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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 8. Die Atthis.
persönlichen urteils der eigentliche erzählungsstoff in der geschichte des
Peisistratos der Atthis zugerechnet werden dürfen. nicht anders steht
es mit dem berichte über die ermordung des Hipparchos (vgl. oben 109).
auch hier steht zu einem zuge der aristotelischen erzählung eine parallele
bei Polyaen (I 22). Aristogeiton nennt auf der folter freunde des Hip-
pias und gesteht dem tyrannen höhnisch seinen trug, nachdem dieser
die angeschuldigten getötet hat. 26) Aristoteles gibt den letzten teil in
einer noch viel packenderen, aber deshalb nicht glaubwürdigeren fassung,
nach der Hippias selbst den Aristogeiton niederstösst. ob die ange-
schuldigten tyrannenfreunde wirklich so unschuldig waren, wie sie bei
Polyaen erscheinen, ist ihm dagegen zweifelhaft; er nennt das die demo-
kratische tradition, der er eine andere gegenüberstellt, die er bevorzugt
hat. 27) allerdings schwindet der nimbus der freiheitshelden, wenn sie
mit vielen leuten aus der umgebung der tyrannen verschworen waren;
aber da sie notorisch selbst zu deren gesellschaft gehört hatten, ist die
auswahl, die Aristoteles aus verschiedenen berichten getroffen hat, richtig,
vorausgesetzt dass wir diese ganze geschichte acceptiren. das ist mir
bedenklich: aber was dem Aristoteles vorlag, waren hier ganz offenbar
eine reihe nur im detail abweichender brechungen einer volkstümlichen
überlieferung.

Der
sturz der
tyrannen.
In der geschichte vom sturze des Hippias und der reform des
Kleisthenes überwiegt Herodotos, aber es sind doch schon einige züge
der Atthis ausgesondert (s. 32 und 37), ebendahin gehört sicher die
befestigung Munichias (19, 2), da sie ihre überraschende bestätigung
dadurch erhält, dass die sprüche des Epimenides vor einem solchen unter-
fangen warnten, Hermippos aber, der dies überliefert (bei Plutarch Sol.
12, Diogen. I 114), wie für das dritte jahrhundert natürlich war, das
orakel erst durch die Makedonen erfüllt glaubt; seine wirkliche ver-
anlassung war ihm unbekannt. um so sicherer ist sie geschichtlich und

26) Der schluss ist so zu schreiben tote d o Aristogeiton oneidisen auto
to strategema [ton philon]. der versuch der abschriften, durch einschub eines
kata die letzten worte in schick zu bringen, darf nicht beirren. ganz ebenso 2, 36
en men ton strategematon pareskhen autois ten eisodon, etero de eiselthon
ekhresato. so ist es richtig, die handschrift hat en men te ton strategematon
balanagron pareskhen. d. h. es war ton balanagron als interlinearglosse ein-
gefügt. Maasvicius hatte eni men to strategemati ton bal. geschrieben.
27) Was Blass zuerst gelesen hat pag. 7, 20 (cap. 18, 2) metekhonton pollon,
habe ich trotz längerem sträuben nach vieler mühe auch erkannt und halte es für
sicher. also hat Aristoteles an eine grosse verschwörung geglaubt, also denen ge-
traut, die die deswegen hingerichteten für schuldig hielten.

I. 8. Die Atthis.
persönlichen urteils der eigentliche erzählungsstoff in der geschichte des
Peisistratos der Atthis zugerechnet werden dürfen. nicht anders steht
es mit dem berichte über die ermordung des Hipparchos (vgl. oben 109).
auch hier steht zu einem zuge der aristotelischen erzählung eine parallele
bei Polyaen (I 22). Aristogeiton nennt auf der folter freunde des Hip-
pias und gesteht dem tyrannen höhnisch seinen trug, nachdem dieser
die angeschuldigten getötet hat. 26) Aristoteles gibt den letzten teil in
einer noch viel packenderen, aber deshalb nicht glaubwürdigeren fassung,
nach der Hippias selbst den Aristogeiton niederstöſst. ob die ange-
schuldigten tyrannenfreunde wirklich so unschuldig waren, wie sie bei
Polyaen erscheinen, ist ihm dagegen zweifelhaft; er nennt das die demo-
kratische tradition, der er eine andere gegenüberstellt, die er bevorzugt
hat. 27) allerdings schwindet der nimbus der freiheitshelden, wenn sie
mit vielen leuten aus der umgebung der tyrannen verschworen waren;
aber da sie notorisch selbst zu deren gesellschaft gehört hatten, ist die
auswahl, die Aristoteles aus verschiedenen berichten getroffen hat, richtig,
vorausgesetzt daſs wir diese ganze geschichte acceptiren. das ist mir
bedenklich: aber was dem Aristoteles vorlag, waren hier ganz offenbar
eine reihe nur im detail abweichender brechungen einer volkstümlichen
überlieferung.

Der
sturz der
tyrannen.
In der geschichte vom sturze des Hippias und der reform des
Kleisthenes überwiegt Herodotos, aber es sind doch schon einige züge
der Atthis ausgesondert (s. 32 und 37), ebendahin gehört sicher die
befestigung Munichias (19, 2), da sie ihre überraschende bestätigung
dadurch erhält, daſs die sprüche des Epimenides vor einem solchen unter-
fangen warnten, Hermippos aber, der dies überliefert (bei Plutarch Sol.
12, Diogen. I 114), wie für das dritte jahrhundert natürlich war, das
orakel erst durch die Makedonen erfüllt glaubt; seine wirkliche ver-
anlassung war ihm unbekannt. um so sicherer ist sie geschichtlich und

26) Der schluſs ist so zu schreiben τότε δ̕ ὁ Ἀϱιστογείτων ὠνείδισεν αὐτῷ
τὸ στϱατήγημα [τῶν φίλων]. der versuch der abschriften, durch einschub eines
κατά die letzten worte in schick zu bringen, darf nicht beirren. ganz ebenso 2, 36
ἓν μὲν τῶν στϱατηγημάτων παϱέσχεν αὐτοῖς τὴν εἴσοδον, ἑτεϱῳ δὲ εἰσελϑὼν
ἐχϱήσατο. so ist es richtig, die handschrift hat ἐν μὲν τῇ τῶν στϱατηγημάτων
βαλαναγϱῶν παϱέσχεν. d. h. es war τῶν βαλαναγϱῶν als interlinearglosse ein-
gefügt. Maasvicius hatte ἑνὶ μὲν τῷ στϱατήγηματι τῶν βαλ. geschrieben.
27) Was Blaſs zuerst gelesen hat pag. 7, 20 (cap. 18, 2) μετεχόντων πολλῶν,
habe ich trotz längerem sträuben nach vieler mühe auch erkannt und halte es für
sicher. also hat Aristoteles an eine groſse verschwörung geglaubt, also denen ge-
traut, die die deswegen hingerichteten für schuldig hielten.
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[274/0288] I. 8. Die Atthis. persönlichen urteils der eigentliche erzählungsstoff in der geschichte des Peisistratos der Atthis zugerechnet werden dürfen. nicht anders steht es mit dem berichte über die ermordung des Hipparchos (vgl. oben 109). auch hier steht zu einem zuge der aristotelischen erzählung eine parallele bei Polyaen (I 22). Aristogeiton nennt auf der folter freunde des Hip- pias und gesteht dem tyrannen höhnisch seinen trug, nachdem dieser die angeschuldigten getötet hat. 26) Aristoteles gibt den letzten teil in einer noch viel packenderen, aber deshalb nicht glaubwürdigeren fassung, nach der Hippias selbst den Aristogeiton niederstöſst. ob die ange- schuldigten tyrannenfreunde wirklich so unschuldig waren, wie sie bei Polyaen erscheinen, ist ihm dagegen zweifelhaft; er nennt das die demo- kratische tradition, der er eine andere gegenüberstellt, die er bevorzugt hat. 27) allerdings schwindet der nimbus der freiheitshelden, wenn sie mit vielen leuten aus der umgebung der tyrannen verschworen waren; aber da sie notorisch selbst zu deren gesellschaft gehört hatten, ist die auswahl, die Aristoteles aus verschiedenen berichten getroffen hat, richtig, vorausgesetzt daſs wir diese ganze geschichte acceptiren. das ist mir bedenklich: aber was dem Aristoteles vorlag, waren hier ganz offenbar eine reihe nur im detail abweichender brechungen einer volkstümlichen überlieferung. In der geschichte vom sturze des Hippias und der reform des Kleisthenes überwiegt Herodotos, aber es sind doch schon einige züge der Atthis ausgesondert (s. 32 und 37), ebendahin gehört sicher die befestigung Munichias (19, 2), da sie ihre überraschende bestätigung dadurch erhält, daſs die sprüche des Epimenides vor einem solchen unter- fangen warnten, Hermippos aber, der dies überliefert (bei Plutarch Sol. 12, Diogen. I 114), wie für das dritte jahrhundert natürlich war, das orakel erst durch die Makedonen erfüllt glaubt; seine wirkliche ver- anlassung war ihm unbekannt. um so sicherer ist sie geschichtlich und Der sturz der tyrannen. 26) Der schluſs ist so zu schreiben τότε δ̕ ὁ Ἀϱιστογείτων ὠνείδισεν αὐτῷ τὸ στϱατήγημα [τῶν φίλων]. der versuch der abschriften, durch einschub eines κατά die letzten worte in schick zu bringen, darf nicht beirren. ganz ebenso 2, 36 ἓν μὲν τῶν στϱατηγημάτων παϱέσχεν αὐτοῖς τὴν εἴσοδον, ἑτεϱῳ δὲ εἰσελϑὼν ἐχϱήσατο. so ist es richtig, die handschrift hat ἐν μὲν τῇ τῶν στϱατηγημάτων βαλαναγϱῶν παϱέσχεν. d. h. es war τῶν βαλαναγϱῶν als interlinearglosse ein- gefügt. Maasvicius hatte ἑνὶ μὲν τῷ στϱατήγηματι τῶν βαλ. geschrieben. 27) Was Blaſs zuerst gelesen hat pag. 7, 20 (cap. 18, 2) μετεχόντων πολλῶν, habe ich trotz längerem sträuben nach vieler mühe auch erkannt und halte es für sicher. also hat Aristoteles an eine groſse verschwörung geglaubt, also denen ge- traut, die die deswegen hingerichteten für schuldig hielten.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/288>, abgerufen am 22.11.2024.