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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Der Herakles der sage.
argolische Heraklee (der dodekathlos) ihren zorn nur zur motivirung der
dienstbarkeit des Herakles benutzt hat.

Die dienst-
barkeit.

Diese konnte nicht aufgegeben werden, obwol sie eine neubildung
von lediglich geschichtlicher bedeutung war. denn sie legitimirte die
dorische herrschaft. es war unvermeidlich, dass Herakles auf alle länder
alte rechtsansprüche haben musste, die seine nachkommen besetzten. so
ward er denn hier an die alten eingebornen heroengeschlechter ange-
gliedert, wie nicht anders möglich, durch seine mutter, so dass er ein
nachkomme des Perseus, und Tiryns seine heimat ward. da er gleichwol
nicht zu einem alten landesherrn werden konnte, seine nachkommen auch
Argos den Persiden erst mühsam abgenommen hatten, so ergab sich, dass
ihm sein erbe wider das recht vorweggenommen war, und das eben
hatte Hera verschuldet, so dass er während des lebens dem schlechteren
manne dienen musste. die rhodische überlieferung, die wir in der Ilias
lesen, hat das schon mit lebhaften farben durchgeführt 50). und der
jämmerliche feigling Eurystheus, Sthenelos sohn 51), sammt seinem herolde
'Dreckle' (Kopreus), sind zu ausdrucksvollen burlesken figuren geworden,
an denen sich der Dorerhochmut gütlich tat, der auf seine periöken
schnöde herabsah. trotzdem blieb Admata, Eurystheus tochter, als Hera-
priesterin immer eine würdige figur 52).

50) T 99 nennt als geburtsort Theben. aber das kann man nicht umhin für
eingeschwärzt aus der späteren sage zu halten. es ist gar nicht zu verstehen, wie
Eurystheus über das kind eine macht haben soll, welches in der fernen stadt geboren
wird, und ausdrücklich handelt es sich um die herrschaft über die Argeioi (123),
zu denen Theben nicht gehört. sonst illustrirt die sage auf das trefflichste die ver-
fassung zur zeit der geschlechterherrschaft: der arkhon tou genous, hier ton Diogenon,
übt eine sehr reale macht. der rhodische einfluss hat in einem punkte sich immer
behauptet: Alkmene ist Elektryons tochter geblieben, und so ist sie doch nur genannt
worden, weil sie in Rhodos mit Alektrona, der auf dieser wie auf vielen inseln
verehrten vorhellenischen göttin, ausgeglichen war. vgl. Hermes XIV.
51) Sthenelos ist in dieser reihe ein füllname. und doch ist er der eines der
vornehmsten helden für die aus der Argolis nach Asien ausgewanderten Hellenen:
dort ist er sohn des Kapaneus und epigone.
52) Nicht nur in Argos, wofür namentlich die farnesische tafel zeugt, sondern
auch in Samos hat man sie als trägerin des Heradienstes verehrt (Menodotos v. Samos
bei Athen. XV 672). es ist für die religionsgeschichte sehr wichtig, die an sich ein-
leuchtende tatsache also bezeugt zu erhalten, dass Samos den Heradienst aus Argos
erhalten hat. in der tat ist Hera Argeie und ursprünglich nur Argeie: nur bedeutet
Argos natürlich auch in der ableitung den Peloponnes. den lason beschützt sie als
Korintherin. ob auf Euboia der name alt ist, ist fraglich. übrigens sollte doch
feststehen, dass die grundform [e]erWa (nicht [ - 1 Zeichen fehlt]erWa) ist; und da liegt der stamm vor,

Der Herakles der sage.
argolische Heraklee (der dodekathlos) ihren zorn nur zur motivirung der
dienstbarkeit des Herakles benutzt hat.

Die dienst-
barkeit.

Diese konnte nicht aufgegeben werden, obwol sie eine neubildung
von lediglich geschichtlicher bedeutung war. denn sie legitimirte die
dorische herrschaft. es war unvermeidlich, daſs Herakles auf alle länder
alte rechtsansprüche haben muſste, die seine nachkommen besetzten. so
ward er denn hier an die alten eingebornen heroengeschlechter ange-
gliedert, wie nicht anders möglich, durch seine mutter, so daſs er ein
nachkomme des Perseus, und Tiryns seine heimat ward. da er gleichwol
nicht zu einem alten landesherrn werden konnte, seine nachkommen auch
Argos den Persiden erst mühsam abgenommen hatten, so ergab sich, daſs
ihm sein erbe wider das recht vorweggenommen war, und das eben
hatte Hera verschuldet, so daſs er während des lebens dem schlechteren
manne dienen muſste. die rhodische überlieferung, die wir in der Ilias
lesen, hat das schon mit lebhaften farben durchgeführt 50). und der
jämmerliche feigling Eurystheus, Sthenelos sohn 51), sammt seinem herolde
‘Dreckle’ (Κοπρεύς), sind zu ausdrucksvollen burlesken figuren geworden,
an denen sich der Dorerhochmut gütlich tat, der auf seine periöken
schnöde herabsah. trotzdem blieb Admata, Eurystheus tochter, als Hera-
priesterin immer eine würdige figur 52).

50) T 99 nennt als geburtsort Theben. aber das kann man nicht umhin für
eingeschwärzt aus der späteren sage zu halten. es ist gar nicht zu verstehen, wie
Eurystheus über das kind eine macht haben soll, welches in der fernen stadt geboren
wird, und ausdrücklich handelt es sich um die herrschaft über die Ἀργέιοι (123),
zu denen Theben nicht gehört. sonst illustrirt die sage auf das trefflichste die ver-
fassung zur zeit der geschlechterherrschaft: der ἄρχων τοῦ γένους, hier τῶν Διογενῶν,
übt eine sehr reale macht. der rhodische einfluſs hat in einem punkte sich immer
behauptet: Alkmene ist Elektryons tochter geblieben, und so ist sie doch nur genannt
worden, weil sie in Rhodos mit Ἀλεκτρώνα, der auf dieser wie auf vielen inseln
verehrten vorhellenischen göttin, ausgeglichen war. vgl. Hermes XIV.
51) Sthenelos ist in dieser reihe ein füllname. und doch ist er der eines der
vornehmsten helden für die aus der Argolis nach Asien ausgewanderten Hellenen:
dort ist er sohn des Kapaneus und epigone.
52) Nicht nur in Argos, wofür namentlich die farnesische tafel zeugt, sondern
auch in Samos hat man sie als trägerin des Heradienstes verehrt (Menodotos v. Samos
bei Athen. XV 672). es ist für die religionsgeschichte sehr wichtig, die an sich ein-
leuchtende tatsache also bezeugt zu erhalten, daſs Samos den Heradienst aus Argos
erhalten hat. in der tat ist Hera Ἀργεΐη und ursprünglich nur Ἀργεΐη: nur bedeutet
Ἄργος natürlich auch in der ableitung den Peloponnes. den lason beschützt sie als
Korintherin. ob auf Euboia der name alt ist, ist fraglich. übrigens sollte doch
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[296/0316] Der Herakles der sage. argolische Heraklee (der dodekathlos) ihren zorn nur zur motivirung der dienstbarkeit des Herakles benutzt hat. Diese konnte nicht aufgegeben werden, obwol sie eine neubildung von lediglich geschichtlicher bedeutung war. denn sie legitimirte die dorische herrschaft. es war unvermeidlich, daſs Herakles auf alle länder alte rechtsansprüche haben muſste, die seine nachkommen besetzten. so ward er denn hier an die alten eingebornen heroengeschlechter ange- gliedert, wie nicht anders möglich, durch seine mutter, so daſs er ein nachkomme des Perseus, und Tiryns seine heimat ward. da er gleichwol nicht zu einem alten landesherrn werden konnte, seine nachkommen auch Argos den Persiden erst mühsam abgenommen hatten, so ergab sich, daſs ihm sein erbe wider das recht vorweggenommen war, und das eben hatte Hera verschuldet, so daſs er während des lebens dem schlechteren manne dienen muſste. die rhodische überlieferung, die wir in der Ilias lesen, hat das schon mit lebhaften farben durchgeführt 50). und der jämmerliche feigling Eurystheus, Sthenelos sohn 51), sammt seinem herolde ‘Dreckle’ (Κοπρεύς), sind zu ausdrucksvollen burlesken figuren geworden, an denen sich der Dorerhochmut gütlich tat, der auf seine periöken schnöde herabsah. trotzdem blieb Admata, Eurystheus tochter, als Hera- priesterin immer eine würdige figur 52). 50) T 99 nennt als geburtsort Theben. aber das kann man nicht umhin für eingeschwärzt aus der späteren sage zu halten. es ist gar nicht zu verstehen, wie Eurystheus über das kind eine macht haben soll, welches in der fernen stadt geboren wird, und ausdrücklich handelt es sich um die herrschaft über die Ἀργέιοι (123), zu denen Theben nicht gehört. sonst illustrirt die sage auf das trefflichste die ver- fassung zur zeit der geschlechterherrschaft: der ἄρχων τοῦ γένους, hier τῶν Διογενῶν, übt eine sehr reale macht. der rhodische einfluſs hat in einem punkte sich immer behauptet: Alkmene ist Elektryons tochter geblieben, und so ist sie doch nur genannt worden, weil sie in Rhodos mit Ἀλεκτρώνα, der auf dieser wie auf vielen inseln verehrten vorhellenischen göttin, ausgeglichen war. vgl. Hermes XIV. 51) Sthenelos ist in dieser reihe ein füllname. und doch ist er der eines der vornehmsten helden für die aus der Argolis nach Asien ausgewanderten Hellenen: dort ist er sohn des Kapaneus und epigone. 52) Nicht nur in Argos, wofür namentlich die farnesische tafel zeugt, sondern auch in Samos hat man sie als trägerin des Heradienstes verehrt (Menodotos v. Samos bei Athen. XV 672). es ist für die religionsgeschichte sehr wichtig, die an sich ein- leuchtende tatsache also bezeugt zu erhalten, daſs Samos den Heradienst aus Argos erhalten hat. in der tat ist Hera Ἀργεΐη und ursprünglich nur Ἀργεΐη: nur bedeutet Ἄργος natürlich auch in der ableitung den Peloponnes. den lason beschützt sie als Korintherin. ob auf Euboia der name alt ist, ist fraglich. übrigens sollte doch feststehen, daſs die grundform ἡήρϜα (nicht _έρϜα) ist; und da liegt der stamm vor,

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/316>, abgerufen am 25.11.2024.