Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
II. 2. Von Kekrops bis Solon.

Die er-
werbung
von Eleusis.
Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis
mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig
war. und die erinnerung ist nicht vergessen, dass es schon polemarchen
gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest
wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer-
sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen,
die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis
zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht bloss die priestertümer in
Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h.
eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die
teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig
von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom
volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen
geschlechter vorsteht.6) die vermögensverwaltung der beiden göttinnen
ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, dass sie je für all-
gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat
ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension,
die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente
früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äusserst
wertvoll, weil sie beweisen, dass der anschluss von Eleusis statt-
gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das
königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon
so complicirte verträge schloss, dass die schrift nicht wol entbehrt werden

Agraulides korai öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der
burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen
erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie
der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd
erfunden; immerhin liegt das richtige darin, dass Athenas verbindung mit Hephaistos,
die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt-
gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere
Palladia und die arkhegetis ist sogar die Ephaistia. Athena ist nicht in Athen geboren
wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus
dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an-
spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt
weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes.
dass die alte burg dann auch nicht von anfang Athenai geheissen hat, folgt mit not-
wendigkeit.
6) Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so
sehr anerkannt, dass der exegetes ex Eumolpidon noch für Perikles autorität war;
der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung
nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist.
II. 2. Von Kekrops bis Solon.

Die er-
werbung
von Eleusis.
Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis
mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig
war. und die erinnerung ist nicht vergessen, daſs es schon polemarchen
gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest
wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer-
sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen,
die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis
zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht bloſs die priestertümer in
Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h.
eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die
teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig
von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom
volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen
geschlechter vorsteht.6) die vermögensverwaltung der beiden göttinnen
ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, daſs sie je für all-
gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat
ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension,
die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente
früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äuſserst
wertvoll, weil sie beweisen, daſs der anschluſs von Eleusis statt-
gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das
königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon
so complicirte verträge schloſs, daſs die schrift nicht wol entbehrt werden

Ἀγϱαυλίδες κόϱαι öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der
burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen
erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie
der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd
erfunden; immerhin liegt das richtige darin, daſs Athenas verbindung mit Hephaistos,
die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt-
gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere
Palladia und die ἀϱχηγέτις ist sogar die Ἡφαιστία. Athena ist nicht in Athen geboren
wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus
dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an-
spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt
weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes.
daſs die alte burg dann auch nicht von anfang Ἀϑῆναι geheiſsen hat, folgt mit not-
wendigkeit.
6) Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so
sehr anerkannt, daſs der ἐξηγητὴς ἐξ Εὐμολπιδῶν noch für Perikles autorität war;
der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung
nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0048" n="38"/>
          <fw place="top" type="header">II. 2. Von Kekrops bis Solon.</fw><lb/>
          <p><note place="left">Die er-<lb/>
werbung<lb/>
von Eleusis.</note>Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis<lb/>
mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig<lb/>
war. und die erinnerung ist nicht vergessen, da&#x017F;s es schon polemarchen<lb/>
gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest<lb/>
wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer-<lb/>
sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen,<lb/>
die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis<lb/>
zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht blo&#x017F;s die priestertümer in<lb/>
Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h.<lb/>
eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die<lb/>
teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig<lb/>
von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom<lb/>
volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen<lb/>
geschlechter vorsteht.<note place="foot" n="6)">Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so<lb/>
sehr anerkannt, da&#x017F;s der &#x1F10;&#x03BE;&#x03B7;&#x03B3;&#x03B7;&#x03C4;&#x1F74;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BE; &#x0395;&#x1F50;&#x03BC;&#x03BF;&#x03BB;&#x03C0;&#x03B9;&#x03B4;&#x1FF6;&#x03BD; noch für Perikles autorität war;<lb/>
der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung<lb/>
nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist.</note> die vermögensverwaltung der beiden göttinnen<lb/>
ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, da&#x017F;s sie je für all-<lb/>
gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat<lb/>
ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension,<lb/>
die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente<lb/>
früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äu&#x017F;serst<lb/>
wertvoll, weil sie beweisen, da&#x017F;s der anschlu&#x017F;s von Eleusis statt-<lb/>
gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das<lb/>
königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon<lb/>
so complicirte verträge schlo&#x017F;s, da&#x017F;s die schrift nicht wol entbehrt werden<lb/><note xml:id="note-0048" prev="#note-0047" place="foot" n="5)">&#x1F08;&#x03B3;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C5;&#x03BB;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B5;&#x03C2; &#x03BA;&#x03CC;&#x03F1;&#x03B1;&#x03B9; öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der<lb/>
burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen<lb/>
erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie<lb/>
der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd<lb/>
erfunden; immerhin liegt das richtige darin, da&#x017F;s Athenas verbindung mit Hephaistos,<lb/>
die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt-<lb/>
gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere<lb/>
Palladia und die &#x1F00;&#x03F1;&#x03C7;&#x03B7;&#x03B3;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B9;&#x03C2; ist sogar die &#x1F29;&#x03C6;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AF;&#x03B1;. Athena ist nicht in Athen geboren<lb/>
wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus<lb/>
dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an-<lb/>
spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt<lb/>
weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes.<lb/>
da&#x017F;s die alte burg dann auch nicht von anfang &#x1F08;&#x03D1;&#x1FC6;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9; gehei&#x017F;sen hat, folgt mit not-<lb/>
wendigkeit.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] II. 2. Von Kekrops bis Solon. Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig war. und die erinnerung ist nicht vergessen, daſs es schon polemarchen gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer- sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen, die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht bloſs die priestertümer in Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h. eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen geschlechter vorsteht. 6) die vermögensverwaltung der beiden göttinnen ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, daſs sie je für all- gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension, die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äuſserst wertvoll, weil sie beweisen, daſs der anschluſs von Eleusis statt- gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon so complicirte verträge schloſs, daſs die schrift nicht wol entbehrt werden 5) Die er- werbung von Eleusis. 6) Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so sehr anerkannt, daſs der ἐξηγητὴς ἐξ Εὐμολπιδῶν noch für Perikles autorität war; der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist. 5) Ἀγϱαυλίδες κόϱαι öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd erfunden; immerhin liegt das richtige darin, daſs Athenas verbindung mit Hephaistos, die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt- gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere Palladia und die ἀϱχηγέτις ist sogar die Ἡφαιστία. Athena ist nicht in Athen geboren wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an- spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes. daſs die alte burg dann auch nicht von anfang Ἀϑῆναι geheiſsen hat, folgt mit not- wendigkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/48
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/48>, abgerufen am 23.11.2024.