ein kluger Mann genießt, wenn er seinen Hand¬ lungsvortheil überschlägt; der Liebhaber der Jagd, er mag nun Fliegen jagen, wie Domitian, oder wilde Thiere, Alle diese haben ein Gefühl, wel¬ ches sie fähig macht, Vergnügen nach ihrer Art zu genießen, ohne daß sie andere beneiden dürfen, oder auch von andern sich einen Begriff machen können -- allein, ich wende für jetzt keine Auf¬ merksamkeit darauf. Es gibt noch ein Gefühl von feinerer Art, und so fort, unter diesem Gefühl verstand Kant das Gefühl für das Schöne und Erhabene, das in ihm selbst, wenn auch mit Ue¬ bergewicht für das geistig und moralisch Erhabene lebendiger war, als in den meisten seiner späteren Jünger, Fichte und Schelling ausgenommen.
Ueberhaupt bin ich weit entfernt, wenn ich den Deutschen der nächstvergangenen und heutigen Welt das rechte Lebenselement und daher den rech¬ ten Sinn der Schönheit abspreche, in dieser Be¬ hauptung den Einflüsterungen gewisser Schriftstel¬ ler Raum zu geben, die allzu leichtfertig über un¬ sere Nation den Stab brechen. Vor dieser Ge¬ sinnung schütze uns nicht eben die Stumpfheit, die man uns überm Rheine vorwirft und die Gleich¬ gültigkeit gegen das Urtheil der Welt -- denn man kann wohl sagen, daß die ganze Welt über uns richtet, und daß wir nicht allein dem raschen
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ein kluger Mann genießt, wenn er ſeinen Hand¬ lungsvortheil uͤberſchlaͤgt; der Liebhaber der Jagd, er mag nun Fliegen jagen, wie Domitian, oder wilde Thiere, Alle dieſe haben ein Gefuͤhl, wel¬ ches ſie faͤhig macht, Vergnuͤgen nach ihrer Art zu genießen, ohne daß ſie andere beneiden duͤrfen, oder auch von andern ſich einen Begriff machen koͤnnen — allein, ich wende fuͤr jetzt keine Auf¬ merkſamkeit darauf. Es gibt noch ein Gefuͤhl von feinerer Art, und ſo fort, unter dieſem Gefuͤhl verſtand Kant das Gefuͤhl fuͤr das Schoͤne und Erhabene, das in ihm ſelbſt, wenn auch mit Ue¬ bergewicht fuͤr das geiſtig und moraliſch Erhabene lebendiger war, als in den meiſten ſeiner ſpaͤteren Juͤnger, Fichte und Schelling ausgenommen.
Ueberhaupt bin ich weit entfernt, wenn ich den Deutſchen der naͤchſtvergangenen und heutigen Welt das rechte Lebenselement und daher den rech¬ ten Sinn der Schoͤnheit abſpreche, in dieſer Be¬ hauptung den Einfluͤſterungen gewiſſer Schriftſtel¬ ler Raum zu geben, die allzu leichtfertig uͤber un¬ ſere Nation den Stab brechen. Vor dieſer Ge¬ ſinnung ſchuͤtze uns nicht eben die Stumpfheit, die man uns uͤberm Rheine vorwirft und die Gleich¬ guͤltigkeit gegen das Urtheil der Welt — denn man kann wohl ſagen, daß die ganze Welt uͤber uns richtet, und daß wir nicht allein dem raſchen
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ein kluger Mann genießt, wenn er ſeinen Hand¬
lungsvortheil uͤberſchlaͤgt; der Liebhaber der Jagd,
er mag nun Fliegen jagen, wie Domitian, oder
wilde Thiere, Alle dieſe haben ein Gefuͤhl, wel¬
ches ſie faͤhig macht, Vergnuͤgen nach ihrer Art
zu genießen, ohne daß ſie andere beneiden duͤrfen,
oder auch von andern ſich einen Begriff machen
koͤnnen — allein, ich wende fuͤr jetzt keine Auf¬
merkſamkeit darauf. Es gibt noch ein Gefuͤhl von
feinerer Art, und ſo fort, unter dieſem Gefuͤhl
verſtand Kant das Gefuͤhl fuͤr das Schoͤne und
Erhabene, das in ihm ſelbſt, wenn auch mit Ue¬
bergewicht fuͤr das geiſtig und moraliſch Erhabene
lebendiger war, als in den meiſten ſeiner ſpaͤteren
Juͤnger, Fichte und Schelling ausgenommen.
Ueberhaupt bin ich weit entfernt, wenn ich
den Deutſchen der naͤchſtvergangenen und heutigen
Welt das rechte Lebenselement und daher den rech¬
ten Sinn der Schoͤnheit abſpreche, in dieſer Be¬
hauptung den Einfluͤſterungen gewiſſer Schriftſtel¬
ler Raum zu geben, die allzu leichtfertig uͤber un¬
ſere Nation den Stab brechen. Vor dieſer Ge¬
ſinnung ſchuͤtze uns nicht eben die Stumpfheit, die
man uns uͤberm Rheine vorwirft und die Gleich¬
guͤltigkeit gegen das Urtheil der Welt — denn
man kann wohl ſagen, daß die ganze Welt uͤber
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/33>, abgerufen am 22.11.2024.
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