Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Ergebnis. urkundlichkeit der Atthis. auch ohne beweis angenommen werden müsste, dass Aristoteles die jüngsteund stilistisch anspruchsvollste Atthis des Androtion benutzt hat, nicht ohne eigne schwere irrtümer, aber auch nicht ohne berechtigte kritik. es ist verlockend aber gefährlich, den weiteren anteil Androtions zu verfolgen. dass die Atthiden, die ja alle in dem demokratischen Athen geschrieben waren, die nationale, also demokratische färbung trugen, ist natürlich. daher nennt sie Aristoteles 'die demokraten', hat zu ihrer ergänzung parteischriften anderer richtung herangezogen und seiner politischen überzeugung gemäss für die geschichte nach 480 fast aus- schliesslich zu grunde gelegt. Die differenzen, die Aristoteles notirt, gehn immer nur nebendinge Gewiss befanden sich in den archiven des rates und der beamten soUrkundlich- Ergebnis. urkundlichkeit der Atthis. auch ohne beweis angenommen werden müſste, daſs Aristoteles die jüngsteund stilistisch anspruchsvollste Atthis des Androtion benutzt hat, nicht ohne eigne schwere irrtümer, aber auch nicht ohne berechtigte kritik. es ist verlockend aber gefährlich, den weiteren anteil Androtions zu verfolgen. daſs die Atthiden, die ja alle in dem demokratischen Athen geschrieben waren, die nationale, also demokratische färbung trugen, ist natürlich. daher nennt sie Aristoteles ‘die demokraten’, hat zu ihrer ergänzung parteischriften anderer richtung herangezogen und seiner politischen überzeugung gemäſs für die geschichte nach 480 fast aus- schlieſslich zu grunde gelegt. Die differenzen, die Aristoteles notirt, gehn immer nur nebendinge Gewiſs befanden sich in den archiven des rates und der beamten soUrkundlich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0291" n="277"/><fw place="top" type="header">Ergebnis. urkundlichkeit der Atthis.</fw><lb/> auch ohne beweis angenommen werden müſste, daſs Aristoteles die jüngste<lb/> und stilistisch anspruchsvollste Atthis des Androtion benutzt hat, nicht<lb/> ohne eigne schwere irrtümer, aber auch nicht ohne berechtigte kritik.<lb/> es ist verlockend aber gefährlich, den weiteren anteil Androtions zu<lb/> verfolgen. daſs die Atthiden, die ja alle in dem demokratischen Athen<lb/> geschrieben waren, die nationale, also demokratische färbung trugen,<lb/> ist natürlich. daher nennt sie Aristoteles ‘die demokraten’, hat zu ihrer<lb/> ergänzung parteischriften anderer richtung herangezogen und seiner<lb/> politischen überzeugung gemäſs für die geschichte nach 480 fast aus-<lb/> schlieſslich zu grunde gelegt.</p><lb/> <p>Die differenzen, die Aristoteles notirt, gehn immer nur nebendinge<lb/> an; in den hauptsachen und ganz besonders in der chronologie, die in<lb/> chroniken das fundament ist, meint er auf völlig sicherem boden zu<lb/> stehn, wenigstens von Solon an; die einzige schwankung geht die königs-<lb/> zeit an und macht nach dem eignen geständnis des Aristoteles wenig<lb/> aus. aber auch mit Herodotos hat sich diese keinesweges von ihm ab-<lb/> hängige tradition ganz bequem vereinigen lassen. ich wüſste mir das<lb/> schlechterdings nicht zu erklären, wenn nicht in den verschiedenen be-<lb/> arbeitungen ein gemeinsames, eben das feste chronologische gerüst vor-<lb/> handen war. und deshalb bedeutet es freilich häufig nur die jeweilen<lb/> benutzte bearbeitung, häufig jedoch die meiner ansicht nach allen zu<lb/> grunde liegende urschrift, wenn ich den namen Atthis brauche. es ist<lb/> die frage nach der existenz solcher urschrift, die das höchste interesse<lb/> hat. aber stellen wir sie zunächst noch einmal bei seite und sehen wir<lb/> uns die qualität der geschichtlichen nachrichten an, die wir den atthi-<lb/> dographen verdanken, deren ältester, der ausländer Hellanikos, doch erst<lb/> nach 404 geschrieben hat.</p><lb/> <p>Gewiſs befanden sich in den archiven des rates und der beamten so<note place="right">Urkundlich-<lb/> keit der<lb/> Atthis.</note><lb/> viele urkunden, daſs ein historiker mit fleiſs und methode daraus unend-<lb/> lich kostbares entnehmen konnte. die überlieferung über die dramati-<lb/> schen spiele, deren reste uns vorliegen, genügt zu dem beweise. man mag<lb/> geneigt sein, auf diese urkunden alles zurückzuführen, was wir für die zeit<lb/> nach 480 den atthidographen verdanken. das ist nicht wenig, denn daſs<lb/> z. b. gerade das wertvollste, was Ephoros über Thukydides hinaus über<lb/> diese zeit, selbst den archidamischen krieg, bietet, auf die Atthis zurück-<lb/> geht, ist wol zugestanden oder muſs doch zugestanden werden. auch<lb/> die biographische litteratur, auf die uns Plutarch zurückweist, hat sehr<lb/> stark aus dieser quelle geschöpft. ich gestehe indessen, daſs ich mir<lb/> die anschauliche schilderung des erdbebens in Sparta, die genauen daten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [277/0291]
Ergebnis. urkundlichkeit der Atthis.
auch ohne beweis angenommen werden müſste, daſs Aristoteles die jüngste
und stilistisch anspruchsvollste Atthis des Androtion benutzt hat, nicht
ohne eigne schwere irrtümer, aber auch nicht ohne berechtigte kritik.
es ist verlockend aber gefährlich, den weiteren anteil Androtions zu
verfolgen. daſs die Atthiden, die ja alle in dem demokratischen Athen
geschrieben waren, die nationale, also demokratische färbung trugen,
ist natürlich. daher nennt sie Aristoteles ‘die demokraten’, hat zu ihrer
ergänzung parteischriften anderer richtung herangezogen und seiner
politischen überzeugung gemäſs für die geschichte nach 480 fast aus-
schlieſslich zu grunde gelegt.
Die differenzen, die Aristoteles notirt, gehn immer nur nebendinge
an; in den hauptsachen und ganz besonders in der chronologie, die in
chroniken das fundament ist, meint er auf völlig sicherem boden zu
stehn, wenigstens von Solon an; die einzige schwankung geht die königs-
zeit an und macht nach dem eignen geständnis des Aristoteles wenig
aus. aber auch mit Herodotos hat sich diese keinesweges von ihm ab-
hängige tradition ganz bequem vereinigen lassen. ich wüſste mir das
schlechterdings nicht zu erklären, wenn nicht in den verschiedenen be-
arbeitungen ein gemeinsames, eben das feste chronologische gerüst vor-
handen war. und deshalb bedeutet es freilich häufig nur die jeweilen
benutzte bearbeitung, häufig jedoch die meiner ansicht nach allen zu
grunde liegende urschrift, wenn ich den namen Atthis brauche. es ist
die frage nach der existenz solcher urschrift, die das höchste interesse
hat. aber stellen wir sie zunächst noch einmal bei seite und sehen wir
uns die qualität der geschichtlichen nachrichten an, die wir den atthi-
dographen verdanken, deren ältester, der ausländer Hellanikos, doch erst
nach 404 geschrieben hat.
Gewiſs befanden sich in den archiven des rates und der beamten so
viele urkunden, daſs ein historiker mit fleiſs und methode daraus unend-
lich kostbares entnehmen konnte. die überlieferung über die dramati-
schen spiele, deren reste uns vorliegen, genügt zu dem beweise. man mag
geneigt sein, auf diese urkunden alles zurückzuführen, was wir für die zeit
nach 480 den atthidographen verdanken. das ist nicht wenig, denn daſs
z. b. gerade das wertvollste, was Ephoros über Thukydides hinaus über
diese zeit, selbst den archidamischen krieg, bietet, auf die Atthis zurück-
geht, ist wol zugestanden oder muſs doch zugestanden werden. auch
die biographische litteratur, auf die uns Plutarch zurückweist, hat sehr
stark aus dieser quelle geschöpft. ich gestehe indessen, daſs ich mir
die anschauliche schilderung des erdbebens in Sparta, die genauen daten
Urkundlich-
keit der
Atthis.
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