Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 7. Die verfassung. für die schiffe 46? nun ist die beschaffung der Niken ein novum, nichtälter als 335, die ordnung der Panathenaeen ist auch kürzlich revidirt (CIA II 162), und erst seit den vierziger jahren hat eine neue periode lebhafter bautätigkeit begonnen. erst wenn man sich zu der annahme entschliesst, dass Aristoteles auf grund dieser neuordnungen eine ältere darstellung der ratsbefugnisse durchcorrigirt hat, wird es vollkommen verständlich, wie er zu seiner seltsamen anordnung gekommen ist. Es folgt die abgerissene bemerkung, dass der rat aus sich einen Es geht weiter "der rat cooperirt auch so ziemlich mit allen andern 52) CIA II 114. der in diesem actenfascikel besonders geehrte Eudoxos aus Sypalettos war ein gewählter beamter und sollte die geschäftsführung des rates in ordnung bringen (die dioikesis) und mit den prytanen auch für die äussere ordnung sorgen (die eukosmia, die das persönliche verhalten der mitglieder angeht). dafür votirt ihm der rat einen kranz von 50 dr. gold: höher kann er offenbar nicht gehn, denn der erste antragsteller wünscht dem volke anregung zu höheren ehren zu geben; der zweite bringt aber durch, dass die ratsherren selbst aus freiwilligen bei- trägen das geld für einen zweiten gleich schweren kranz aufbringen. Eudoxos war also sicherlich ein ratsherr, aber zu seiner tätigkeit durch besonderen ratsbeschluss gewählt als ein ausserordentlicher commissar. -- beiläufig etwas grammatisches. es heisst einmal epemelethe tes dioikeseos upo tes boules, einmal dioikeseos te boule: also das abstracte nomen construirt nach ta dioikoumena. was Rümelin von unserer sprache bemerkt hat, dass der geschäftsstil schwerfällige nominal- constructionen erzeugt, sehen wir hier in der attischen kanzlei; aber die unvergleich- liche sprache kann dem abgeleiteten nomen seine verbale kraft erhalten. 53) Zu verwalten hat dieser rendant offenbar nicht viel gehabt; die diaeten
der ratsherrn, den sold seiner unterbeamten, das was man 'den fonds für allgemeine amtsbedürfnisse' nennt, ta kata psephismata analiskomena te boule, d. h. was der rat auf diesen fonds anzuweisen competent ist. es folgt, dass im etat ein ent- sprechender jährlicher posten ausgeworfen war, und dass die competenz des rates auch begrenzt war, z. b. also, dass das gewicht der von ihm verliehenen kränze 50 dr. nicht übersteigen durfte. I. 7. Die verfassung. für die schiffe 46? nun ist die beschaffung der Niken ein novum, nichtälter als 335, die ordnung der Panathenaeen ist auch kürzlich revidirt (CIA II 162), und erst seit den vierziger jahren hat eine neue periode lebhafter bautätigkeit begonnen. erst wenn man sich zu der annahme entschlieſst, daſs Aristoteles auf grund dieser neuordnungen eine ältere darstellung der ratsbefugnisse durchcorrigirt hat, wird es vollkommen verständlich, wie er zu seiner seltsamen anordnung gekommen ist. Es folgt die abgerissene bemerkung, daſs der rat aus sich einen Es geht weiter “der rat cooperirt auch so ziemlich mit allen andern 52) CIA II 114. der in diesem actenfascikel besonders geehrte Eudoxos aus Sypalettos war ein gewählter beamter und sollte die geschäftsführung des rates in ordnung bringen (die διοίκησις) und mit den prytanen auch für die äuſsere ordnung sorgen (die εὐκοσμία, die das persönliche verhalten der mitglieder angeht). dafür votirt ihm der rat einen kranz von 50 dr. gold: höher kann er offenbar nicht gehn, denn der erste antragsteller wünscht dem volke anregung zu höheren ehren zu geben; der zweite bringt aber durch, daſs die ratsherren selbst aus freiwilligen bei- trägen das geld für einen zweiten gleich schweren kranz aufbringen. Eudoxos war also sicherlich ein ratsherr, aber zu seiner tätigkeit durch besonderen ratsbeschluſs gewählt als ein auſserordentlicher commissar. — beiläufig etwas grammatisches. es heiſst einmal ἐπεμελήϑη τῆς διοικήσεως ὑπὸ τῆς βουλῆς, einmal διοικήσεως τῇ βουλῇ: also das abstracte nomen construirt nach τὰ διοικούμενα. was Rümelin von unserer sprache bemerkt hat, daſs der geschäftsstil schwerfällige nominal- constructionen erzeugt, sehen wir hier in der attischen kanzlei; aber die unvergleich- liche sprache kann dem abgeleiteten nomen seine verbale kraft erhalten. 53) Zu verwalten hat dieser rendant offenbar nicht viel gehabt; die diaeten
der ratsherrn, den sold seiner unterbeamten, das was man ‘den fonds für allgemeine amtsbedürfnisse’ nennt, τὰ κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῇ βουλῇ, d. h. was der rat auf diesen fonds anzuweisen competent ist. es folgt, daſs im etat ein ent- sprechender jährlicher posten ausgeworfen war, und daſs die competenz des rates auch begrenzt war, z. b. also, daſs das gewicht der von ihm verliehenen kränze 50 dr. nicht übersteigen durfte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0228" n="214"/><fw place="top" type="header">I. 7. Die verfassung.</fw><lb/> für die schiffe 46? nun ist die beschaffung der Niken ein novum, nicht<lb/> älter als 335, die ordnung der Panathenaeen ist auch kürzlich revidirt<lb/> (CIA II 162), und erst seit den vierziger jahren hat eine neue periode<lb/> lebhafter bautätigkeit begonnen. erst wenn man sich zu der annahme<lb/> entschlieſst, daſs Aristoteles auf grund dieser neuordnungen eine ältere<lb/> darstellung der ratsbefugnisse durchcorrigirt hat, wird es vollkommen<lb/> verständlich, wie er zu seiner seltsamen anordnung gekommen ist.</p><lb/> <p>Es folgt die abgerissene bemerkung, daſs der rat aus sich einen<lb/> schatzmeister auslost: das ist erst nach 343/2 bestimmt, denn damals<lb/> waren es noch zwei.<note place="foot" n="52)">CIA II 114. der in diesem actenfascikel besonders geehrte Eudoxos aus<lb/> Sypalettos war ein gewählter beamter und sollte die geschäftsführung des rates in<lb/> ordnung bringen (die διοίκησις) und mit den prytanen auch für die äuſsere ordnung<lb/> sorgen (die εὐκοσμία, die das persönliche verhalten der mitglieder angeht). dafür<lb/> votirt ihm der rat einen kranz von 50 dr. gold: höher kann er offenbar nicht gehn,<lb/> denn der erste antragsteller wünscht dem volke anregung zu höheren ehren zu<lb/> geben; der zweite bringt aber durch, daſs die ratsherren selbst aus freiwilligen bei-<lb/> trägen das geld für einen zweiten gleich schweren kranz aufbringen. Eudoxos war<lb/> also sicherlich ein ratsherr, aber zu seiner tätigkeit durch besonderen ratsbeschluſs<lb/> gewählt als ein auſserordentlicher commissar. — beiläufig etwas grammatisches.<lb/> es heiſst einmal ἐπεμελήϑη τῆς διοικήσεως ὑπὸ τῆς βουλῆς, einmal διοικήσεως τῇ<lb/> βουλῇ: also das abstracte nomen construirt nach τὰ διοικούμενα. was Rümelin<lb/> von unserer sprache bemerkt hat, daſs der geschäftsstil schwerfällige nominal-<lb/> constructionen erzeugt, sehen wir hier in der attischen kanzlei; aber die unvergleich-<lb/> liche sprache kann dem abgeleiteten nomen seine verbale kraft erhalten.</note> wir möchten von den befugnissen dieses rats-<lb/> mitgliedes mehr hören, da ein rendant durch seine existenz nur eine<lb/> casse bezeugt, weiter nichts<note place="foot" n="53)">Zu verwalten hat dieser rendant offenbar nicht viel gehabt; die diaeten<lb/> der ratsherrn, den sold seiner unterbeamten, das was man ‘den fonds für allgemeine<lb/> amtsbedürfnisse’ nennt, τὰ κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῇ βουλῇ, d. h. was<lb/> der rat auf diesen fonds anzuweisen competent ist. es folgt, daſs im etat ein ent-<lb/> sprechender jährlicher posten ausgeworfen war, und daſs die competenz des rates<lb/> auch begrenzt war, z. b. also, daſs das gewicht der von ihm verliehenen kränze 50 dr.<lb/> nicht übersteigen durfte.</note>; aber solche wünsche steigen aller orten<lb/> auf, und daſs sie so oft unbefriedigt bleiben, muſs eine überall zutreffende<lb/> erklärung finden.</p><lb/> <p>Es geht weiter “der rat cooperirt auch so ziemlich mit allen andern<lb/> beamten”, worauf eine diesen abschnitt abschlieſsende phrase folgt, die<lb/> zu den andern behörden, erst dem bauamt für die unterhaltung der<lb/> öffentlichen heiligtümer, dann den polizeibeamten überführt. jener satz<lb/> ist auf den ersten blick anstöſsig, und natürlich ist schon der böse inter-<lb/> polator citirt worden. Aristoteles weist uns auf den satz zurück, der die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0228]
I. 7. Die verfassung.
für die schiffe 46? nun ist die beschaffung der Niken ein novum, nicht
älter als 335, die ordnung der Panathenaeen ist auch kürzlich revidirt
(CIA II 162), und erst seit den vierziger jahren hat eine neue periode
lebhafter bautätigkeit begonnen. erst wenn man sich zu der annahme
entschlieſst, daſs Aristoteles auf grund dieser neuordnungen eine ältere
darstellung der ratsbefugnisse durchcorrigirt hat, wird es vollkommen
verständlich, wie er zu seiner seltsamen anordnung gekommen ist.
Es folgt die abgerissene bemerkung, daſs der rat aus sich einen
schatzmeister auslost: das ist erst nach 343/2 bestimmt, denn damals
waren es noch zwei. 52) wir möchten von den befugnissen dieses rats-
mitgliedes mehr hören, da ein rendant durch seine existenz nur eine
casse bezeugt, weiter nichts 53); aber solche wünsche steigen aller orten
auf, und daſs sie so oft unbefriedigt bleiben, muſs eine überall zutreffende
erklärung finden.
Es geht weiter “der rat cooperirt auch so ziemlich mit allen andern
beamten”, worauf eine diesen abschnitt abschlieſsende phrase folgt, die
zu den andern behörden, erst dem bauamt für die unterhaltung der
öffentlichen heiligtümer, dann den polizeibeamten überführt. jener satz
ist auf den ersten blick anstöſsig, und natürlich ist schon der böse inter-
polator citirt worden. Aristoteles weist uns auf den satz zurück, der die
52) CIA II 114. der in diesem actenfascikel besonders geehrte Eudoxos aus
Sypalettos war ein gewählter beamter und sollte die geschäftsführung des rates in
ordnung bringen (die διοίκησις) und mit den prytanen auch für die äuſsere ordnung
sorgen (die εὐκοσμία, die das persönliche verhalten der mitglieder angeht). dafür
votirt ihm der rat einen kranz von 50 dr. gold: höher kann er offenbar nicht gehn,
denn der erste antragsteller wünscht dem volke anregung zu höheren ehren zu
geben; der zweite bringt aber durch, daſs die ratsherren selbst aus freiwilligen bei-
trägen das geld für einen zweiten gleich schweren kranz aufbringen. Eudoxos war
also sicherlich ein ratsherr, aber zu seiner tätigkeit durch besonderen ratsbeschluſs
gewählt als ein auſserordentlicher commissar. — beiläufig etwas grammatisches.
es heiſst einmal ἐπεμελήϑη τῆς διοικήσεως ὑπὸ τῆς βουλῆς, einmal διοικήσεως τῇ
βουλῇ: also das abstracte nomen construirt nach τὰ διοικούμενα. was Rümelin
von unserer sprache bemerkt hat, daſs der geschäftsstil schwerfällige nominal-
constructionen erzeugt, sehen wir hier in der attischen kanzlei; aber die unvergleich-
liche sprache kann dem abgeleiteten nomen seine verbale kraft erhalten.
53) Zu verwalten hat dieser rendant offenbar nicht viel gehabt; die diaeten
der ratsherrn, den sold seiner unterbeamten, das was man ‘den fonds für allgemeine
amtsbedürfnisse’ nennt, τὰ κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῇ βουλῇ, d. h. was
der rat auf diesen fonds anzuweisen competent ist. es folgt, daſs im etat ein ent-
sprechender jährlicher posten ausgeworfen war, und daſs die competenz des rates
auch begrenzt war, z. b. also, daſs das gewicht der von ihm verliehenen kränze 50 dr.
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