Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

die, wenn auch mit Vorwalten des süddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugänglich und verständlich sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen vorbereiten sollte. Aus den edelsten Metallen des unerschöpflichen deutschen Sprachschachtes gegossen, ward sie in Luthers Händen die Glocke, welche die Reformation, den dreißigjährigen Krieg, die ganze neue Geschichte eingeläutet hat.

Mehr als den Griechen der Sänger der Odyssee und Ilias muß uns Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel gefeiert sein. Die altionische Sprache gehörte nicht dem Dichter, sondern der Nation an. Die Sprache der Bibelübersetzung aber mußte sich erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehörte Luther an in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigenthumsrecht für eine Person in Anspruch nehmen darf.

Denkt euch, Luthers Sprache wäre nicht durchgedrungen. Zerrissen wäre das mächtigste Band, das Süd und Nord umschlingt. Der Norden würde nichts vom Süden, der Süden nichts vom Norden wissen.

Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation wiederklingen, würden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblähen, alle großen Männer, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle Genien der ernsten und fröhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern Stolz setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden Selbstgefühl erweckt zu haben scheint, würden mit vergeblicher Sehnsucht ihre Flügel über Deutschland ausgebreitet haben, wären von ihrer Geburt an zur Verschrumpfung und Lähmung bestimmt gewesen. Es ist so viel Unglück seit Luther über dieses arme Land hingegangen, daß man zweifeln könnte, ob nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers Schriftsprache, dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, über dem unsäglicher Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte.

Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, mächtiger,

die, wenn auch mit Vorwalten des süddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugänglich und verständlich sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen vorbereiten sollte. Aus den edelsten Metallen des unerschöpflichen deutschen Sprachschachtes gegossen, ward sie in Luthers Händen die Glocke, welche die Reformation, den dreißigjährigen Krieg, die ganze neue Geschichte eingeläutet hat.

Mehr als den Griechen der Sänger der Odyssee und Ilias muß uns Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel gefeiert sein. Die altionische Sprache gehörte nicht dem Dichter, sondern der Nation an. Die Sprache der Bibelübersetzung aber mußte sich erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehörte Luther an in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigenthumsrecht für eine Person in Anspruch nehmen darf.

Denkt euch, Luthers Sprache wäre nicht durchgedrungen. Zerrissen wäre das mächtigste Band, das Süd und Nord umschlingt. Der Norden würde nichts vom Süden, der Süden nichts vom Norden wissen.

Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation wiederklingen, würden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblähen, alle großen Männer, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle Genien der ernsten und fröhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern Stolz setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden Selbstgefühl erweckt zu haben scheint, würden mit vergeblicher Sehnsucht ihre Flügel über Deutschland ausgebreitet haben, wären von ihrer Geburt an zur Verschrumpfung und Lähmung bestimmt gewesen. Es ist so viel Unglück seit Luther über dieses arme Land hingegangen, daß man zweifeln könnte, ob nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers Schriftsprache, dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, über dem unsäglicher Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte.

Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, mächtiger,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008" n="8"/>
die, wenn auch mit Vorwalten des süddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugänglich und verständlich sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen vorbereiten sollte. Aus den edelsten Metallen des unerschöpflichen deutschen Sprachschachtes gegossen, ward sie in Luthers Händen die Glocke, welche die Reformation, den dreißigjährigen Krieg, die ganze neue Geschichte eingeläutet hat.</p>
        <p>Mehr als den Griechen der Sänger der Odyssee und Ilias muß uns Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel gefeiert sein. Die altionische Sprache gehörte nicht dem Dichter, sondern der Nation an. Die Sprache der Bibelübersetzung aber mußte sich erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehörte Luther an in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigenthumsrecht für eine Person in Anspruch nehmen darf.</p>
        <p>Denkt euch, Luthers Sprache wäre nicht durchgedrungen. Zerrissen wäre das mächtigste Band, das Süd und Nord umschlingt. Der Norden würde nichts vom Süden, der Süden nichts vom Norden wissen.</p>
        <p>Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation wiederklingen, würden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblähen, alle großen Männer, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle Genien der ernsten und fröhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern Stolz setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden Selbstgefühl erweckt zu haben scheint, würden mit vergeblicher Sehnsucht ihre Flügel über Deutschland ausgebreitet haben, wären von ihrer Geburt an zur Verschrumpfung und Lähmung bestimmt gewesen. Es ist so viel Unglück seit Luther über dieses arme Land hingegangen, daß man zweifeln könnte, ob nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers Schriftsprache, dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, über dem unsäglicher Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte.</p>
        <p>Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, mächtiger,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0008] die, wenn auch mit Vorwalten des süddeutschen Elements, jedem deutschen Ohr zugänglich und verständlich sein, die eine gemeinsame Sprache aller Deutschen vorbereiten sollte. Aus den edelsten Metallen des unerschöpflichen deutschen Sprachschachtes gegossen, ward sie in Luthers Händen die Glocke, welche die Reformation, den dreißigjährigen Krieg, die ganze neue Geschichte eingeläutet hat. Mehr als den Griechen der Sänger der Odyssee und Ilias muß uns Deutschen, Katholiken wie Protestanten, der Uebersetzer der Bibel gefeiert sein. Die altionische Sprache gehörte nicht dem Dichter, sondern der Nation an. Die Sprache der Bibelübersetzung aber mußte sich erst geltend machen durch die Gewalt des Genius, sie gehörte Luther an in dem Sinn, wie man nur irgend auf diesem Gebiet das Eigenthumsrecht für eine Person in Anspruch nehmen darf. Denkt euch, Luthers Sprache wäre nicht durchgedrungen. Zerrissen wäre das mächtigste Band, das Süd und Nord umschlingt. Der Norden würde nichts vom Süden, der Süden nichts vom Norden wissen. Die theuersten Namen, die jetzt im Herzen der ganzen Nation wiederklingen, würden hie und da in einem Winkel Deutschlands genannt werden und etwa die Eitelkeit ihrer Landsleute aufblähen, alle großen Männer, die in unserm Vaterlande die Sprache Luthers geredet, alle Genien der ernsten und fröhlichen Wissenschaft, auf die wir unsern Stolz setzen, ja welche die Vorsehung selbst uns zum erhebenden Selbstgefühl erweckt zu haben scheint, würden mit vergeblicher Sehnsucht ihre Flügel über Deutschland ausgebreitet haben, wären von ihrer Geburt an zur Verschrumpfung und Lähmung bestimmt gewesen. Es ist so viel Unglück seit Luther über dieses arme Land hingegangen, daß man zweifeln könnte, ob nur der Name Deutschland, Deutscher, ehre. Luthers Schriftsprache, dieses Schwerdt, das Wunden schlug und heilte, über dem unsäglicher Wirrwarr sich schwebend erhalten hatte. Das kaiserliche Reichsschwerdt ist zerbrochen, Luthers Sprache ist Reichsschwerdt geworden, glanzvoller, schwungreicher, mächtiger,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-21T08:45:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-21T08:45:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-21T08:45:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834/8
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834/8>, abgerufen am 23.11.2024.