Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 7. Die verfassung. summe auszugeben haben, dann aber auch, weil sie contracte ab-schliessen, baupläne veranlassen, endlich im falle dass ihre etatsmässigen mittel nicht zureichen, extraordinäre bewilligungen beim volke beantragen müssen, stehn sie notwendigerweise mit dem rate in beständiger be- rührung. ganz dasselbe gilt von den polizeibehörden: denn der rat, oder vielmehr die prytanen, ist die centralstelle für die polizei; deswegen ist dieser ausschuss in permanenz versammelt und verfügt über die skythische polizeiwache. wie sollten die marktaufseher und stadtaufseher seiner entraten können? und es bedarf nur geringer überlegung, um ganz denselben schluss für die folgenden behörden zu ziehen: man muss sich nur die verwaltung in tätigkeit denken. Genaue prüfung der aristotelischen darstellung führt also darauf, Erste reihe kann bei einem städtischen und so besonders heiligen gebäude wie dem der boukolia, dessen revenuen zum teil in naturalien bestehn, sehr wol diese altertümliche praxis noch lange nachdem die tamiai ton allon theon eingeführt waren, bestanden haben. das gesetz setzt sehr altertümliche ordnungen voraus, ist aber wol, wie die über das Anakeion Hephaisteion u. a. aus der zeit zwischen 450 und 420. im eingang ist sicher ton abasilea ton aeinn basileuonta zu schreiben. 56) Eigentlich braucht man sie freilich zum gottesdienste, zum symposion
zunächst nur, weil es mit einer gottesdienstlichen handlung anfängt. aber das ist nebensache geworden. sie gehören offenkundig zu denen ai pephasmenos polountai. sie werden auch, wie die komoedie zeigt, sehr oft vom pornoboskos gehalten, neben denen die nicht ausgeschickt werden, den ep oikematos, oder die als pezai etairai ausgehn. wahrscheinlich war diese ganze classe, oder vielmehr die mit ihnen handelnden hauswirte, zum pornikon telos eingeschätzt, und mit der concession des gewerbes war die steuer verbunden, also auch die aufstellung einer taxe. die elegante prostitution war steuer- und taxfrei. wer die taxe erfand, galt dem souveränen pöbel natürlich für ebenso volksfreundlich wie Solon, der erfinder der bordelle. ein par jahre, ehe Aristoteles schrieb, hatte die volksversammlung eine eisangelie, d. i. eine majestätsklage, gegen zwei wirte angenommen, weil sie die taxe für die flötenspielerinnen überschritten hätten (Hypereides für Euxenippos col. 19). diese reminiscenz lässt noch deutlicher erkennen, dass Aristoteles nicht ohne ethos diese bestimmung des nomos agoranomikos ausgezogen hat. I. 7. Die verfassung. summe auszugeben haben, dann aber auch, weil sie contracte ab-schlieſsen, baupläne veranlassen, endlich im falle daſs ihre etatsmäſsigen mittel nicht zureichen, extraordinäre bewilligungen beim volke beantragen müssen, stehn sie notwendigerweise mit dem rate in beständiger be- rührung. ganz dasselbe gilt von den polizeibehörden: denn der rat, oder vielmehr die prytanen, ist die centralstelle für die polizei; deswegen ist dieser ausschuſs in permanenz versammelt und verfügt über die skythische polizeiwache. wie sollten die marktaufseher und stadtaufseher seiner entraten können? und es bedarf nur geringer überlegung, um ganz denselben schluſs für die folgenden behörden zu ziehen: man muſs sich nur die verwaltung in tätigkeit denken. Genaue prüfung der aristotelischen darstellung führt also darauf, Erste reihe kann bei einem städtischen und so besonders heiligen gebäude wie dem der βουκολία, dessen revenuen zum teil in naturalien bestehn, sehr wol diese altertümliche praxis noch lange nachdem die ταμίαι τῶν ἄλλων ϑεῶν eingeführt waren, bestanden haben. das gesetz setzt sehr altertümliche ordnungen voraus, ist aber wol, wie die über das Anakeion Hephaisteion u. a. aus der zeit zwischen 450 und 420. im eingang ist sicher τὸν áβασιλέα τὸν ἀεὶñ βασιλεύοντα zu schreiben. 56) Eigentlich braucht man sie freilich zum gottesdienste, zum symposion
zunächst nur, weil es mit einer gottesdienstlichen handlung anfängt. aber das ist nebensache geworden. sie gehören offenkundig zu denen αἳ πεφασμένως πωλοῦνται. sie werden auch, wie die komoedie zeigt, sehr oft vom ποϱνοβοσκός gehalten, neben denen die nicht ausgeschickt werden, den ἐπ̕ οἰκήματος, oder die als πεζαὶ ἑταῖϱαι ausgehn. wahrscheinlich war diese ganze classe, oder vielmehr die mit ihnen handelnden hauswirte, zum ποϱνικὸν τέλος eingeschätzt, und mit der concession des gewerbes war die steuer verbunden, also auch die aufstellung einer taxe. die elegante prostitution war steuer- und taxfrei. wer die taxe erfand, galt dem souveränen pöbel natürlich für ebenso volksfreundlich wie Solon, der erfinder der bordelle. ein par jahre, ehe Aristoteles schrieb, hatte die volksversammlung eine eisangelie, d. i. eine majestätsklage, gegen zwei wirte angenommen, weil sie die taxe für die flötenspielerinnen überschritten hätten (Hypereides für Euxenippos col. 19). diese reminiscenz läſst noch deutlicher erkennen, daſs Aristoteles nicht ohne ethos diese bestimmung des νόμος ἀγοϱανομικός ausgezogen hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0230" n="216"/><fw place="top" type="header">I. 7. Die verfassung.</fw><lb/> summe auszugeben haben, dann aber auch, weil sie contracte ab-<lb/> schlieſsen, baupläne veranlassen, endlich im falle daſs ihre etatsmäſsigen<lb/> mittel nicht zureichen, extraordinäre bewilligungen beim volke beantragen<lb/> müssen, stehn sie notwendigerweise mit dem rate in beständiger be-<lb/> rührung. ganz dasselbe gilt von den polizeibehörden: denn der rat, oder<lb/> vielmehr die prytanen, ist die centralstelle für die polizei; deswegen ist<lb/> dieser ausschuſs in permanenz versammelt und verfügt über die skythische<lb/> polizeiwache. wie sollten die marktaufseher und stadtaufseher seiner<lb/> entraten können? und es bedarf nur geringer überlegung, um ganz<lb/> denselben schluſs für die folgenden behörden zu ziehen: man muſs sich<lb/> nur die verwaltung in tätigkeit denken.</p><lb/> <p>Genaue prüfung der aristotelischen darstellung führt also darauf,<lb/> daſs er eine bereits schriftlich fixirte aber viel ausführlichere behandlung<lb/> vor augen hat, die er für seine zwecke zusammenzieht, hier und da mit<lb/> eignen lichtern versieht, durchgehends aber auf die höhe der gegenwart<lb/> hebt, mit der sie nicht mehr völlig stimmte. auf diese voraussetzung<lb/> hin muſs nun das übrige durchgesehen werden.</p><lb/> <p><note place="left">Erste reihe<lb/> der<lb/> losbeamten.</note>Die stadtaufseher haben zu sorgen, erstens daſs die μουσουϱγοὶ<lb/> γυναῖκες, mit einem ionischen worte diese classe öffentlicher dirnen<lb/> zusammenzufassen, die taxe innehalten<note place="foot" n="56)">Eigentlich braucht man sie freilich zum gottesdienste, zum symposion<lb/> zunächst nur, weil es mit einer gottesdienstlichen handlung anfängt. aber das ist<lb/> nebensache geworden. sie gehören offenkundig zu denen αἳ πεφασμένως πωλοῦνται.<lb/> sie werden auch, wie die komoedie zeigt, sehr oft vom ποϱνοβοσκός gehalten, neben<lb/> denen die nicht ausgeschickt werden, den ἐπ̕ οἰκήματος, oder die als πεζαὶ ἑταῖϱαι<lb/> ausgehn. wahrscheinlich war diese ganze classe, oder vielmehr die mit ihnen<lb/> handelnden hauswirte, zum ποϱνικὸν τέλος eingeschätzt, und mit der concession des<lb/> gewerbes war die steuer verbunden, also auch die aufstellung einer taxe. die elegante<lb/> prostitution war steuer- und taxfrei. wer die taxe erfand, galt dem souveränen<lb/> pöbel natürlich für ebenso volksfreundlich wie Solon, der erfinder der bordelle.<lb/> ein par jahre, ehe Aristoteles schrieb, hatte die volksversammlung eine eisangelie,<lb/> d. i. eine majestätsklage, gegen zwei wirte angenommen, weil sie die taxe für die<lb/> flötenspielerinnen überschritten hätten (Hypereides für Euxenippos col. 19). diese<lb/> reminiscenz läſst noch deutlicher erkennen, daſs Aristoteles nicht ohne ethos diese<lb/> bestimmung des νόμος ἀγοϱανομικός ausgezogen hat.</note>, zweitens daſs die abfuhr weit<lb/><note xml:id="note-0230" prev="#note-0229" place="foot" n="55)">kann bei einem städtischen und so besonders heiligen gebäude wie dem der βουκολία,<lb/> dessen revenuen zum teil in naturalien bestehn, sehr wol diese altertümliche praxis<lb/> noch lange nachdem die ταμίαι τῶν ἄλλων ϑεῶν eingeführt waren, bestanden haben.<lb/> das gesetz setzt sehr altertümliche ordnungen voraus, ist aber wol, wie die über<lb/> das Anakeion Hephaisteion u. a. aus der zeit zwischen 450 und 420. im eingang<lb/> ist sicher τὸν áβασιλέα τὸν ἀεὶñ βασιλεύοντα zu schreiben.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0230]
I. 7. Die verfassung.
summe auszugeben haben, dann aber auch, weil sie contracte ab-
schlieſsen, baupläne veranlassen, endlich im falle daſs ihre etatsmäſsigen
mittel nicht zureichen, extraordinäre bewilligungen beim volke beantragen
müssen, stehn sie notwendigerweise mit dem rate in beständiger be-
rührung. ganz dasselbe gilt von den polizeibehörden: denn der rat, oder
vielmehr die prytanen, ist die centralstelle für die polizei; deswegen ist
dieser ausschuſs in permanenz versammelt und verfügt über die skythische
polizeiwache. wie sollten die marktaufseher und stadtaufseher seiner
entraten können? und es bedarf nur geringer überlegung, um ganz
denselben schluſs für die folgenden behörden zu ziehen: man muſs sich
nur die verwaltung in tätigkeit denken.
Genaue prüfung der aristotelischen darstellung führt also darauf,
daſs er eine bereits schriftlich fixirte aber viel ausführlichere behandlung
vor augen hat, die er für seine zwecke zusammenzieht, hier und da mit
eignen lichtern versieht, durchgehends aber auf die höhe der gegenwart
hebt, mit der sie nicht mehr völlig stimmte. auf diese voraussetzung
hin muſs nun das übrige durchgesehen werden.
Die stadtaufseher haben zu sorgen, erstens daſs die μουσουϱγοὶ
γυναῖκες, mit einem ionischen worte diese classe öffentlicher dirnen
zusammenzufassen, die taxe innehalten 56), zweitens daſs die abfuhr weit
55)
Erste reihe
der
losbeamten.
56) Eigentlich braucht man sie freilich zum gottesdienste, zum symposion
zunächst nur, weil es mit einer gottesdienstlichen handlung anfängt. aber das ist
nebensache geworden. sie gehören offenkundig zu denen αἳ πεφασμένως πωλοῦνται.
sie werden auch, wie die komoedie zeigt, sehr oft vom ποϱνοβοσκός gehalten, neben
denen die nicht ausgeschickt werden, den ἐπ̕ οἰκήματος, oder die als πεζαὶ ἑταῖϱαι
ausgehn. wahrscheinlich war diese ganze classe, oder vielmehr die mit ihnen
handelnden hauswirte, zum ποϱνικὸν τέλος eingeschätzt, und mit der concession des
gewerbes war die steuer verbunden, also auch die aufstellung einer taxe. die elegante
prostitution war steuer- und taxfrei. wer die taxe erfand, galt dem souveränen
pöbel natürlich für ebenso volksfreundlich wie Solon, der erfinder der bordelle.
ein par jahre, ehe Aristoteles schrieb, hatte die volksversammlung eine eisangelie,
d. i. eine majestätsklage, gegen zwei wirte angenommen, weil sie die taxe für die
flötenspielerinnen überschritten hätten (Hypereides für Euxenippos col. 19). diese
reminiscenz läſst noch deutlicher erkennen, daſs Aristoteles nicht ohne ethos diese
bestimmung des νόμος ἀγοϱανομικός ausgezogen hat.
55) kann bei einem städtischen und so besonders heiligen gebäude wie dem der βουκολία,
dessen revenuen zum teil in naturalien bestehn, sehr wol diese altertümliche praxis
noch lange nachdem die ταμίαι τῶν ἄλλων ϑεῶν eingeführt waren, bestanden haben.
das gesetz setzt sehr altertümliche ordnungen voraus, ist aber wol, wie die über
das Anakeion Hephaisteion u. a. aus der zeit zwischen 450 und 420. im eingang
ist sicher τὸν áβασιλέα τὸν ἀεὶñ βασιλεύοντα zu schreiben.
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