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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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tere oder Charakterverzerrungen unfähig sind, den
Stempel der Schönheit aufzunehmen, bedarf wohl
keiner Erläuterung. Eine zweite und noch zahl¬
reichere Gattung von Charakteren liefern uns die
Geschäftsmänner in allen Zweigen des Le¬
bens; die Amtleute, Juristen, Advoka¬
ten
, Sachwalter; diese Generalpächter des
Gesetzes und der Gerechtigkeit, die noch in so
vielen Ländern die Barbarei eines unbekannten,
undeutschen, unvolksthümlichen und daher rechtlo¬
sen Rechts täglich verewigen und die daher seit
alter Zeit eine pedantisch gelehrte Kaste bilden,
welche, wie alles Kastenwesen, der freien Bil¬
dung und schönen Humanität schnurstracks entge¬
genläuft, -- die Aerzte, welche ebenfalls ihre
Wissenschaft und ihr ganzes Treiben vor den Au¬
gen der gebildeten Nation verbergen und sich in
den Nimbus einer Kunst hüllen, die an unsern
eigenen Leibern experimentirt und tastet -- die
Schulmänner
, die sich noch immer nicht ent¬
schließen können, ihre Perrücke abzulegen und
deutsche Jünglinge statt Latinisten und Gräzisisten
fürs Leben heranzubilden -- die Theologen -- kurz
alle Aemter, die als sogenannte Brodstudien auf
unsern Universitäten in eigenen abgeschlossenen Dis¬
ziplinen gelehrt werden, wie wenig entsprechen sie
im Ganzen, Großen, wie im Einzelnen dem rei¬

tere oder Charakterverzerrungen unfaͤhig ſind, den
Stempel der Schoͤnheit aufzunehmen, bedarf wohl
keiner Erlaͤuterung. Eine zweite und noch zahl¬
reichere Gattung von Charakteren liefern uns die
Geſchaͤftsmaͤnner in allen Zweigen des Le¬
bens; die Amtleute, Juriſten, Advoka¬
ten
, Sachwalter; dieſe Generalpaͤchter des
Geſetzes und der Gerechtigkeit, die noch in ſo
vielen Laͤndern die Barbarei eines unbekannten,
undeutſchen, unvolksthuͤmlichen und daher rechtlo¬
ſen Rechts taͤglich verewigen und die daher ſeit
alter Zeit eine pedantiſch gelehrte Kaſte bilden,
welche, wie alles Kaſtenweſen, der freien Bil¬
dung und ſchoͤnen Humanitaͤt ſchnurſtracks entge¬
genlaͤuft, — die Aerzte, welche ebenfalls ihre
Wiſſenſchaft und ihr ganzes Treiben vor den Au¬
gen der gebildeten Nation verbergen und ſich in
den Nimbus einer Kunſt huͤllen, die an unſern
eigenen Leibern experimentirt und taſtet — die
Schulmaͤnner
, die ſich noch immer nicht ent¬
ſchließen koͤnnen, ihre Perruͤcke abzulegen und
deutſche Juͤnglinge ſtatt Latiniſten und Graͤziſiſten
fuͤrs Leben heranzubilden — die Theologen — kurz
alle Aemter, die als ſogenannte Brodſtudien auf
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ziplinen gelehrt werden, wie wenig entſprechen ſie
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[15/0029] tere oder Charakterverzerrungen unfaͤhig ſind, den Stempel der Schoͤnheit aufzunehmen, bedarf wohl keiner Erlaͤuterung. Eine zweite und noch zahl¬ reichere Gattung von Charakteren liefern uns die Geſchaͤftsmaͤnner in allen Zweigen des Le¬ bens; die Amtleute, Juriſten, Advoka¬ ten, Sachwalter; dieſe Generalpaͤchter des Geſetzes und der Gerechtigkeit, die noch in ſo vielen Laͤndern die Barbarei eines unbekannten, undeutſchen, unvolksthuͤmlichen und daher rechtlo¬ ſen Rechts taͤglich verewigen und die daher ſeit alter Zeit eine pedantiſch gelehrte Kaſte bilden, welche, wie alles Kaſtenweſen, der freien Bil¬ dung und ſchoͤnen Humanitaͤt ſchnurſtracks entge¬ genlaͤuft, — die Aerzte, welche ebenfalls ihre Wiſſenſchaft und ihr ganzes Treiben vor den Au¬ gen der gebildeten Nation verbergen und ſich in den Nimbus einer Kunſt huͤllen, die an unſern eigenen Leibern experimentirt und taſtet — die Schulmaͤnner, die ſich noch immer nicht ent¬ ſchließen koͤnnen, ihre Perruͤcke abzulegen und deutſche Juͤnglinge ſtatt Latiniſten und Graͤziſiſten fuͤrs Leben heranzubilden — die Theologen — kurz alle Aemter, die als ſogenannte Brodſtudien auf unſern Univerſitaͤten in eigenen abgeſchloſſenen Dis¬ ziplinen gelehrt werden, wie wenig entſprechen ſie im Ganzen, Großen, wie im Einzelnen dem rei¬

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/29>, abgerufen am 19.04.2024.