Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Archonten.
wir haben dies letzte verkannt und den paragraphen gestrichen, weil
ziemlich dieselben worte die beschreibung der gerichte einleiten (63, 1).
aber sobald man die disposition erfasst hat, erscheint die wiederholung
angemessen; man muss nur den paragraphen als einen besonderen absatz
drucken.115)

Nun ist schon die gemeinsame tätigkeit und die für alle neun
gleiche competenz schwerlich mit der auslosung der richter erschöpft;
einen punkt, dass ihnen der zuschlag zukommt, wenn die poleten die
güter der wegen blutschuld flüchtigen versteigert haben (47, 2), hat
Aristoteles selbst erwähnt. unmöglich ist das das einzige, was die neun
schon unter Solon in demselben amtshause vereinigten gleichnamigen
beamten als collegium zu tun hatten, zumal die sechs thesmotheten wegen
der geraden zahl unmöglich allein zu gericht gesessen haben. indessen das
mögen kleinigkeiten gewesen sein, und die allgemeinen competenzen ge-
hören eher in den abschnitt über wahl und dokimasie. man vermisst z. b.
auch die amtstracht des kranzes, da doch vom könige erzählt wird, dass
er ihn in den blutgerichtshöfen absetzt; bei andern berichterstattern
wird er erwähnt.116)

115) Man würde freilich lieber die wortstellung pantes d oi ennea arkhontas
klerousi die ordnung der abschnitte deutlich machen sehen. es schwebt dem schrift-
steller wol der gegensatz zu der competenz der thesmotheten vor, die gerichtstage
und gerichtshöfe den egemones dikasterion zuzuweisen, § 1. eben diese com-
petenz steht noch einmal § 5 mit den worten kai epiklerousi tais arkhais outoi ta
dikasteria ta idia kai ta demosia, die notwendig unächt sind, nicht bloss weil
dasselbe schon einmal gesagt war, sondern weil über die gerichtshöfe nicht das
los entscheidet, da sie verschieden gross sind und deshalb nach bedürfnis zu-
gewiesen werden, dounai nennt es Aristoteles vorher. ausserdem ist unverständlich,
was idia und demosia dikasteria sein sollen. die klagen haben mit ihnen nichts
zu tun. so unerträglich demnach das überlieferte ist, so unbehaglich ist es, eine
solche interpolation als einzige in dem buche zu statuiren, deren anlass ganz unverständ-
lich ist. aber es ist unvermeidlich, denn an jenem orte kann überhaupt nichts
anderes als was die vorstandschaft der thesmotheten in bestimmten processen angeht,
erwähnt worden sein.
116) Schol. Aisch. 1, 19, Poll. 8, 86. dessen weitere angabe, nach der alle
archonten den unberechtigt heimkehrenden mörder hinrichten lassen, steht mit aus-
drücklichen rednerstellen in widerspruch (Lipsius Att. Pr. 55), und es mag eine
blosse verwechselung vorliegen, wie so oft thesmothetai und arkhontes verwechselt
werden. indessen möchte ich für die älteste zeit weder den thesmotheten eine
executive noch den sechs einen beschluss zutrauen: eine rechtsentwickelung, die die
amtsbefugnisse des archontencollegiums zu gunsten der einzelnen zersplitterte, ist
wol denkbar. wir haben ähnliches bei der sorge für die ölbäume gefunden,
anm. 109.
16*

Archonten.
wir haben dies letzte verkannt und den paragraphen gestrichen, weil
ziemlich dieselben worte die beschreibung der gerichte einleiten (63, 1).
aber sobald man die disposition erfasst hat, erscheint die wiederholung
angemessen; man muſs nur den paragraphen als einen besonderen absatz
drucken.115)

Nun ist schon die gemeinsame tätigkeit und die für alle neun
gleiche competenz schwerlich mit der auslosung der richter erschöpft;
einen punkt, daſs ihnen der zuschlag zukommt, wenn die poleten die
güter der wegen blutschuld flüchtigen versteigert haben (47, 2), hat
Aristoteles selbst erwähnt. unmöglich ist das das einzige, was die neun
schon unter Solon in demselben amtshause vereinigten gleichnamigen
beamten als collegium zu tun hatten, zumal die sechs thesmotheten wegen
der geraden zahl unmöglich allein zu gericht gesessen haben. indessen das
mögen kleinigkeiten gewesen sein, und die allgemeinen competenzen ge-
hören eher in den abschnitt über wahl und dokimasie. man vermiſst z. b.
auch die amtstracht des kranzes, da doch vom könige erzählt wird, daſs
er ihn in den blutgerichtshöfen absetzt; bei andern berichterstattern
wird er erwähnt.116)

115) Man würde freilich lieber die wortstellung πάντες δ̕ οἱ ἐννέα ἄϱχοντας
κληϱοῦσι die ordnung der abschnitte deutlich machen sehen. es schwebt dem schrift-
steller wol der gegensatz zu der competenz der thesmotheten vor, die gerichtstage
und gerichtshöfe den ἡγεμόνες δικαστηϱίων zuzuweisen, § 1. eben diese com-
petenz steht noch einmal § 5 mit den worten καὶ ἐπικληϱοῦσι ταῖς ἀϱχαῖς οὗτοι τὰ
δικαστήϱια τὰ ἴδια καὶ τὰ δημόσια, die notwendig unächt sind, nicht bloſs weil
dasselbe schon einmal gesagt war, sondern weil über die gerichtshöfe nicht das
los entscheidet, da sie verschieden groſs sind und deshalb nach bedürfnis zu-
gewiesen werden, δοῦναι nennt es Aristoteles vorher. auſserdem ist unverständlich,
was ἴδια und δημόσια δικαστήϱια sein sollen. die klagen haben mit ihnen nichts
zu tun. so unerträglich demnach das überlieferte ist, so unbehaglich ist es, eine
solche interpolation als einzige in dem buche zu statuiren, deren anlaſs ganz unverständ-
lich ist. aber es ist unvermeidlich, denn an jenem orte kann überhaupt nichts
anderes als was die vorstandschaft der thesmotheten in bestimmten processen angeht,
erwähnt worden sein.
116) Schol. Aisch. 1, 19, Poll. 8, 86. dessen weitere angabe, nach der alle
archonten den unberechtigt heimkehrenden mörder hinrichten lassen, steht mit aus-
drücklichen rednerstellen in widerspruch (Lipsius Att. Pr. 55), und es mag eine
bloſse verwechselung vorliegen, wie so oft ϑεσμοϑέται und ἄϱχοντες verwechselt
werden. indessen möchte ich für die älteste zeit weder den thesmotheten eine
executive noch den sechs einen beschluſs zutrauen: eine rechtsentwickelung, die die
amtsbefugnisse des archontencollegiums zu gunsten der einzelnen zersplitterte, ist
wol denkbar. wir haben ähnliches bei der sorge für die ölbäume gefunden,
anm. 109.
16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="243"/><fw place="top" type="header">Archonten.</fw><lb/>
wir haben dies letzte verkannt und den paragraphen gestrichen, weil<lb/>
ziemlich dieselben worte die beschreibung der gerichte einleiten (63, 1).<lb/>
aber sobald man die disposition erfasst hat, erscheint die wiederholung<lb/>
angemessen; man mu&#x017F;s nur den paragraphen als einen besonderen absatz<lb/>
drucken.<note place="foot" n="115)">Man würde freilich lieber die wortstellung &#x03C0;&#x03AC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2; &#x03B4;&#x0315; &#x03BF;&#x1F31; &#x1F10;&#x03BD;&#x03BD;&#x03AD;&#x03B1; &#x1F04;&#x03F1;&#x03C7;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2;<lb/>
&#x03BA;&#x03BB;&#x03B7;&#x03F1;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C3;&#x03B9; die ordnung der abschnitte deutlich machen sehen. es schwebt dem schrift-<lb/>
steller wol der gegensatz zu der competenz der thesmotheten vor, die gerichtstage<lb/>
und gerichtshöfe den &#x1F21;&#x03B3;&#x03B5;&#x03BC;&#x03CC;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2; &#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B7;&#x03F1;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD; zuzuweisen, § 1. eben diese com-<lb/>
petenz steht noch einmal § 5 mit den worten &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BB;&#x03B7;&#x03F1;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C3;&#x03B9; &#x03C4;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F00;&#x03F1;&#x03C7;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03C2; &#x03BF;&#x1F57;&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F70;<lb/>
&#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AE;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1; &#x03C4;&#x1F70; &#x1F34;&#x03B4;&#x03B9;&#x03B1; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x1F70; &#x03B4;&#x03B7;&#x03BC;&#x03CC;&#x03C3;&#x03B9;&#x03B1;, die notwendig unächt sind, nicht blo&#x017F;s weil<lb/>
dasselbe schon einmal gesagt war, sondern weil über die gerichtshöfe nicht das<lb/>
los entscheidet, da sie verschieden gro&#x017F;s sind und deshalb nach bedürfnis zu-<lb/>
gewiesen werden, &#x03B4;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9; nennt es Aristoteles vorher. au&#x017F;serdem ist unverständlich,<lb/>
was &#x1F34;&#x03B4;&#x03B9;&#x03B1; und &#x03B4;&#x03B7;&#x03BC;&#x03CC;&#x03C3;&#x03B9;&#x03B1; &#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AE;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1; sein sollen. die klagen haben mit ihnen nichts<lb/>
zu tun. so unerträglich demnach das überlieferte ist, so unbehaglich ist es, eine<lb/>
solche interpolation als einzige in dem buche zu statuiren, deren anla&#x017F;s ganz unverständ-<lb/>
lich ist. aber es ist unvermeidlich, denn an jenem orte kann überhaupt nichts<lb/>
anderes als was die vorstandschaft der thesmotheten in bestimmten processen angeht,<lb/>
erwähnt worden sein.</note></p><lb/>
          <p>Nun ist schon die gemeinsame tätigkeit und die für alle neun<lb/>
gleiche competenz schwerlich mit der auslosung der richter erschöpft;<lb/>
einen punkt, da&#x017F;s ihnen der zuschlag zukommt, wenn die poleten die<lb/>
güter der wegen blutschuld flüchtigen versteigert haben (47, 2), hat<lb/>
Aristoteles selbst erwähnt. unmöglich ist das das einzige, was die neun<lb/>
schon unter Solon in demselben amtshause vereinigten gleichnamigen<lb/>
beamten als collegium zu tun hatten, zumal die sechs thesmotheten wegen<lb/>
der geraden zahl unmöglich allein zu gericht gesessen haben. indessen das<lb/>
mögen kleinigkeiten gewesen sein, und die allgemeinen competenzen ge-<lb/>
hören eher in den abschnitt über wahl und dokimasie. man vermi&#x017F;st z. b.<lb/>
auch die amtstracht des kranzes, da doch vom könige erzählt wird, da&#x017F;s<lb/>
er ihn in den blutgerichtshöfen absetzt; bei andern berichterstattern<lb/>
wird er erwähnt.<note place="foot" n="116)">Schol. Aisch. 1, 19, Poll. 8, 86. dessen weitere angabe, nach der alle<lb/>
archonten den unberechtigt heimkehrenden mörder hinrichten lassen, steht mit aus-<lb/>
drücklichen rednerstellen in widerspruch (Lipsius Att. Pr. 55), und es mag eine<lb/>
blo&#x017F;se verwechselung vorliegen, wie so oft &#x03D1;&#x03B5;&#x03C3;&#x03BC;&#x03BF;&#x03D1;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; und &#x1F04;&#x03F1;&#x03C7;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2; verwechselt<lb/>
werden. indessen möchte ich für die älteste zeit weder den thesmotheten eine<lb/>
executive noch den sechs einen beschlu&#x017F;s zutrauen: eine rechtsentwickelung, die die<lb/>
amtsbefugnisse des archontencollegiums zu gunsten der einzelnen zersplitterte, ist<lb/>
wol denkbar. wir haben ähnliches bei der sorge für die ölbäume gefunden,<lb/>
anm. 109.</note></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">16*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0257] Archonten. wir haben dies letzte verkannt und den paragraphen gestrichen, weil ziemlich dieselben worte die beschreibung der gerichte einleiten (63, 1). aber sobald man die disposition erfasst hat, erscheint die wiederholung angemessen; man muſs nur den paragraphen als einen besonderen absatz drucken. 115) Nun ist schon die gemeinsame tätigkeit und die für alle neun gleiche competenz schwerlich mit der auslosung der richter erschöpft; einen punkt, daſs ihnen der zuschlag zukommt, wenn die poleten die güter der wegen blutschuld flüchtigen versteigert haben (47, 2), hat Aristoteles selbst erwähnt. unmöglich ist das das einzige, was die neun schon unter Solon in demselben amtshause vereinigten gleichnamigen beamten als collegium zu tun hatten, zumal die sechs thesmotheten wegen der geraden zahl unmöglich allein zu gericht gesessen haben. indessen das mögen kleinigkeiten gewesen sein, und die allgemeinen competenzen ge- hören eher in den abschnitt über wahl und dokimasie. man vermiſst z. b. auch die amtstracht des kranzes, da doch vom könige erzählt wird, daſs er ihn in den blutgerichtshöfen absetzt; bei andern berichterstattern wird er erwähnt. 116) 115) Man würde freilich lieber die wortstellung πάντες δ̕ οἱ ἐννέα ἄϱχοντας κληϱοῦσι die ordnung der abschnitte deutlich machen sehen. es schwebt dem schrift- steller wol der gegensatz zu der competenz der thesmotheten vor, die gerichtstage und gerichtshöfe den ἡγεμόνες δικαστηϱίων zuzuweisen, § 1. eben diese com- petenz steht noch einmal § 5 mit den worten καὶ ἐπικληϱοῦσι ταῖς ἀϱχαῖς οὗτοι τὰ δικαστήϱια τὰ ἴδια καὶ τὰ δημόσια, die notwendig unächt sind, nicht bloſs weil dasselbe schon einmal gesagt war, sondern weil über die gerichtshöfe nicht das los entscheidet, da sie verschieden groſs sind und deshalb nach bedürfnis zu- gewiesen werden, δοῦναι nennt es Aristoteles vorher. auſserdem ist unverständlich, was ἴδια und δημόσια δικαστήϱια sein sollen. die klagen haben mit ihnen nichts zu tun. so unerträglich demnach das überlieferte ist, so unbehaglich ist es, eine solche interpolation als einzige in dem buche zu statuiren, deren anlaſs ganz unverständ- lich ist. aber es ist unvermeidlich, denn an jenem orte kann überhaupt nichts anderes als was die vorstandschaft der thesmotheten in bestimmten processen angeht, erwähnt worden sein. 116) Schol. Aisch. 1, 19, Poll. 8, 86. dessen weitere angabe, nach der alle archonten den unberechtigt heimkehrenden mörder hinrichten lassen, steht mit aus- drücklichen rednerstellen in widerspruch (Lipsius Att. Pr. 55), und es mag eine bloſse verwechselung vorliegen, wie so oft ϑεσμοϑέται und ἄϱχοντες verwechselt werden. indessen möchte ich für die älteste zeit weder den thesmotheten eine executive noch den sechs einen beschluſs zutrauen: eine rechtsentwickelung, die die amtsbefugnisse des archontencollegiums zu gunsten der einzelnen zersplitterte, ist wol denkbar. wir haben ähnliches bei der sorge für die ölbäume gefunden, anm. 109. 16*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/257
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/257>, abgerufen am 22.11.2024.