Leben wir, um zu lernen? Oder lernen wir vielmehr, um zu leben? Daß man die Natur auf den Kopf stellen kann, um das erstere zu be¬ haupten! Hat es doch in Deutschland sogar den Anschein, als ob die Menschen der Bücher wegen geboren würden. Kläglicher Irrthum, mönchische Verdumpfung, trauriger Rest aus den Kloster¬ zellen.
Leben, was ist Leben? Kein Wort ist schwe¬ rer, oder vielmehr weniger zu definiren. Leben ist ein Hauch, ein wehender Athem, eine Seele, die Körper baut, ein frisches, wonnigliches, thatkräfti¬ ges Prinzip, und wenn es Jemand nicht wüßte oder fühlte, er erinnere sich einer Stunde, wo sein Herz voll aufging, wo seine Muskeln sich spannten, seine Augen glänzten, und ein männli¬ cher Entschluß allen Hindernissen zum Trotz in sei¬ ner Seele aufstieg; auch schlage er nur das Buch des Lebens auf, die Geschichte, und frage nach den Griechen, nach den Römern, den Römern, die so viel Thatenfülle auf einen kleinen Punkt der Welt, zwischen sieben armselige Hügel zusam¬ mendrängten, daß sie damit das ganze Erdenrund überschnellten. Die haben gelebt, und darum sind sie auch unsterblich.
Aber großartiges und ruhmvolles Leben, ob¬ wohl am würdigsten für die Träume der Jugend,
Leben wir, um zu lernen? Oder lernen wir vielmehr, um zu leben? Daß man die Natur auf den Kopf ſtellen kann, um das erſtere zu be¬ haupten! Hat es doch in Deutſchland ſogar den Anſchein, als ob die Menſchen der Buͤcher wegen geboren wuͤrden. Klaͤglicher Irrthum, moͤnchiſche Verdumpfung, trauriger Reſt aus den Kloſter¬ zellen.
Leben, was iſt Leben? Kein Wort iſt ſchwe¬ rer, oder vielmehr weniger zu definiren. Leben iſt ein Hauch, ein wehender Athem, eine Seele, die Koͤrper baut, ein friſches, wonnigliches, thatkraͤfti¬ ges Prinzip, und wenn es Jemand nicht wuͤßte oder fuͤhlte, er erinnere ſich einer Stunde, wo ſein Herz voll aufging, wo ſeine Muskeln ſich ſpannten, ſeine Augen glaͤnzten, und ein maͤnnli¬ cher Entſchluß allen Hinderniſſen zum Trotz in ſei¬ ner Seele aufſtieg; auch ſchlage er nur das Buch des Lebens auf, die Geſchichte, und frage nach den Griechen, nach den Roͤmern, den Roͤmern, die ſo viel Thatenfuͤlle auf einen kleinen Punkt der Welt, zwiſchen ſieben armſelige Huͤgel zuſam¬ mendraͤngten, daß ſie damit das ganze Erdenrund uͤberſchnellten. Die haben gelebt, und darum ſind ſie auch unſterblich.
Aber großartiges und ruhmvolles Leben, ob¬ wohl am wuͤrdigſten fuͤr die Traͤume der Jugend,
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Leben wir, um zu lernen? Oder lernen wir
vielmehr, um zu leben? Daß man die Natur
auf den Kopf ſtellen kann, um das erſtere zu be¬
haupten! Hat es doch in Deutſchland ſogar den
Anſchein, als ob die Menſchen der Buͤcher wegen
geboren wuͤrden. Klaͤglicher Irrthum, moͤnchiſche
Verdumpfung, trauriger Reſt aus den Kloſter¬
zellen.
Leben, was iſt Leben? Kein Wort iſt ſchwe¬
rer, oder vielmehr weniger zu definiren. Leben iſt
ein Hauch, ein wehender Athem, eine Seele, die
Koͤrper baut, ein friſches, wonnigliches, thatkraͤfti¬
ges Prinzip, und wenn es Jemand nicht wuͤßte
oder fuͤhlte, er erinnere ſich einer Stunde, wo
ſein Herz voll aufging, wo ſeine Muskeln ſich
ſpannten, ſeine Augen glaͤnzten, und ein maͤnnli¬
cher Entſchluß allen Hinderniſſen zum Trotz in ſei¬
ner Seele aufſtieg; auch ſchlage er nur das Buch
des Lebens auf, die Geſchichte, und frage nach
den Griechen, nach den Roͤmern, den Roͤmern,
die ſo viel Thatenfuͤlle auf einen kleinen Punkt
der Welt, zwiſchen ſieben armſelige Huͤgel zuſam¬
mendraͤngten, daß ſie damit das ganze Erdenrund
uͤberſchnellten. Die haben gelebt, und darum ſind
ſie auch unſterblich.
Aber großartiges und ruhmvolles Leben, ob¬
wohl am wuͤrdigſten fuͤr die Traͤume der Jugend,
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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