Bürger, welche das Schwert zu führen verstan¬ den, keusche Weiber, die in Anmuth, Zucht und Unschuld aufblühten und daher nach Allem auch eine Poesie, welche der Wiederschein dieses Lebens war und in der sich alle Strahlen sammelten, die romantische Poesie des Mittelalters.
Mußte nun dies Spiegelbild viel Anziehendes für unsere Phantasie haben, die in der Gegen¬ wart aus Mangel an Nahrung zu verschmachten droht, ja lag uns die Frage nahe, ob es nicht eben diese romantische Schönheit des Mittelalters sei, dessen Wiederbelebung der Zeit und dem deut¬ schen Volke Noth thue, so ließen wir uns doch nicht darauf ein, diese Frage eher zu beantworten, als bis eine andere aufgeworfen und beantwortet wäre, nämlich die: trägt die romantische Schön¬ heit des Mittelalters auch in der That den Stem¬ pel der schönen Humanität an sich, der uns als Ideal vorschwebt, war sie lautre Natur, frei von Künstelei und Ueberspannung, war sie dem deut¬ schen Geiste so eigenthümlich, daß keine spätere Zeit ihre Kraft entfalten kann, ohne sich in diese Form zu schmiegen, muß die neue schönere Zeit, die heranzieht, die als Samenkorn in tausend und aber tausend deutschen Herzen verschlossen liegt, um an irgend einem Frühlingsmorgen neuerwacht ins Leben zu blühen, muß sie haben Barone, Ritter,
Buͤrger, welche das Schwert zu fuͤhren verſtan¬ den, keuſche Weiber, die in Anmuth, Zucht und Unſchuld aufbluͤhten und daher nach Allem auch eine Poeſie, welche der Wiederſchein dieſes Lebens war und in der ſich alle Strahlen ſammelten, die romantiſche Poeſie des Mittelalters.
Mußte nun dies Spiegelbild viel Anziehendes fuͤr unſere Phantaſie haben, die in der Gegen¬ wart aus Mangel an Nahrung zu verſchmachten droht, ja lag uns die Frage nahe, ob es nicht eben dieſe romantiſche Schoͤnheit des Mittelalters ſei, deſſen Wiederbelebung der Zeit und dem deut¬ ſchen Volke Noth thue, ſo ließen wir uns doch nicht darauf ein, dieſe Frage eher zu beantworten, als bis eine andere aufgeworfen und beantwortet waͤre, naͤmlich die: traͤgt die romantiſche Schoͤn¬ heit des Mittelalters auch in der That den Stem¬ pel der ſchoͤnen Humanitaͤt an ſich, der uns als Ideal vorſchwebt, war ſie lautre Natur, frei von Kuͤnſtelei und Ueberſpannung, war ſie dem deut¬ ſchen Geiſte ſo eigenthuͤmlich, daß keine ſpaͤtere Zeit ihre Kraft entfalten kann, ohne ſich in dieſe Form zu ſchmiegen, muß die neue ſchoͤnere Zeit, die heranzieht, die als Samenkorn in tauſend und aber tauſend deutſchen Herzen verſchloſſen liegt, um an irgend einem Fruͤhlingsmorgen neuerwacht ins Leben zu bluͤhen, muß ſie haben Barone, Ritter,
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Buͤrger, welche das Schwert zu fuͤhren verſtan¬
den, keuſche Weiber, die in Anmuth, Zucht und
Unſchuld aufbluͤhten und daher nach Allem auch
eine Poeſie, welche der Wiederſchein dieſes Lebens
war und in der ſich alle Strahlen ſammelten, die
romantiſche Poeſie des Mittelalters.
Mußte nun dies Spiegelbild viel Anziehendes
fuͤr unſere Phantaſie haben, die in der Gegen¬
wart aus Mangel an Nahrung zu verſchmachten
droht, ja lag uns die Frage nahe, ob es nicht
eben dieſe romantiſche Schoͤnheit des Mittelalters
ſei, deſſen Wiederbelebung der Zeit und dem deut¬
ſchen Volke Noth thue, ſo ließen wir uns doch
nicht darauf ein, dieſe Frage eher zu beantworten,
als bis eine andere aufgeworfen und beantwortet
waͤre, naͤmlich die: traͤgt die romantiſche Schoͤn¬
heit des Mittelalters auch in der That den Stem¬
pel der ſchoͤnen Humanitaͤt an ſich, der uns als
Ideal vorſchwebt, war ſie lautre Natur, frei von
Kuͤnſtelei und Ueberſpannung, war ſie dem deut¬
ſchen Geiſte ſo eigenthuͤmlich, daß keine ſpaͤtere
Zeit ihre Kraft entfalten kann, ohne ſich in dieſe
Form zu ſchmiegen, muß die neue ſchoͤnere Zeit,
die heranzieht, die als Samenkorn in tauſend und
aber tauſend deutſchen Herzen verſchloſſen liegt, um
an irgend einem Fruͤhlingsmorgen neuerwacht ins
Leben zu bluͤhen, muß ſie haben Barone, Ritter,
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/43>, abgerufen am 21.11.2024.
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