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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 7. Die verfassung.
von den agoranomen geprüft.65) 386, d. h. zu derselben zeit, bestand
noch die zehnzahl der beamten für das getreide66): sie sind also einmal
beträchtlich vermehrt worden, als man ihnen zur aufsicht über die ge-
treidehändler auch die über müller und bäcker anvertraute, und min-
destens sehr nahe liegt es, dies geschehen zu denken, als die grosse
teuerung der ersten zwanziger jahre die Athener zu allen möglichen
massnahmen antrieb. nur damals begegnet uns auch die amtliche
notierung des getreidepreises, die Aristoteles hier erwähnt67); zu Lysias
zeiten hat sie nicht bestanden. die sitophulakes, das sagt ihr name,
hatten eigentlich das getreide zu beaufsichtigen, seine entfremdung und
seinen misbrauch zu verhüten, und dem entspricht es, dass wir sie bei
Lysias beschäftigt finden, den einkauf des getreides von den importeuren
zu überwachen, die verproviantirung der bürgerschaft. die pflichten, die
Aristoteles angibt, und die selbst beim ungemalenen korn auf den ver-
kauf an das publicum sich beschränken, sind mit dem namen gar nicht
mehr congruent, und schwerlich bloss weil Aristoteles sie unvollständig
angibt, gerade nach der bezeichnenden seite enger als bei Lysias. denn es
folgt bei Aristoteles die besondere behörde der hafeninspectoren, emporiou
epimeletai, die aus einer commission ein ordentliches amt geworden
sind, und diesen liegt, wie er lehrt und wie sonst feststeht, gerade die
verproviantirung der stadt ob. sie halten das eingeführte getreide fest68),

65) Symp. 2, 22 Sokrates hat einen so dicken bauch, dass sein unterkörper
so viel wiegt wie sein oberkörper, oste kan ei tois agoranomois aphistaies (-oes
die handschr., weil die schreiber istan für istanai sagten), osper artous ta kato
pros ta ano, azemion an genesthai. von Schenkl in schlimmer weise verdorben
zu ei tis agoranomos aphistaie sou, wo schon der unbestimmte artikel bei dem
magistratsnamen ein sprachfehler ist.
66) Lys. 22, 8 vgl. die beilage über diese rede. der vers Metikhos d artous
epopta, Metikhos de talphita (Komiker, doch wol Kratinos bei Plut. rei p. ger
praec
. 15) geht also das amt des agoranomen an.
67) kathestekuia time ist der verkaufspreis, der so zu sagen an der getreidebörse
amtlich festgestellt wird, und zu dem in der not der staat das getreide verkauft.
die not ist nur gross, und der hunger zwingt ein ganz exorbitantes epitimema zu
zahlen, wenn die händler es verlangen. den gewaltact, den handel mit teurerem
korn zu verbieten, wagt der staat nicht; er wendet nur alle mittel an, um die
händler zu der liberalität zu vermögen, dass sie zum normalpreise verkaufen. vgl.
die stellen der demosthenischen reden 34 und 56 und der steine bei Wilhelm Herm.
24, 148 ffg.
68) Sie zwingen die grosskaufleute zwei drittel des getreides, das in den ge-
treidehafen kommt, nach der stadt zu schaffen, natürlich nicht selbst, sondern dahin
abzusetzen. eis to sitikon emporion hat der papyrus, und wir hielten die corrup-
telen der citate für unwert einer erwähnung; das emporium entspricht dem bazar

I. 7. Die verfassung.
von den agoranomen geprüft.65) 386, d. h. zu derselben zeit, bestand
noch die zehnzahl der beamten für das getreide66): sie sind also einmal
beträchtlich vermehrt worden, als man ihnen zur aufsicht über die ge-
treidehändler auch die über müller und bäcker anvertraute, und min-
destens sehr nahe liegt es, dies geschehen zu denken, als die groſse
teuerung der ersten zwanziger jahre die Athener zu allen möglichen
maſsnahmen antrieb. nur damals begegnet uns auch die amtliche
notierung des getreidepreises, die Aristoteles hier erwähnt67); zu Lysias
zeiten hat sie nicht bestanden. die σιτοφύλακες, das sagt ihr name,
hatten eigentlich das getreide zu beaufsichtigen, seine entfremdung und
seinen misbrauch zu verhüten, und dem entspricht es, daſs wir sie bei
Lysias beschäftigt finden, den einkauf des getreides von den importeuren
zu überwachen, die verproviantirung der bürgerschaft. die pflichten, die
Aristoteles angibt, und die selbst beim ungemalenen korn auf den ver-
kauf an das publicum sich beschränken, sind mit dem namen gar nicht
mehr congruent, und schwerlich bloſs weil Aristoteles sie unvollständig
angibt, gerade nach der bezeichnenden seite enger als bei Lysias. denn es
folgt bei Aristoteles die besondere behörde der hafeninspectoren, ἐμποϱίου
ἐπιμεληταί, die aus einer commission ein ordentliches amt geworden
sind, und diesen liegt, wie er lehrt und wie sonst feststeht, gerade die
verproviantirung der stadt ob. sie halten das eingeführte getreide fest68),

65) Symp. 2, 22 Sokrates hat einen so dicken bauch, daſs sein unterkörper
so viel wiegt wie sein oberkörper, ὥστε κἂν εἰ τοῖς ἀγοϱανόμοις ἀφισταίης (-ῴης
die handschr., weil die schreiber ἱστᾶν für ἱστάναι sagten), ὥσπεϱ ἄϱτους τὰ κάτω
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zu εἴ τις ἀγοϱανόμος ἀφισταίη σου, wo schon der unbestimmte artikel bei dem
magistratsnamen ein sprachfehler ist.
66) Lys. 22, 8 vgl. die beilage über diese rede. der vers Μητίχος δ̕ ἄϱτους
ἐποπτᾷ, Μητίχος δὲ τἄλφιτα (Komiker, doch wol Kratinos bei Plut. rei p. ger
praec
. 15) geht also das amt des agoranomen an.
67) καϑεστηκυῖα τιμή ist der verkaufspreis, der so zu sagen an der getreidebörse
amtlich festgestellt wird, und zu dem in der not der staat das getreide verkauft.
die not ist nur groſs, und der hunger zwingt ein ganz exorbitantes ἐπιτίμημα zu
zahlen, wenn die händler es verlangen. den gewaltact, den handel mit teurerem
korn zu verbieten, wagt der staat nicht; er wendet nur alle mittel an, um die
händler zu der liberalität zu vermögen, daſs sie zum normalpreise verkaufen. vgl.
die stellen der demosthenischen reden 34 und 56 und der steine bei Wilhelm Herm.
24, 148 ffg.
68) Sie zwingen die groſskaufleute zwei drittel des getreides, das in den ge-
treidehafen kommt, nach der stadt zu schaffen, natürlich nicht selbst, sondern dahin
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[220/0234] I. 7. Die verfassung. von den agoranomen geprüft. 65) 386, d. h. zu derselben zeit, bestand noch die zehnzahl der beamten für das getreide 66): sie sind also einmal beträchtlich vermehrt worden, als man ihnen zur aufsicht über die ge- treidehändler auch die über müller und bäcker anvertraute, und min- destens sehr nahe liegt es, dies geschehen zu denken, als die groſse teuerung der ersten zwanziger jahre die Athener zu allen möglichen maſsnahmen antrieb. nur damals begegnet uns auch die amtliche notierung des getreidepreises, die Aristoteles hier erwähnt 67); zu Lysias zeiten hat sie nicht bestanden. die σιτοφύλακες, das sagt ihr name, hatten eigentlich das getreide zu beaufsichtigen, seine entfremdung und seinen misbrauch zu verhüten, und dem entspricht es, daſs wir sie bei Lysias beschäftigt finden, den einkauf des getreides von den importeuren zu überwachen, die verproviantirung der bürgerschaft. die pflichten, die Aristoteles angibt, und die selbst beim ungemalenen korn auf den ver- kauf an das publicum sich beschränken, sind mit dem namen gar nicht mehr congruent, und schwerlich bloſs weil Aristoteles sie unvollständig angibt, gerade nach der bezeichnenden seite enger als bei Lysias. denn es folgt bei Aristoteles die besondere behörde der hafeninspectoren, ἐμποϱίου ἐπιμεληταί, die aus einer commission ein ordentliches amt geworden sind, und diesen liegt, wie er lehrt und wie sonst feststeht, gerade die verproviantirung der stadt ob. sie halten das eingeführte getreide fest 68), 65) Symp. 2, 22 Sokrates hat einen so dicken bauch, daſs sein unterkörper so viel wiegt wie sein oberkörper, ὥστε κἂν εἰ τοῖς ἀγοϱανόμοις ἀφισταίης (-ῴης die handschr., weil die schreiber ἱστᾶν für ἱστάναι sagten), ὥσπεϱ ἄϱτους τὰ κάτω πϱὸς τὰ ἄνω, ἀζήμιον ἂν γενέσϑαι. von Schenkl in schlimmer weise verdorben zu εἴ τις ἀγοϱανόμος ἀφισταίη σου, wo schon der unbestimmte artikel bei dem magistratsnamen ein sprachfehler ist. 66) Lys. 22, 8 vgl. die beilage über diese rede. der vers Μητίχος δ̕ ἄϱτους ἐποπτᾷ, Μητίχος δὲ τἄλφιτα (Komiker, doch wol Kratinos bei Plut. rei p. ger praec. 15) geht also das amt des agoranomen an. 67) καϑεστηκυῖα τιμή ist der verkaufspreis, der so zu sagen an der getreidebörse amtlich festgestellt wird, und zu dem in der not der staat das getreide verkauft. die not ist nur groſs, und der hunger zwingt ein ganz exorbitantes ἐπιτίμημα zu zahlen, wenn die händler es verlangen. den gewaltact, den handel mit teurerem korn zu verbieten, wagt der staat nicht; er wendet nur alle mittel an, um die händler zu der liberalität zu vermögen, daſs sie zum normalpreise verkaufen. vgl. die stellen der demosthenischen reden 34 und 56 und der steine bei Wilhelm Herm. 24, 148 ffg. 68) Sie zwingen die groſskaufleute zwei drittel des getreides, das in den ge- treidehafen kommt, nach der stadt zu schaffen, natürlich nicht selbst, sondern dahin abzusetzen. εἰς τὸ σιτικὸν ἐμπόϱιον hat der papyrus, und wir hielten die corrup- telen der citate für unwert einer erwähnung; das emporium entspricht dem bazar

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/234>, abgerufen am 21.11.2024.