Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 7. Die verfassung. war, wissen wir nicht: im jahre 382 war sie erst im Skirophorion gehalten,wofür Lysias die archonten verantwortlich macht (26, 7), und so bestätigt, dass sie die losung besorgten. wenn man ihm trauen dürfte, wäre der schluss sicher, dass sie zur anberaumung des termines competent waren 30), also nicht etwa ein volksbeschluss vorhergehen musste, während die directen wahlen selbst ein volksbeschluss sind. er erinnert auch daran, dass fälle vorgekommen sind, in denen am ersten hekatombaion kein archon da war. 31) davon, ob diese losung mit der im Theseion oder mit den wahlen in irgend welcher zeitlicher verbindung stünde, ist nichts bekannt. Gerichts- 30) Man erwartet eine bestimmung, wie sie den rat für die ansetzung der wahlen in der volksversammlung band, aber selbst dann gab sie nur einen terminus ante quem non für die auslosung der ämter für das nächste jahr. leider ist die rede des Lysias wider Euandros ein besonders sykophantisches machwerk. erlaubt er sich doch die übertreibung, dass der archon von 382/1 die aufsicht über erbtöchter und waisen haben würde, die er selbst dazu gemacht hatte, nämlich vor 22 jahren, unter den dreissig (12): als ob die waisen von damals noch immer nicht mündig geworden wären. 31) Es ist sehr wichtig, dass für den archon subsidiär der könig eintritt oder
ein andrer aus dem collegium, nicht der alte archon weiter fungirt. die con- tinuirung des magistrates bis zum eintreffen des nachfolgers gilt also nur für die träger des imperiums. I. 7. Die verfassung. war, wissen wir nicht: im jahre 382 war sie erst im Skirophorion gehalten,wofür Lysias die archonten verantwortlich macht (26, 7), und so bestätigt, daſs sie die losung besorgten. wenn man ihm trauen dürfte, wäre der schluſs sicher, daſs sie zur anberaumung des termines competent waren 30), also nicht etwa ein volksbeschluſs vorhergehen muſste, während die directen wahlen selbst ein volksbeschluſs sind. er erinnert auch daran, daſs fälle vorgekommen sind, in denen am ersten hekatombaion kein archon da war. 31) davon, ob diese losung mit der im Theseion oder mit den wahlen in irgend welcher zeitlicher verbindung stünde, ist nichts bekannt. Gerichts- 30) Man erwartet eine bestimmung, wie sie den rat für die ansetzung der wahlen in der volksversammlung band, aber selbst dann gab sie nur einen terminus ante quem non für die auslosung der ämter für das nächste jahr. leider ist die rede des Lysias wider Euandros ein besonders sykophantisches machwerk. erlaubt er sich doch die übertreibung, daſs der archon von 382/1 die aufsicht über erbtöchter und waisen haben würde, die er selbst dazu gemacht hatte, nämlich vor 22 jahren, unter den dreiſsig (12): als ob die waisen von damals noch immer nicht mündig geworden wären. 31) Es ist sehr wichtig, daſs für den archon subsidiär der könig eintritt oder
ein andrer aus dem collegium, nicht der alte archon weiter fungirt. die con- tinuirung des magistrates bis zum eintreffen des nachfolgers gilt also nur für die träger des imperiums. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0218" n="204"/><fw place="top" type="header">I. 7. Die verfassung.</fw><lb/> war, wissen wir nicht: im jahre 382 war sie erst im Skirophorion gehalten,<lb/> wofür Lysias die archonten verantwortlich macht (26, 7), und so bestätigt,<lb/> daſs sie die losung besorgten. wenn man ihm trauen dürfte, wäre der<lb/> schluſs sicher, daſs sie zur anberaumung des termines competent waren <note place="foot" n="30)">Man erwartet eine bestimmung, wie sie den rat für die ansetzung der wahlen<lb/> in der volksversammlung band, aber selbst dann gab sie nur einen terminus ante quem<lb/> non für die auslosung der ämter für das nächste jahr. leider ist die rede des Lysias<lb/> wider Euandros ein besonders sykophantisches machwerk. erlaubt er sich doch<lb/> die übertreibung, daſs der archon von 382/1 die aufsicht über erbtöchter und waisen<lb/> haben würde, die er selbst dazu gemacht hatte, nämlich vor 22 jahren, unter den<lb/> dreiſsig (12): als ob die waisen von damals noch immer nicht mündig geworden wären.</note>,<lb/> also nicht etwa ein volksbeschluſs vorhergehen muſste, während die directen<lb/> wahlen selbst ein volksbeschluſs sind. er erinnert auch daran, daſs fälle<lb/> vorgekommen sind, in denen am ersten hekatombaion kein archon da<lb/> war. <note place="foot" n="31)">Es ist sehr wichtig, daſs für den archon subsidiär der könig eintritt oder<lb/> ein andrer aus dem collegium, nicht der alte archon weiter fungirt. die con-<lb/> tinuirung des magistrates bis zum eintreffen des nachfolgers gilt also nur für die<lb/> träger des imperiums.</note> davon, ob diese losung mit der im Theseion oder mit den wahlen<lb/> in irgend welcher zeitlicher verbindung stünde, ist nichts bekannt.</p><lb/> <p><note place="left">Gerichts-<lb/> wesen.</note>Mit dem capitel 63 beginnt die beschreibung des gerichtswesens,<lb/> ein umfänglicher in sich abgeschlossener teil, der bis zum schlusse des<lb/> buches reicht. die schilderung geht bis auf die kleinsten einzelheiten<lb/> ein, jedes instrument wird beschrieben, und der äuſsere gang der ge-<lb/> richtsverhandlung schritt für schritt verfolgt. der contrast ist peinlich,<lb/> in dem diese redseligkeit über bagatellen zu der knappheit in dem wich-<lb/> tigen steht. der stil wird deshalb nicht gefälliger, im gegenteil, man<lb/> glaubt, trotz der zerstörung der meisten columnen, starke härten zu<lb/> bemerken; die hiate z. b. häufen sich. zu dieser partie fehlen parallelen<lb/> bei andern darstellern der attischen verfassung; die grammatiker haben<lb/> diese dinge offenbar nur bei Aristoteles gefunden und ihn nicht immer<lb/> genau verstanden; es entstehn auch wirklich durch die groſse um-<lb/> ständlichkeit der schilderung unklarheiten. historische rückblicke oder<lb/> sonstige einlagen scheinen nirgend vorzukommen. die geltende praxis<lb/> ist ersichtlich nach dem leben copirt, nicht nach dem schema des ge-<lb/> setzes. also hat Aristoteles das attische geschwornengericht wie es gerade<lb/> war beschrieben und diese beschreibung in sein buch einfach über-<lb/> nommen, unbekümmert um das schreiende misverhältnis, in das sie zu<lb/> andern stücken trat. eine ratssitzung oder volksversammlung in dem-<lb/> selben stile beschrieben würde auch viele seiten füllen, und wir würden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0218]
I. 7. Die verfassung.
war, wissen wir nicht: im jahre 382 war sie erst im Skirophorion gehalten,
wofür Lysias die archonten verantwortlich macht (26, 7), und so bestätigt,
daſs sie die losung besorgten. wenn man ihm trauen dürfte, wäre der
schluſs sicher, daſs sie zur anberaumung des termines competent waren 30),
also nicht etwa ein volksbeschluſs vorhergehen muſste, während die directen
wahlen selbst ein volksbeschluſs sind. er erinnert auch daran, daſs fälle
vorgekommen sind, in denen am ersten hekatombaion kein archon da
war. 31) davon, ob diese losung mit der im Theseion oder mit den wahlen
in irgend welcher zeitlicher verbindung stünde, ist nichts bekannt.
Mit dem capitel 63 beginnt die beschreibung des gerichtswesens,
ein umfänglicher in sich abgeschlossener teil, der bis zum schlusse des
buches reicht. die schilderung geht bis auf die kleinsten einzelheiten
ein, jedes instrument wird beschrieben, und der äuſsere gang der ge-
richtsverhandlung schritt für schritt verfolgt. der contrast ist peinlich,
in dem diese redseligkeit über bagatellen zu der knappheit in dem wich-
tigen steht. der stil wird deshalb nicht gefälliger, im gegenteil, man
glaubt, trotz der zerstörung der meisten columnen, starke härten zu
bemerken; die hiate z. b. häufen sich. zu dieser partie fehlen parallelen
bei andern darstellern der attischen verfassung; die grammatiker haben
diese dinge offenbar nur bei Aristoteles gefunden und ihn nicht immer
genau verstanden; es entstehn auch wirklich durch die groſse um-
ständlichkeit der schilderung unklarheiten. historische rückblicke oder
sonstige einlagen scheinen nirgend vorzukommen. die geltende praxis
ist ersichtlich nach dem leben copirt, nicht nach dem schema des ge-
setzes. also hat Aristoteles das attische geschwornengericht wie es gerade
war beschrieben und diese beschreibung in sein buch einfach über-
nommen, unbekümmert um das schreiende misverhältnis, in das sie zu
andern stücken trat. eine ratssitzung oder volksversammlung in dem-
selben stile beschrieben würde auch viele seiten füllen, und wir würden
Gerichts-
wesen.
30) Man erwartet eine bestimmung, wie sie den rat für die ansetzung der wahlen
in der volksversammlung band, aber selbst dann gab sie nur einen terminus ante quem
non für die auslosung der ämter für das nächste jahr. leider ist die rede des Lysias
wider Euandros ein besonders sykophantisches machwerk. erlaubt er sich doch
die übertreibung, daſs der archon von 382/1 die aufsicht über erbtöchter und waisen
haben würde, die er selbst dazu gemacht hatte, nämlich vor 22 jahren, unter den
dreiſsig (12): als ob die waisen von damals noch immer nicht mündig geworden wären.
31) Es ist sehr wichtig, daſs für den archon subsidiär der könig eintritt oder
ein andrer aus dem collegium, nicht der alte archon weiter fungirt. die con-
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