Der gegner des Isokrates.Nun zu den verkleinerern Athens, gegen die Isokrates streitet. es ist eine bestimmte person, oder vielmehr eine schrift eines mannes, den die hörer erraten sollen, wenn sie ihn noch nicht kennen. der mann hat den Athenern den vorwurf gemacht, dass ihr Reich den bündnern zum verderben gereicht habe, wegen der gewaltsamen executionen (Skione Torone Melos), der kleruchien, der tribute, des gerichtszwanges, und (so können wir aus der verteidigung schliessen, obwol die anklage nicht geradezu wiedergegeben wird) wegen der durchführung der demokratie in den stadtverfassungen. natürlich war die lage der bündner als sclaverei bezeichnet: so redet ja Thukydides sogar aus eigener person (z. b. I 98). dem gegenüber pries der oligarch die Spartiaten als freiheitsbringer und bekannte sich zu ihrer partei. geschrieben kann das vielleicht schon während der letzten agonie des Reiches sein; nach unten begrenzt es die schlacht bei Knidos. aber da die begeisterung für Sparta noch so gross ist, muss man auf eine möglichst geringe bekanntschaft mit seinen harmosten schliessen. für den mann, der dies geschrieben hatte, sind die anhaltspunkte: er nannte sich einen lakonisten, hatte zu den deka- darchen in seiner vaterstadt gehört, unter einem lakonischen harmosten, der niederen standes war, so dass ihn Isokrates einen heloten nennen durfte, und war in dieser stellung mitschuldig an einer ungeheuren menge von freveln geworden, ja selbst die frist dieser untaten wird auf drei monate genau angegeben. dieser letzte zug ist indessen nicht ganz sicher, denn es ist eigentlich absurd, in jener einen stadt mehr blut- urteile gesprochen zu glauben als bündnerprocesse in Athen während siebzig jahren geführt sind. diese vergleichung passt nur, wenn man, wie der Panathenaikos, die ganze reactionszeit der lakonischen herrschaft, zehn jahre den siebzig, gegenüberstellt. aber die drei monate zwingen uns dazu, dem Isokrates eine solche vermischung zuzutrauen. die drei monate sind den 'wenigen monaten' sehr ähnlich, innerhalb deren nach Aristoteles (35, 4) die Dreissig 1500 bürger widerrechtlich getötet haben. dieselbe zahl hat auch Isokrates (20, 11. 7, 67); es war offenbar ein sofort formulirter vorwurf.9) und doch ist diese zahl für die antithese des Panegyrikos zu niedrig, und die zahl der monate stimmt nur, weil sie nicht genau genommen zu werden braucht. Isokrates kann also von dem vorwurfe nicht frei gesprochen werden, dass er die person, die er angreift, von der ganzen lakonistenpartei, die er eigentlich meint,
9) Das interessante scholion zu Aischin. 1, 29 über die Dreissig stellt neben diese zahl 2500 aus Lysias, der natürlich den mund voller nahm.
III. 12. Isokrates Panegyrikos 100—114.
Der gegner des Isokrates.Nun zu den verkleinerern Athens, gegen die Isokrates streitet. es ist eine bestimmte person, oder vielmehr eine schrift eines mannes, den die hörer erraten sollen, wenn sie ihn noch nicht kennen. der mann hat den Athenern den vorwurf gemacht, daſs ihr Reich den bündnern zum verderben gereicht habe, wegen der gewaltsamen executionen (Skione Torone Melos), der kleruchien, der tribute, des gerichtszwanges, und (so können wir aus der verteidigung schlieſsen, obwol die anklage nicht geradezu wiedergegeben wird) wegen der durchführung der demokratie in den stadtverfassungen. natürlich war die lage der bündner als sclaverei bezeichnet: so redet ja Thukydides sogar aus eigener person (z. b. I 98). dem gegenüber pries der oligarch die Spartiaten als freiheitsbringer und bekannte sich zu ihrer partei. geschrieben kann das vielleicht schon während der letzten agonie des Reiches sein; nach unten begrenzt es die schlacht bei Knidos. aber da die begeisterung für Sparta noch so groſs ist, muſs man auf eine möglichst geringe bekanntschaft mit seinen harmosten schlieſsen. für den mann, der dies geschrieben hatte, sind die anhaltspunkte: er nannte sich einen lakonisten, hatte zu den deka- darchen in seiner vaterstadt gehört, unter einem lakonischen harmosten, der niederen standes war, so daſs ihn Isokrates einen heloten nennen durfte, und war in dieser stellung mitschuldig an einer ungeheuren menge von freveln geworden, ja selbst die frist dieser untaten wird auf drei monate genau angegeben. dieser letzte zug ist indessen nicht ganz sicher, denn es ist eigentlich absurd, in jener einen stadt mehr blut- urteile gesprochen zu glauben als bündnerprocesse in Athen während siebzig jahren geführt sind. diese vergleichung paſst nur, wenn man, wie der Panathenaikos, die ganze reactionszeit der lakonischen herrschaft, zehn jahre den siebzig, gegenüberstellt. aber die drei monate zwingen uns dazu, dem Isokrates eine solche vermischung zuzutrauen. die drei monate sind den ‘wenigen monaten’ sehr ähnlich, innerhalb deren nach Aristoteles (35, 4) die Dreiſsig 1500 bürger widerrechtlich getötet haben. dieselbe zahl hat auch Isokrates (20, 11. 7, 67); es war offenbar ein sofort formulirter vorwurf.9) und doch ist diese zahl für die antithese des Panegyrikos zu niedrig, und die zahl der monate stimmt nur, weil sie nicht genau genommen zu werden braucht. Isokrates kann also von dem vorwurfe nicht frei gesprochen werden, daſs er die person, die er angreift, von der ganzen lakonistenpartei, die er eigentlich meint,
9) Das interessante scholion zu Aischin. 1, 29 über die Dreiſsig stellt neben diese zahl 2500 aus Lysias, der natürlich den mund voller nahm.
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III. 12. Isokrates Panegyrikos 100—114.
Nun zu den verkleinerern Athens, gegen die Isokrates streitet. es
ist eine bestimmte person, oder vielmehr eine schrift eines mannes, den
die hörer erraten sollen, wenn sie ihn noch nicht kennen. der mann
hat den Athenern den vorwurf gemacht, daſs ihr Reich den bündnern
zum verderben gereicht habe, wegen der gewaltsamen executionen (Skione
Torone Melos), der kleruchien, der tribute, des gerichtszwanges, und
(so können wir aus der verteidigung schlieſsen, obwol die anklage nicht
geradezu wiedergegeben wird) wegen der durchführung der demokratie
in den stadtverfassungen. natürlich war die lage der bündner als sclaverei
bezeichnet: so redet ja Thukydides sogar aus eigener person (z. b. I 98).
dem gegenüber pries der oligarch die Spartiaten als freiheitsbringer und
bekannte sich zu ihrer partei. geschrieben kann das vielleicht schon
während der letzten agonie des Reiches sein; nach unten begrenzt es
die schlacht bei Knidos. aber da die begeisterung für Sparta noch so
groſs ist, muſs man auf eine möglichst geringe bekanntschaft mit seinen
harmosten schlieſsen. für den mann, der dies geschrieben hatte, sind
die anhaltspunkte: er nannte sich einen lakonisten, hatte zu den deka-
darchen in seiner vaterstadt gehört, unter einem lakonischen harmosten,
der niederen standes war, so daſs ihn Isokrates einen heloten nennen
durfte, und war in dieser stellung mitschuldig an einer ungeheuren
menge von freveln geworden, ja selbst die frist dieser untaten wird auf
drei monate genau angegeben. dieser letzte zug ist indessen nicht ganz
sicher, denn es ist eigentlich absurd, in jener einen stadt mehr blut-
urteile gesprochen zu glauben als bündnerprocesse in Athen während
siebzig jahren geführt sind. diese vergleichung paſst nur, wenn man,
wie der Panathenaikos, die ganze reactionszeit der lakonischen herrschaft,
zehn jahre den siebzig, gegenüberstellt. aber die drei monate zwingen
uns dazu, dem Isokrates eine solche vermischung zuzutrauen. die drei
monate sind den ‘wenigen monaten’ sehr ähnlich, innerhalb deren nach
Aristoteles (35, 4) die Dreiſsig 1500 bürger widerrechtlich getötet haben.
dieselbe zahl hat auch Isokrates (20, 11. 7, 67); es war offenbar ein
sofort formulirter vorwurf. 9) und doch ist diese zahl für die antithese
des Panegyrikos zu niedrig, und die zahl der monate stimmt nur, weil
sie nicht genau genommen zu werden braucht. Isokrates kann also
von dem vorwurfe nicht frei gesprochen werden, daſs er die person,
die er angreift, von der ganzen lakonistenpartei, die er eigentlich meint,
Der gegner
des
Isokrates.
9) Das interessante scholion zu Aischin. 1, 29 über die Dreiſsig stellt neben
diese zahl 2500 aus Lysias, der natürlich den mund voller nahm.
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/398>, abgerufen am 24.11.2024.
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