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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Massalia. Ionien.

Aber Massalia im äussersten westen ist eine Ionierstadt und hatMassalia
sich seiner herkunft würdig bewiesen. am besten beweisen es seine
grosstaten auf wissenschaftlich geographischem gebiete, der alte peri-
plus, Euthymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch
schriftlich fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab.
179), und es gab auch eine massaliotische geschichte. die reizende
gründungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem
volksmunde, und er ist auch in der Politik in der lage, über die ver-
fassungsgeschichte mehreres beizubringen.39)

Nun endlich das östliche eigentliche Ionien, das Ionien Homers,Ionien
die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht
zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten.
die namentlich und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift-
steller reichen bis in das sechste jahrhundert und einzelne wenigstens
haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie
Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst

weist manches nach Euboia. der localhistoriker Athanadas von Ambrakia (Anton.
Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die zerstörung durch
Acilius Glabrio wird er freilich sein. dass Korkyra so ganz für die cultur ausfällt,
gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert. ein weisser rabe, der
tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von
Pleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden.
hätte Korkyra seine schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage.
aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste
zu der berückenden weichen schönheit der Phaeakeninsel. ohne Aidos und Dike
wächst eben selbst im paradiese nichts als obst.
39) In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten
nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut multa
de Massaliotis, Hermocaicoxanthus qui supplicabatur dominum caelorum
(so die
arabische übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. Berl.
Akad. 19 jan. 1888): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift Ermokai-
koxanthos euxamenos Dii, und weiss nicht, wie Diels zu epeukhesthai und Dii patri
kommt. ich kann also nur glauben, dass bei den Massalioten verdrehte dreifach
componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese inschrift irgendwo in Hellas
gesehen und belacht haben, oder seine schüler haben davon erzählt. der name ist
verdreht, aber Eudamippos, Euxenippos, Ipparmodoros sind es nicht minder und
geben auch drei glieder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter-
pferd, die fiction des adels, gewöhnt. Kephisodemos Lusidemos Thoudemos sind
auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem
namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach. die massaliotische
onomatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie
nicht war.
Massalia. Ionien.

Aber Massalia im äuſsersten westen ist eine Ionierstadt und hatMassalia
sich seiner herkunft würdig bewiesen. am besten beweisen es seine
groſstaten auf wissenschaftlich geographischem gebiete, der alte peri-
plus, Euthymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch
schriftlich fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab.
179), und es gab auch eine massaliotische geschichte. die reizende
gründungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem
volksmunde, und er ist auch in der Politik in der lage, über die ver-
faſsungsgeschichte mehreres beizubringen.39)

Nun endlich das östliche eigentliche Ionien, das Ionien Homers,Ionien
die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht
zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten.
die namentlich und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift-
steller reichen bis in das sechste jahrhundert und einzelne wenigstens
haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie
Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst

weist manches nach Euboia. der localhistoriker Athanadas von Ambrakia (Anton.
Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die zerstörung durch
Acilius Glabrio wird er freilich sein. daſs Korkyra so ganz für die cultur ausfällt,
gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert. ein weiſser rabe, der
tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von
Pleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden.
hätte Korkyra seine schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage.
aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste
zu der berückenden weichen schönheit der Phaeakeninsel. ohne Αἰδώς und Δίκη
wächst eben selbst im paradiese nichts als obst.
39) In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten
nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut multa
de Massaliotis, Hermocaicoxanthus qui supplicabatur dominum caelorum
(so die
arabische übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. Berl.
Akad. 19 jan. 1888): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift Ἑϱμοκαι-
κόξανϑος εὐξάμενος Διί, und weiſs nicht, wie Diels zu ἐπεύχεσϑαι und Διὶ πατϱὶ
kommt. ich kann also nur glauben, daſs bei den Massalioten verdrehte dreifach
componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese inschrift irgendwo in Hellas
gesehen und belacht haben, oder seine schüler haben davon erzählt. der name ist
verdreht, aber Εὐδάμιππος, Εὐξένιππος, Ἱππαϱμόδωϱος sind es nicht minder und
geben auch drei glieder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter-
pferd, die fiction des adels, gewöhnt. Κηφισόδημος Λυσίδημος Θούδημος sind
auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem
namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach. die massaliotische
onomatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie
nicht war.
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[29/0039] Massalia. Ionien. Aber Massalia im äuſsersten westen ist eine Ionierstadt und hat sich seiner herkunft würdig bewiesen. am besten beweisen es seine groſstaten auf wissenschaftlich geographischem gebiete, der alte peri- plus, Euthymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch schriftlich fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab. 179), und es gab auch eine massaliotische geschichte. die reizende gründungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem volksmunde, und er ist auch in der Politik in der lage, über die ver- faſsungsgeschichte mehreres beizubringen. 39) Massalia Nun endlich das östliche eigentliche Ionien, das Ionien Homers, die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten. die namentlich und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift- steller reichen bis in das sechste jahrhundert und einzelne wenigstens haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst 38) Ionien 39) In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut multa de Massaliotis, Hermocaicoxanthus qui supplicabatur dominum caelorum (so die arabische übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. Berl. Akad. 19 jan. 1888): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift Ἑϱμοκαι- κόξανϑος εὐξάμενος Διί, und weiſs nicht, wie Diels zu ἐπεύχεσϑαι und Διὶ πατϱὶ kommt. ich kann also nur glauben, daſs bei den Massalioten verdrehte dreifach componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese inschrift irgendwo in Hellas gesehen und belacht haben, oder seine schüler haben davon erzählt. der name ist verdreht, aber Εὐδάμιππος, Εὐξένιππος, Ἱππαϱμόδωϱος sind es nicht minder und geben auch drei glieder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter- pferd, die fiction des adels, gewöhnt. Κηφισόδημος Λυσίδημος Θούδημος sind auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach. die massaliotische onomatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie nicht war. 38) weist manches nach Euboia. der localhistoriker Athanadas von Ambrakia (Anton. Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die zerstörung durch Acilius Glabrio wird er freilich sein. daſs Korkyra so ganz für die cultur ausfällt, gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert. ein weiſser rabe, der tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von Pleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden. hätte Korkyra seine schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage. aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste zu der berückenden weichen schönheit der Phaeakeninsel. ohne Αἰδώς und Δίκη wächst eben selbst im paradiese nichts als obst.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/39>, abgerufen am 24.11.2024.