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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Die dorischen inseln. Grossgriechenland.
Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachgewachsene chronik
und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande,
Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste stätte
der archaischen cultur; damals war für prosaische schriftstellerei noch
nicht die zeit. dann aber zerstörte Athen die gefährliche rivalin, und
die herstellung des staates 403 ist nicht im stande gewesen, ihn lebens-
fähig zu machen. die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer-
schlagen und zerstreut.33) die grossen dorischen inseln an der karischen
und lykischen küste sind geistig ionisirt; aber wie für ihre politische
so auch für ihre geistige bedeutung war die centralisation die not-
wendige vorbedingung, die 411 die stadt Rhodos, 366 die stadt Kos schuf.
erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua-
rischen altertümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen:
eine höher hinauf reichende geschichtliche uberlieferung hat es nicht
gegeben.34)

Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte habenKyrene
können, hat sie aber nicht erzeugt.35)

Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischenGross-
griechen-
land

tradition eine sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos,
dass er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Antiochos von
Syrakus nicht etwa bloss die chronik seiner heimat, sondern die archaeo-

Asgelatas heissen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso
wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.
33) Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen familien und heilig-
tümer die ersichtlich spätgrammatischen schriften von Theagenes und Pythainetos
peri Aigines mit wenig nutzen consultirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach-
komme der alten Bassidai ausspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem
Pindar.
34) Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei
Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen Ophioussa. diese fabelhaften ur-
namen, die es für die meisten inseln und manche städte gibt, und die bei den geo-
graphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein,
keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen. fgm. 569 hat Rose ohne
grund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das
nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition,
was die Politik über Kos und Rhodos bringt (E 1302 und 1304) ist bisher un-
genügend erklärt, scheint aber das vierte jahrhundert anzugehn. die bedeutung der
synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt.
35) Aristoteles hat in dieser Politie vorwiegend den Herodotos benutzt, wie
der auszug lehrt. die schriften peri Kurenes haben geschichtlich kaum etwas
brauchbares hinterlassen.

Die dorischen inseln. Groſsgriechenland.
Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachgewachsene chronik
und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande,
Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste stätte
der archaischen cultur; damals war für prosaische schriftstellerei noch
nicht die zeit. dann aber zerstörte Athen die gefährliche rivalin, und
die herstellung des staates 403 ist nicht im stande gewesen, ihn lebens-
fähig zu machen. die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer-
schlagen und zerstreut.33) die groſsen dorischen inseln an der karischen
und lykischen küste sind geistig ionisirt; aber wie für ihre politische
so auch für ihre geistige bedeutung war die centralisation die not-
wendige vorbedingung, die 411 die stadt Rhodos, 366 die stadt Kos schuf.
erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua-
rischen altertümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen:
eine höher hinauf reichende geschichtliche uberlieferung hat es nicht
gegeben.34)

Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte habenKyrene
können, hat sie aber nicht erzeugt.35)

Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischenGroſs-
griechen-
land

tradition eine sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos,
daſs er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Antiochos von
Syrakus nicht etwa bloſs die chronik seiner heimat, sondern die archaeo-

Asgelatas heiſsen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso
wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.
33) Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen familien und heilig-
tümer die ersichtlich spätgrammatischen schriften von Theagenes und Pythainetos
πεϱὶ Αἰγίνης mit wenig nutzen consultirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach-
komme der alten Βασσίδαι auſspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem
Pindar.
34) Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei
Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen Ὀφιοῦσσα. diese fabelhaften ur-
namen, die es für die meisten inseln und manche städte gibt, und die bei den geo-
graphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein,
keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen. fgm. 569 hat Rose ohne
grund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das
nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition,
was die Politik über Kos und Rhodos bringt (E 1302 und 1304) ist bisher un-
genügend erklärt, scheint aber das vierte jahrhundert anzugehn. die bedeutung der
synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt.
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[27/0037] Die dorischen inseln. Groſsgriechenland. Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachgewachsene chronik und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande, Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste stätte der archaischen cultur; damals war für prosaische schriftstellerei noch nicht die zeit. dann aber zerstörte Athen die gefährliche rivalin, und die herstellung des staates 403 ist nicht im stande gewesen, ihn lebens- fähig zu machen. die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer- schlagen und zerstreut. 33) die groſsen dorischen inseln an der karischen und lykischen küste sind geistig ionisirt; aber wie für ihre politische so auch für ihre geistige bedeutung war die centralisation die not- wendige vorbedingung, die 411 die stadt Rhodos, 366 die stadt Kos schuf. erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua- rischen altertümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen: eine höher hinauf reichende geschichtliche uberlieferung hat es nicht gegeben. 34) Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte haben können, hat sie aber nicht erzeugt. 35) Kyrene Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischen tradition eine sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos, daſs er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Antiochos von Syrakus nicht etwa bloſs die chronik seiner heimat, sondern die archaeo- 32) Groſs- griechen- land 33) Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen familien und heilig- tümer die ersichtlich spätgrammatischen schriften von Theagenes und Pythainetos πεϱὶ Αἰγίνης mit wenig nutzen consultirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach- komme der alten Βασσίδαι auſspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem Pindar. 34) Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen Ὀφιοῦσσα. diese fabelhaften ur- namen, die es für die meisten inseln und manche städte gibt, und die bei den geo- graphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein, keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen. fgm. 569 hat Rose ohne grund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition, was die Politik über Kos und Rhodos bringt (E 1302 und 1304) ist bisher un- genügend erklärt, scheint aber das vierte jahrhundert anzugehn. die bedeutung der synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt. 35) Aristoteles hat in dieser Politie vorwiegend den Herodotos benutzt, wie der auszug lehrt. die schriften πεϱὶ Κυϱήνης haben geschichtlich kaum etwas brauchbares hinterlassen. 32) Asgelatas heiſsen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/37>, abgerufen am 19.04.2024.