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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Das leben des Euripides.
sich nicht sagen, und der schluss des genos, dass die ehre einen per-
sönlichen besuch Magnesias voraussetzte, zeigt nur, dass wir epigraphische
documente richtiger zu verwerten gelernt haben 17). allein eine inhalt-
lose ehre ist die proxenie damals noch nicht, sondern sie schliesst, wenn
man auch zugeben mag, dass die Magneten nur den dichter ehren
wollten, verpflichtungen ein, die praktisch wenigstens werden konnten.
dass die späteren sich Euripides durchaus nur als einen menschenscheuen
und menschenfeindlichen griesgram denken konnten, liegt im wesent-
lichen daran, dass sie die charakteristik des tragikers Alexandros von
Pleuron als massgebend ansahen
o d Anaxagorou trophimos khaiou struphnos men emoige proseipein
kai misogelos kai tothazein oude par oino memathekos.
all o ti grapsai tout an melitos kai Seirenon eteteukhei 18)

17) Mit dieser proxenie den zufall zu combiniren, dass Euripides (Oineus 571) für
uns zuerst die Magnetis lithos erwähnt, wird man sich um so mehr hüten, als keines-
wegs fest steht, dass das bezeichnete metall in Magnesia wirklich vorkam, mag es
nun das magneteisen sein, wie der durch die ganze citatengelehrsamkeit sich compromit-
tirende verfasser des Ion meint, oder das katzensilber, das der gewährsmann Diogenians
(schol. Pl. Ion. Phot. Hesych) und Buttmann verstehen, dessen aufsatz (Mus. f. Alt. wiss. II)
die modernen teils nicht kennen, teils nicht würdigen: er hat Soph. fgm. 728 erkannt.
die verdorbenen Euripidesverse lauten tas broton gnomas skopon oste Magnetis
lithos ten doxan elkei kai methistesin palin. damit kann erstens nicht der magnet
gemeint sein, denn derselbe magnet stösst dasselbe stück eisen, das er angezogen
hat, nicht wieder ab. auch würde dann notwendig statt doxan sideron stehen
müssen. wie vollends epispon elkei kai methistesin palin (so conjiciren sie) ge-
sagt und, wenn gesagt, mit gnomas und doxan verbunden werden sollte, ist gar
nicht auszudenken. irgend etwas zieht wie das katzensilber die meinung an und
'bringt sie wieder in andere lage' (wie methistasthai phrenon), wenn der trug durch-
schaut ist. wir fragen, was ist das, und worauf bezieht sich die meinung. das letztere
steckt in den verdorbenen worten. sie bezieht sich auf die gnomai broton, den cha-
rakter des menschen, und man verbessert leicht skopountos. also die dem Euripides so
geläufige klage, dass die kriterien für den charakter so unsicher sind. nehmen wir z. b.
die eugeneia: zunächst beurteilen wir den eugenes darauf hin als agathos, aber rasch
erkennen wir, dass der adel katzensilber ist. am nächsten aber liegt wirkliches
silber, der reichtum: denn dann ist die vergleichung am schlagendsten.
18) Den verfassernamen hat Gellius und der Aristophanesscholiast zu Frö. 839
erhalten, wonach auch die krauthökerin Kleito bei ihm vorkam. im genos ist durch
leichtes versehen Aristophanes für den verschollenen dichternamen gesetzt, und es
ist dort auch s. 5, 21 Schw. ein apophthegma aus den versen gemacht. es ist selt-
sam, dass man die verse dem komiker hat geben wollen, obwol man dann das nicht
attische teteukha und das dorische khaios ändern muss. übrigens zeigt das citat
aus einem bald vergessenen alexandrinischen dichter, dass der grundstock des genos,
wie ja a priori anzunehmen war, von einem der alexandrinischen compilatoren der
zeit 230--130 herrührt.

Das leben des Euripides.
sich nicht sagen, und der schluſs des γένος, daſs die ehre einen per-
sönlichen besuch Magnesias voraussetzte, zeigt nur, daſs wir epigraphische
documente richtiger zu verwerten gelernt haben 17). allein eine inhalt-
lose ehre ist die proxenie damals noch nicht, sondern sie schlieſst, wenn
man auch zugeben mag, daſs die Magneten nur den dichter ehren
wollten, verpflichtungen ein, die praktisch wenigstens werden konnten.
daſs die späteren sich Euripides durchaus nur als einen menschenscheuen
und menschenfeindlichen griesgram denken konnten, liegt im wesent-
lichen daran, daſs sie die charakteristik des tragikers Alexandros von
Pleuron als maſsgebend ansahen
ὁ δ̕ Ἀναξαγόρου τρόφιμος χαιοῦ στρυφνὸς μὲν ἔμοιγε προσειπεῖν
καὶ μισόγελως καὶ τωϑάζειν οὐδὲ παρ̕ οἴνῳ μεμαϑηκώς.
ἀλλ̕ ὅ τι γράψαι τοῡτ̕ ἂν μέλιτος καὶ Σειρήνων ἐτετεύχει 18)

17) Mit dieser proxenie den zufall zu combiniren, daſs Euripides (Oineus 571) für
uns zuerst die Μαγνῆτις λίϑος erwähnt, wird man sich um so mehr hüten, als keines-
wegs fest steht, daſs das bezeichnete metall in Magnesia wirklich vorkam, mag es
nun das magneteisen sein, wie der durch die ganze citatengelehrsamkeit sich compromit-
tirende verfasser des Ion meint, oder das katzensilber, das der gewährsmann Diogenians
(schol. Pl. Ion. Phot. Hesych) und Buttmann verstehen, dessen aufsatz (Mus. f. Alt. wiss. II)
die modernen teils nicht kennen, teils nicht würdigen: er hat Soph. fgm. 728 erkannt.
die verdorbenen Euripidesverse lauten τὰς βροτῶν γνώμας σκοπῶν ὥστε Μαγνῆτις
λίϑος τὴν δόξαν ἕλκει καὶ μεϑίστησιν πάλιν. damit kann erstens nicht der magnet
gemeint sein, denn derselbe magnet stöſst dasselbe stück eisen, das er angezogen
hat, nicht wieder ab. auch würde dann notwendig statt δόξαν σίδηρον stehen
müssen. wie vollends ἐπισπῶν ἕλκει καὶ μεϑίστησιν πάλιν (so conjiciren sie) ge-
sagt und, wenn gesagt, mit γνώμας und δόξαν verbunden werden sollte, ist gar
nicht auszudenken. irgend etwas zieht wie das katzensilber die meinung an und
‘bringt sie wieder in andere lage’ (wie μεϑίστασϑαι φρενῶν), wenn der trug durch-
schaut ist. wir fragen, was ist das, und worauf bezieht sich die meinung. das letztere
steckt in den verdorbenen worten. sie bezieht sich auf die γνῶμαι βροτῶν, den cha-
rakter des menschen, und man verbessert leicht σκοποῦντος. also die dem Euripides so
geläufige klage, daſs die kriterien für den charakter so unsicher sind. nehmen wir z. b.
die εὐγένεια: zunächst beurteilen wir den εὐγενής darauf hin als ἀγαϑός, aber rasch
erkennen wir, daſs der adel katzensilber ist. am nächsten aber liegt wirkliches
silber, der reichtum: denn dann ist die vergleichung am schlagendsten.
18) Den verfassernamen hat Gellius und der Aristophanesscholiast zu Frö. 839
erhalten, wonach auch die krauthökerin Kleito bei ihm vorkam. im γένος ist durch
leichtes versehen Aristophanes für den verschollenen dichternamen gesetzt, und es
ist dort auch s. 5, 21 Schw. ein apophthegma aus den versen gemacht. es ist selt-
sam, daſs man die verse dem komiker hat geben wollen, obwol man dann das nicht
attische τέτευχα und das dorische χαιός ändern muſs. übrigens zeigt das citat
aus einem bald vergessenen alexandrinischen dichter, daſs der grundstock des γένος,
wie ja a priori anzunehmen war, von einem der alexandrinischen compilatoren der
zeit 230—130 herrührt.
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[12/0032] Das leben des Euripides. sich nicht sagen, und der schluſs des γένος, daſs die ehre einen per- sönlichen besuch Magnesias voraussetzte, zeigt nur, daſs wir epigraphische documente richtiger zu verwerten gelernt haben 17). allein eine inhalt- lose ehre ist die proxenie damals noch nicht, sondern sie schlieſst, wenn man auch zugeben mag, daſs die Magneten nur den dichter ehren wollten, verpflichtungen ein, die praktisch wenigstens werden konnten. daſs die späteren sich Euripides durchaus nur als einen menschenscheuen und menschenfeindlichen griesgram denken konnten, liegt im wesent- lichen daran, daſs sie die charakteristik des tragikers Alexandros von Pleuron als maſsgebend ansahen ὁ δ̕ Ἀναξαγόρου τρόφιμος χαιοῦ στρυφνὸς μὲν ἔμοιγε προσειπεῖν καὶ μισόγελως καὶ τωϑάζειν οὐδὲ παρ̕ οἴνῳ μεμαϑηκώς. ἀλλ̕ ὅ τι γράψαι τοῡτ̕ ἂν μέλιτος καὶ Σειρήνων ἐτετεύχει 18) 17) Mit dieser proxenie den zufall zu combiniren, daſs Euripides (Oineus 571) für uns zuerst die Μαγνῆτις λίϑος erwähnt, wird man sich um so mehr hüten, als keines- wegs fest steht, daſs das bezeichnete metall in Magnesia wirklich vorkam, mag es nun das magneteisen sein, wie der durch die ganze citatengelehrsamkeit sich compromit- tirende verfasser des Ion meint, oder das katzensilber, das der gewährsmann Diogenians (schol. Pl. Ion. Phot. Hesych) und Buttmann verstehen, dessen aufsatz (Mus. f. Alt. wiss. II) die modernen teils nicht kennen, teils nicht würdigen: er hat Soph. fgm. 728 erkannt. die verdorbenen Euripidesverse lauten τὰς βροτῶν γνώμας σκοπῶν ὥστε Μαγνῆτις λίϑος τὴν δόξαν ἕλκει καὶ μεϑίστησιν πάλιν. damit kann erstens nicht der magnet gemeint sein, denn derselbe magnet stöſst dasselbe stück eisen, das er angezogen hat, nicht wieder ab. auch würde dann notwendig statt δόξαν σίδηρον stehen müssen. wie vollends ἐπισπῶν ἕλκει καὶ μεϑίστησιν πάλιν (so conjiciren sie) ge- sagt und, wenn gesagt, mit γνώμας und δόξαν verbunden werden sollte, ist gar nicht auszudenken. irgend etwas zieht wie das katzensilber die meinung an und ‘bringt sie wieder in andere lage’ (wie μεϑίστασϑαι φρενῶν), wenn der trug durch- schaut ist. wir fragen, was ist das, und worauf bezieht sich die meinung. das letztere steckt in den verdorbenen worten. sie bezieht sich auf die γνῶμαι βροτῶν, den cha- rakter des menschen, und man verbessert leicht σκοποῦντος. also die dem Euripides so geläufige klage, daſs die kriterien für den charakter so unsicher sind. nehmen wir z. b. die εὐγένεια: zunächst beurteilen wir den εὐγενής darauf hin als ἀγαϑός, aber rasch erkennen wir, daſs der adel katzensilber ist. am nächsten aber liegt wirkliches silber, der reichtum: denn dann ist die vergleichung am schlagendsten. 18) Den verfassernamen hat Gellius und der Aristophanesscholiast zu Frö. 839 erhalten, wonach auch die krauthökerin Kleito bei ihm vorkam. im γένος ist durch leichtes versehen Aristophanes für den verschollenen dichternamen gesetzt, und es ist dort auch s. 5, 21 Schw. ein apophthegma aus den versen gemacht. es ist selt- sam, daſs man die verse dem komiker hat geben wollen, obwol man dann das nicht attische τέτευχα und das dorische χαιός ändern muſs. übrigens zeigt das citat aus einem bald vergessenen alexandrinischen dichter, daſs der grundstock des γένος, wie ja a priori anzunehmen war, von einem der alexandrinischen compilatoren der zeit 230—130 herrührt.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/32>, abgerufen am 18.04.2024.