Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

heitsinnes, nach meiner innigsten Ueberzeugung,
eine vergebliche, ja in vielen Fällen schädliche sein,
eine Erfahrung, die wir sowohl an jenen geschmack¬
vollen Kunstkennern machen, welche in unmännli¬
cher Sorglosigkeit und Unbekümmertheit die Wis¬
senschaft ums Vaterland und die großen Interessen
der Zeit, in italienischen und antiken Kunstgenüs¬
sen schwelgen, oder, wenn sie es nicht zur Kunst¬
kennerschaft bringen, fade Schöngeister werden, die
sich bei den Gebildeten, und die Aesthetik mit
ihrer Person beim großen Haufen lächerlich ma¬
chen. Vom Letzteren habe ich bisher noch gar
nicht einmal gesprochen, indem ich die Unfähigkeit
unserer Zeit zum Genuß und zur Würdigung des
Schönen in dieser Einleitung berührte. Wer hat
ihn, diesen großen Haufen, besser geschildert als
Kant in seinem Werke über das Gefühl des Schö¬
nen und Erhabenen, wenn er spottend sagt: wohl¬
beleibte Personen, deren Autor der Koch ist und
deren Werke von feinem Geschmack im Keller lie¬
gen, werden bei gemeinen Zoten und einem plum¬
pen Scherz in eben so lebhafte Freude gerathen,
als diejenige ist, worauf Personen von edler Em¬
pfindung so stolz sind. Ein bequemer Mann, der die
Lektüre der Bücher liebt, weil es sich so wohl dabei
einschlafen läßt; der Kaufmann, dem alles Vergnü¬
gen läppisch erscheint, dasjenige ausgenommen, das

heitſinnes, nach meiner innigſten Ueberzeugung,
eine vergebliche, ja in vielen Faͤllen ſchaͤdliche ſein,
eine Erfahrung, die wir ſowohl an jenen geſchmack¬
vollen Kunſtkennern machen, welche in unmaͤnnli¬
cher Sorgloſigkeit und Unbekuͤmmertheit die Wiſ¬
ſenſchaft ums Vaterland und die großen Intereſſen
der Zeit, in italieniſchen und antiken Kunſtgenuͤſ¬
ſen ſchwelgen, oder, wenn ſie es nicht zur Kunſt¬
kennerſchaft bringen, fade Schoͤngeiſter werden, die
ſich bei den Gebildeten, und die Aeſthetik mit
ihrer Perſon beim großen Haufen laͤcherlich ma¬
chen. Vom Letzteren habe ich bisher noch gar
nicht einmal geſprochen, indem ich die Unfaͤhigkeit
unſerer Zeit zum Genuß und zur Wuͤrdigung des
Schoͤnen in dieſer Einleitung beruͤhrte. Wer hat
ihn, dieſen großen Haufen, beſſer geſchildert als
Kant in ſeinem Werke uͤber das Gefuͤhl des Schoͤ¬
nen und Erhabenen, wenn er ſpottend ſagt: wohl¬
beleibte Perſonen, deren Autor der Koch iſt und
deren Werke von feinem Geſchmack im Keller lie¬
gen, werden bei gemeinen Zoten und einem plum¬
pen Scherz in eben ſo lebhafte Freude gerathen,
als diejenige iſt, worauf Perſonen von edler Em¬
pfindung ſo ſtolz ſind. Ein bequemer Mann, der die
Lektuͤre der Buͤcher liebt, weil es ſich ſo wohl dabei
einſchlafen laͤßt; der Kaufmann, dem alles Vergnuͤ¬
gen laͤppiſch erſcheint, dasjenige ausgenommen, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="18"/>
heit&#x017F;innes, nach meiner innig&#x017F;ten Ueberzeugung,<lb/>
eine vergebliche, ja in vielen Fa&#x0364;llen &#x017F;cha&#x0364;dliche &#x017F;ein,<lb/>
eine Erfahrung, die wir &#x017F;owohl an jenen ge&#x017F;chmack¬<lb/>
vollen Kun&#x017F;tkennern machen, welche in unma&#x0364;nnli¬<lb/>
cher Sorglo&#x017F;igkeit und Unbeku&#x0364;mmertheit die Wi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft ums Vaterland und die großen Intere&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Zeit, in italieni&#x017F;chen und antiken Kun&#x017F;tgenu&#x0364;&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en &#x017F;chwelgen, oder, wenn &#x017F;ie es nicht zur Kun&#x017F;<lb/>
kenner&#x017F;chaft bringen, fade Scho&#x0364;ngei&#x017F;ter werden, die<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;ich</hi> bei den Gebildeten, und die Ae&#x017F;thetik mit<lb/>
ihrer Per&#x017F;on beim großen Haufen la&#x0364;cherlich ma¬<lb/>
chen. Vom Letzteren habe ich bisher noch gar<lb/>
nicht einmal ge&#x017F;prochen, indem ich die Unfa&#x0364;higkeit<lb/>
un&#x017F;erer Zeit zum Genuß und zur Wu&#x0364;rdigung des<lb/>
Scho&#x0364;nen in die&#x017F;er Einleitung beru&#x0364;hrte. Wer hat<lb/>
ihn, die&#x017F;en großen Haufen, be&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;childert als<lb/>
Kant in &#x017F;einem Werke u&#x0364;ber das Gefu&#x0364;hl des Scho&#x0364;¬<lb/>
nen und Erhabenen, wenn er &#x017F;pottend &#x017F;agt: wohl¬<lb/>
beleibte Per&#x017F;onen, deren Autor der Koch i&#x017F;t und<lb/>
deren Werke von feinem Ge&#x017F;chmack im Keller lie¬<lb/>
gen, werden bei gemeinen Zoten und einem plum¬<lb/>
pen Scherz in eben &#x017F;o lebhafte Freude gerathen,<lb/>
als diejenige i&#x017F;t, worauf Per&#x017F;onen von edler Em¬<lb/>
pfindung &#x017F;o &#x017F;tolz &#x017F;ind. Ein bequemer Mann, der die<lb/>
Lektu&#x0364;re der Bu&#x0364;cher liebt, weil es &#x017F;ich &#x017F;o wohl dabei<lb/>
ein&#x017F;chlafen la&#x0364;ßt; der Kaufmann, dem alles Vergnu&#x0364;¬<lb/>
gen la&#x0364;ppi&#x017F;ch er&#x017F;cheint, dasjenige ausgenommen, das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] heitſinnes, nach meiner innigſten Ueberzeugung, eine vergebliche, ja in vielen Faͤllen ſchaͤdliche ſein, eine Erfahrung, die wir ſowohl an jenen geſchmack¬ vollen Kunſtkennern machen, welche in unmaͤnnli¬ cher Sorgloſigkeit und Unbekuͤmmertheit die Wiſ¬ ſenſchaft ums Vaterland und die großen Intereſſen der Zeit, in italieniſchen und antiken Kunſtgenuͤſ¬ ſen ſchwelgen, oder, wenn ſie es nicht zur Kunſt¬ kennerſchaft bringen, fade Schoͤngeiſter werden, die ſich bei den Gebildeten, und die Aeſthetik mit ihrer Perſon beim großen Haufen laͤcherlich ma¬ chen. Vom Letzteren habe ich bisher noch gar nicht einmal geſprochen, indem ich die Unfaͤhigkeit unſerer Zeit zum Genuß und zur Wuͤrdigung des Schoͤnen in dieſer Einleitung beruͤhrte. Wer hat ihn, dieſen großen Haufen, beſſer geſchildert als Kant in ſeinem Werke uͤber das Gefuͤhl des Schoͤ¬ nen und Erhabenen, wenn er ſpottend ſagt: wohl¬ beleibte Perſonen, deren Autor der Koch iſt und deren Werke von feinem Geſchmack im Keller lie¬ gen, werden bei gemeinen Zoten und einem plum¬ pen Scherz in eben ſo lebhafte Freude gerathen, als diejenige iſt, worauf Perſonen von edler Em¬ pfindung ſo ſtolz ſind. Ein bequemer Mann, der die Lektuͤre der Buͤcher liebt, weil es ſich ſo wohl dabei einſchlafen laͤßt; der Kaufmann, dem alles Vergnuͤ¬ gen laͤppiſch erſcheint, dasjenige ausgenommen, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/32
Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/32>, abgerufen am 24.11.2024.