer ging. Es ward ihm sehr zärtlich und heroisch zu Muth; er legte sanft einen Arm auf ihre Schulter, wie um sie seiner Nähe zu versichern. Sie zuckte etwas zusammen, ließ es aber ruhig geschehn.

Liesbeth! Liesbeth! sagte er nach einer Weile und drückte sie in seiner Aufregung leise an sich heran. Sie schien es nicht zu bemerken, denn mit gespanntem Blick starrte sie in die Dunkelheit hinein, und auf einmal hörte er, wie ihre Zähne heftig zusammenschlugen. Auf der unbeleuchteten Uferstraße schritt eine Gestalt daher, die Julius nicht erkannte; er sah nur den breiten Umriß und vernahm den festen, schallenden Schritt. In der Nähe der Beiden blieb die Gestalt einen Augenblick stehen, als suche sie etwas; dann ging sie eben so festen Schrittes vorüber. Liesbeth hatte fast das ganze Gesicht in ihr Tuch gehüllt. Nach einer Weile murmelte sie dumpf vor sich hin: Das ist mein Mann! -- Julius hörte, daß sie etwas sagte, die Worte verstand er nicht. Er sah ihr fragend in die Augen, doch sie war wieder still. Ihr Gesicht war blaß gewogen, und eine fast wilde Aufregung flog darüber hin.

Der Beginn der Musik, die sich in der Ferne auf dem Wasserspiegel in einem der Kähne erhob, zog seine Augen wieder den Strom hinab. Mit phantastischer Schnelligkeit tauchten überall Schiffchen mit bunten Lampen, mit hin und her schwankenden Fackeln auf, die in die dunkle Flut feurig hinuntertrieften. Die kleinen Fahrzeuge, mit halb beleuchteten Menschen angefüllt, schienen in lustiger Unordnung durcheinander zu fahren. Lachen, Rufen, Schreien tönte bis hier herauf; dazwischen die ernsthaft gleichmäßige Musik der Trompeten. Liesbeth that, als höre sie dem Allem so andächtig wie ihr Begleiter zu; sie ließ ein Lachen vernehmen, das

müsse er sich rüsten, seine Rolle als Liesbeth's Beschützer durchzuführen. Er zog den Hut ein wenig tiefer in die Stirn herein und legte die Beine, lang ausgestreckt, über einander. Dann hörte er, wie Liesbeth's Athem rascher und schwerer ging. Es ward ihm sehr zärtlich und heroisch zu Muth; er legte sanft einen Arm auf ihre Schulter, wie um sie seiner Nähe zu versichern. Sie zuckte etwas zusammen, ließ es aber ruhig geschehn.

Liesbeth! Liesbeth! sagte er nach einer Weile und drückte sie in seiner Aufregung leise an sich heran. Sie schien es nicht zu bemerken, denn mit gespanntem Blick starrte sie in die Dunkelheit hinein, und auf einmal hörte er, wie ihre Zähne heftig zusammenschlugen. Auf der unbeleuchteten Uferstraße schritt eine Gestalt daher, die Julius nicht erkannte; er sah nur den breiten Umriß und vernahm den festen, schallenden Schritt. In der Nähe der Beiden blieb die Gestalt einen Augenblick stehen, als suche sie etwas; dann ging sie eben so festen Schrittes vorüber. Liesbeth hatte fast das ganze Gesicht in ihr Tuch gehüllt. Nach einer Weile murmelte sie dumpf vor sich hin: Das ist mein Mann! — Julius hörte, daß sie etwas sagte, die Worte verstand er nicht. Er sah ihr fragend in die Augen, doch sie war wieder still. Ihr Gesicht war blaß gewogen, und eine fast wilde Aufregung flog darüber hin.

Der Beginn der Musik, die sich in der Ferne auf dem Wasserspiegel in einem der Kähne erhob, zog seine Augen wieder den Strom hinab. Mit phantastischer Schnelligkeit tauchten überall Schiffchen mit bunten Lampen, mit hin und her schwankenden Fackeln auf, die in die dunkle Flut feurig hinuntertrieften. Die kleinen Fahrzeuge, mit halb beleuchteten Menschen angefüllt, schienen in lustiger Unordnung durcheinander zu fahren. Lachen, Rufen, Schreien tönte bis hier herauf; dazwischen die ernsthaft gleichmäßige Musik der Trompeten. Liesbeth that, als höre sie dem Allem so andächtig wie ihr Begleiter zu; sie ließ ein Lachen vernehmen, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0031"/>
müsse er sich rüsten,                seine Rolle als Liesbeth's Beschützer durchzuführen. Er zog den Hut ein wenig tiefer                in die Stirn herein und legte die Beine, lang ausgestreckt, über einander. Dann hörte                er, wie Liesbeth's Athem rascher und schwerer ging. Es ward ihm sehr zärtlich und                heroisch zu Muth; er legte sanft einen Arm auf ihre Schulter, wie um sie seiner Nähe                zu versichern. Sie zuckte etwas zusammen, ließ es aber ruhig geschehn.</p><lb/>
        <p>Liesbeth! Liesbeth! sagte er nach einer Weile und drückte sie in seiner Aufregung                leise an sich heran. Sie schien es nicht zu bemerken, denn mit gespanntem Blick                starrte sie in die Dunkelheit hinein, und auf einmal hörte er, wie ihre Zähne heftig                zusammenschlugen. Auf der unbeleuchteten Uferstraße schritt eine Gestalt daher, die                Julius nicht erkannte; er sah nur den breiten Umriß und vernahm den festen,                schallenden Schritt. In der Nähe der Beiden blieb die Gestalt einen Augenblick                stehen, als suche sie etwas; dann ging sie eben so festen Schrittes vorüber. Liesbeth                hatte fast das ganze Gesicht in ihr Tuch gehüllt. Nach einer Weile murmelte sie dumpf                vor sich hin: Das ist mein Mann! &#x2014; Julius hörte, daß sie etwas sagte, die Worte                verstand er nicht. Er sah ihr fragend in die Augen, doch sie war wieder still. Ihr                Gesicht war blaß gewogen, und eine fast wilde Aufregung flog darüber hin.</p><lb/>
        <p>Der Beginn der Musik, die sich in der Ferne auf dem Wasserspiegel in einem der Kähne                erhob, zog seine Augen wieder den Strom hinab. Mit phantastischer Schnelligkeit                tauchten überall Schiffchen mit bunten Lampen, mit hin und her schwankenden Fackeln                auf, die in die dunkle Flut feurig hinuntertrieften. Die kleinen Fahrzeuge, mit halb                beleuchteten Menschen angefüllt, schienen in lustiger Unordnung durcheinander zu                fahren. Lachen, Rufen, Schreien tönte bis hier herauf; dazwischen die ernsthaft                gleichmäßige Musik der Trompeten. Liesbeth that, als höre sie dem Allem so andächtig                wie ihr Begleiter zu; sie ließ ein Lachen vernehmen, das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] müsse er sich rüsten, seine Rolle als Liesbeth's Beschützer durchzuführen. Er zog den Hut ein wenig tiefer in die Stirn herein und legte die Beine, lang ausgestreckt, über einander. Dann hörte er, wie Liesbeth's Athem rascher und schwerer ging. Es ward ihm sehr zärtlich und heroisch zu Muth; er legte sanft einen Arm auf ihre Schulter, wie um sie seiner Nähe zu versichern. Sie zuckte etwas zusammen, ließ es aber ruhig geschehn. Liesbeth! Liesbeth! sagte er nach einer Weile und drückte sie in seiner Aufregung leise an sich heran. Sie schien es nicht zu bemerken, denn mit gespanntem Blick starrte sie in die Dunkelheit hinein, und auf einmal hörte er, wie ihre Zähne heftig zusammenschlugen. Auf der unbeleuchteten Uferstraße schritt eine Gestalt daher, die Julius nicht erkannte; er sah nur den breiten Umriß und vernahm den festen, schallenden Schritt. In der Nähe der Beiden blieb die Gestalt einen Augenblick stehen, als suche sie etwas; dann ging sie eben so festen Schrittes vorüber. Liesbeth hatte fast das ganze Gesicht in ihr Tuch gehüllt. Nach einer Weile murmelte sie dumpf vor sich hin: Das ist mein Mann! — Julius hörte, daß sie etwas sagte, die Worte verstand er nicht. Er sah ihr fragend in die Augen, doch sie war wieder still. Ihr Gesicht war blaß gewogen, und eine fast wilde Aufregung flog darüber hin. Der Beginn der Musik, die sich in der Ferne auf dem Wasserspiegel in einem der Kähne erhob, zog seine Augen wieder den Strom hinab. Mit phantastischer Schnelligkeit tauchten überall Schiffchen mit bunten Lampen, mit hin und her schwankenden Fackeln auf, die in die dunkle Flut feurig hinuntertrieften. Die kleinen Fahrzeuge, mit halb beleuchteten Menschen angefüllt, schienen in lustiger Unordnung durcheinander zu fahren. Lachen, Rufen, Schreien tönte bis hier herauf; dazwischen die ernsthaft gleichmäßige Musik der Trompeten. Liesbeth that, als höre sie dem Allem so andächtig wie ihr Begleiter zu; sie ließ ein Lachen vernehmen, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/31
Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/31>, abgerufen am 22.11.2024.