Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 10. Zweck und bedeutung des aristotelischen buches. name des seinem wesen nach im kampfe und nicht wider die krankheitsiegenden heros in die Asklepiadengenealogie geraten ist. da liegt es nahe, den ahn des Aristoteles in einem jener Messenier zu sehen, die als letzte der vordorischen bevölkerung vor den Dorern Spartas wichen und sich über die ganze Hellenenwelt verbreiteten, so weit sie nicht zu Sparta hielt, am liebsten aber zu stammesverwandten flohen, die nun schon den Ioniernamen führten, also nach Chalkis so gut wie nach Athen. das war ende des achten oder im siebenten jahrhundert. Aristoteles hat seinen unehelichen sohn Nikomachos genannt; aber auf sein geschlecht hat er nichts gehalten. ganz anders als Platon, der nie aufgehört hat, sich als Kekropide und Nelide zu fühlen, ist er ein entschiedener feind des ge- burtsadels und der heroischen genealogie. kein wort in seinem letzten willen gilt seinem geschlechte; keine briefstelle, keinen vers von ihm haben seine biographen beibringen können. er will kein Asklepiade sein. Aber ein Stagirite war er und ist er immer geblieben. er hat I. 10. Zweck und bedeutung des aristotelischen buches. name des seinem wesen nach im kampfe und nicht wider die krankheitsiegenden heros in die Asklepiadengenealogie geraten ist. da liegt es nahe, den ahn des Aristoteles in einem jener Messenier zu sehen, die als letzte der vordorischen bevölkerung vor den Dorern Spartas wichen und sich über die ganze Hellenenwelt verbreiteten, so weit sie nicht zu Sparta hielt, am liebsten aber zu stammesverwandten flohen, die nun schon den Ioniernamen führten, also nach Chalkis so gut wie nach Athen. das war ende des achten oder im siebenten jahrhundert. Aristoteles hat seinen unehelichen sohn Nikomachos genannt; aber auf sein geschlecht hat er nichts gehalten. ganz anders als Platon, der nie aufgehört hat, sich als Kekropide und Nelide zu fühlen, ist er ein entschiedener feind des ge- burtsadels und der heroischen genealogie. kein wort in seinem letzten willen gilt seinem geschlechte; keine briefstelle, keinen vers von ihm haben seine biographen beibringen können. er will kein Asklepiade sein. Aber ein Stagirite war er und ist er immer geblieben. er hat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0326" n="312"/><fw place="top" type="header">I. 10. 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Thasos, hinter dessen bergen den Stagiriten die sonne<lb/> aufgeht, hatte bis an das ende des fünften jahrhunderts eine bedeutende<lb/> rolle im geistesleben der nation gespielt; die übermacht Athens hatte<lb/> seine kraft gebrochen, und die wirren, die der sturz dieser macht im<lb/> gefolge hatte, den niedergang vollendet. die insel hat kaum noch etwas<lb/> zu bedeuten. Poteidaia, das die energie Korinths als ein streng dorisches<lb/> reis in den kranz der chalkidischen städte eingedrängt hatte, war von<lb/> Athen zerstört und hatte sein Dorertum definitiv verloren. am wich-<lb/> tigsten für Stagiros war die attische neugründung von 437 am Strymon,<lb/> Amphipolis, wohin sich gerade Hellenen der umgegend viel gezogen<lb/> hatten. Brasidas hatte diese günstig gelegene stadt freilich den Athenern<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0326]
I. 10. Zweck und bedeutung des aristotelischen buches.
name des seinem wesen nach im kampfe und nicht wider die krankheit
siegenden heros in die Asklepiadengenealogie geraten ist. da liegt es
nahe, den ahn des Aristoteles in einem jener Messenier zu sehen, die als
letzte der vordorischen bevölkerung vor den Dorern Spartas wichen und
sich über die ganze Hellenenwelt verbreiteten, so weit sie nicht zu Sparta
hielt, am liebsten aber zu stammesverwandten flohen, die nun schon den
Ioniernamen führten, also nach Chalkis so gut wie nach Athen. das war
ende des achten oder im siebenten jahrhundert. Aristoteles hat seinen
unehelichen sohn Nikomachos genannt; aber auf sein geschlecht hat er
nichts gehalten. ganz anders als Platon, der nie aufgehört hat, sich als
Kekropide und Nelide zu fühlen, ist er ein entschiedener feind des ge-
burtsadels und der heroischen genealogie. kein wort in seinem letzten
willen gilt seinem geschlechte; keine briefstelle, keinen vers von ihm
haben seine biographen beibringen können. er will kein Asklepiade sein.
Aber ein Stagirite war er und ist er immer geblieben. er hat
seinen ererbten besitz in dem kleinen städtchen behalten, und sein
dortiges bürgerrecht mit keinem anderen vertauschen mögen. und der
boden, auf dem sie wuchs, ist auch für diese edele pflanze von bedeutung.
Stagiros oder, wie man damals schon sagte, Stagira, führt einen thra-
kischen namen. an der nordostecke der Chalkidike gelegen blickt es
auf das Strymontal, das erst die macht des attischen Reiches den
Thrakern abgerungen hat, und auf die thasische see; hafenlos, wie es
ist, hat es nie eine gröſsere bedeutung erlangt, und der nordwind, dem
es ausgesetzt ist, brachte die kalten winter, über die Aristoteles in seinen
briefen klagte. in der ganzen Chalkidike war auf thrakischem unter-
grunde aus euboeischen, inselgriechischen und andern colonisten eine
hellenische bevölkerung erwachsen, die zwar die unterschiede der abstam-
mung ihrer bürger verwischt hatte, aber keine neue charakteristische
eigenart entwickelt. Thasos, hinter dessen bergen den Stagiriten die sonne
aufgeht, hatte bis an das ende des fünften jahrhunderts eine bedeutende
rolle im geistesleben der nation gespielt; die übermacht Athens hatte
seine kraft gebrochen, und die wirren, die der sturz dieser macht im
gefolge hatte, den niedergang vollendet. die insel hat kaum noch etwas
zu bedeuten. Poteidaia, das die energie Korinths als ein streng dorisches
reis in den kranz der chalkidischen städte eingedrängt hatte, war von
Athen zerstört und hatte sein Dorertum definitiv verloren. am wich-
tigsten für Stagiros war die attische neugründung von 437 am Strymon,
Amphipolis, wohin sich gerade Hellenen der umgegend viel gezogen
hatten. Brasidas hatte diese günstig gelegene stadt freilich den Athenern
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