Indem ich dem deutschen Leben von gestern und heute denjenigen Charakter absprach, der überhaupt nur fähig wäre, sich zur Schönheit zu steigern und zu verklären, wies ich zugleich die Beschuldi¬ gung von mir, als ob ich unserer Nation überall Charakterbefähigung und daher Schönheitsbefähi¬ gung abzusprechen gedächte. Ich hielt Ihnen den Spiegel des deutschen Mittelalters vor, Sie sahen den nationalen Quell des deutschen Lebens eröff¬ net, in jugendlicher Freiheit dahin strömend, ge¬ waltige und zugleich schöne Unternehmungen, starke und zugleich kunstreich gebildete Menschen, Künste die der Reichthum ernährt, kunstreiche Kirchen und öffentliche Gebäude, Ernst im Schaffen, Lust im Spiel, Kriegsübungen, weibliche Ritter, tapfere
Dritte Vorleſung.
Indem ich dem deutſchen Leben von geſtern und heute denjenigen Charakter abſprach, der uͤberhaupt nur faͤhig waͤre, ſich zur Schoͤnheit zu ſteigern und zu verklaͤren, wies ich zugleich die Beſchuldi¬ gung von mir, als ob ich unſerer Nation uͤberall Charakterbefaͤhigung und daher Schoͤnheitsbefaͤhi¬ gung abzuſprechen gedaͤchte. Ich hielt Ihnen den Spiegel des deutſchen Mittelalters vor, Sie ſahen den nationalen Quell des deutſchen Lebens eroͤff¬ net, in jugendlicher Freiheit dahin ſtroͤmend, ge¬ waltige und zugleich ſchoͤne Unternehmungen, ſtarke und zugleich kunſtreich gebildete Menſchen, Kuͤnſte die der Reichthum ernaͤhrt, kunſtreiche Kirchen und oͤffentliche Gebaͤude, Ernſt im Schaffen, Luſt im Spiel, Kriegsuͤbungen, weibliche Ritter, tapfere
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0042"n="28"/></div><divn="1"><head><hirendition="#g">Dritte Vorleſung.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>ndem ich dem deutſchen Leben von geſtern und<lb/>
heute denjenigen Charakter abſprach, der uͤberhaupt<lb/>
nur faͤhig waͤre, ſich zur Schoͤnheit zu ſteigern<lb/>
und zu verklaͤren, wies ich zugleich die Beſchuldi¬<lb/>
gung von mir, als ob ich unſerer Nation uͤberall<lb/>
Charakterbefaͤhigung und daher Schoͤnheitsbefaͤhi¬<lb/>
gung abzuſprechen gedaͤchte. Ich hielt Ihnen den<lb/>
Spiegel des deutſchen Mittelalters vor, Sie ſahen<lb/>
den nationalen Quell des deutſchen Lebens eroͤff¬<lb/>
net, in jugendlicher Freiheit dahin ſtroͤmend, ge¬<lb/>
waltige und zugleich ſchoͤne Unternehmungen, ſtarke<lb/>
und zugleich kunſtreich gebildete Menſchen, Kuͤnſte<lb/>
die der Reichthum ernaͤhrt, kunſtreiche Kirchen und<lb/>
oͤffentliche Gebaͤude, Ernſt im Schaffen, Luſt im<lb/>
Spiel, Kriegsuͤbungen, weibliche Ritter, tapfere<lb/></p></div></body></text></TEI>
[28/0042]
Dritte Vorleſung.
Indem ich dem deutſchen Leben von geſtern und
heute denjenigen Charakter abſprach, der uͤberhaupt
nur faͤhig waͤre, ſich zur Schoͤnheit zu ſteigern
und zu verklaͤren, wies ich zugleich die Beſchuldi¬
gung von mir, als ob ich unſerer Nation uͤberall
Charakterbefaͤhigung und daher Schoͤnheitsbefaͤhi¬
gung abzuſprechen gedaͤchte. Ich hielt Ihnen den
Spiegel des deutſchen Mittelalters vor, Sie ſahen
den nationalen Quell des deutſchen Lebens eroͤff¬
net, in jugendlicher Freiheit dahin ſtroͤmend, ge¬
waltige und zugleich ſchoͤne Unternehmungen, ſtarke
und zugleich kunſtreich gebildete Menſchen, Kuͤnſte
die der Reichthum ernaͤhrt, kunſtreiche Kirchen und
oͤffentliche Gebaͤude, Ernſt im Schaffen, Luſt im
Spiel, Kriegsuͤbungen, weibliche Ritter, tapfere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/42>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.