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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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gen der Politik, des todten Mechanismus des
Staats, den Unsinn der Gesetze, wie denn jene
Worte sich wie Brandmarken an den bei aller
Fülle von Gesetzen gesetzlosen Zustand Deutschlands
anheften, die Mephistopheles im Faust zum Schü¬
ler spricht:

Es erben sich Gesetz und Rechte
Wie eine arge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage;
Weh Dir, daß Du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider nie die Frage.

Allein, wie Sie wissen, war es Goethe nicht vor¬
behalten, in der Politik diesen lyrisch-scharfen
Charakter durchzuführen. Es lag vielleicht in sei¬
ner Natur, die mehr zum Aristokratischen und
Vornehmen, als zum Demokratischen sich hin¬
neigte, vielleicht in dem äußern Lauf seines Le¬
bens, in der günstigen Aufnahme, die er am Hofe
zu Weimar fand, in der Freundschaft, die er mit
dem Herzog und der herzoglichen Familie pflegte,
in einem geheimen zarten Liebesverhältniß, worin
er zu einer Prinzessin stand, in seiner spätern
Stellung als Minister, vielleicht in allem diesem

gen der Politik, des todten Mechanismus des
Staats, den Unſinn der Geſetze, wie denn jene
Worte ſich wie Brandmarken an den bei aller
Fuͤlle von Geſetzen geſetzloſen Zuſtand Deutſchlands
anheften, die Mephiſtopheles im Fauſt zum Schuͤ¬
ler ſpricht:

Es erben ſich Geſetz und Rechte
Wie eine arge Krankheit fort;
Sie ſchleppen von Geſchlecht ſich zum Geſchlechte
Und ruͤcken ſacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unſinn, Wohlthat Plage;
Weh Dir, daß Du ein Enkel biſt!
Vom Rechte, das mit uns geboren iſt,
Von dem iſt leider nie die Frage.

Allein, wie Sie wiſſen, war es Goethe nicht vor¬
behalten, in der Politik dieſen lyriſch-ſcharfen
Charakter durchzufuͤhren. Es lag vielleicht in ſei¬
ner Natur, die mehr zum Ariſtokratiſchen und
Vornehmen, als zum Demokratiſchen ſich hin¬
neigte, vielleicht in dem aͤußern Lauf ſeines Le¬
bens, in der guͤnſtigen Aufnahme, die er am Hofe
zu Weimar fand, in der Freundſchaft, die er mit
dem Herzog und der herzoglichen Familie pflegte,
in einem geheimen zarten Liebesverhaͤltniß, worin
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[271/0285] gen der Politik, des todten Mechanismus des Staats, den Unſinn der Geſetze, wie denn jene Worte ſich wie Brandmarken an den bei aller Fuͤlle von Geſetzen geſetzloſen Zuſtand Deutſchlands anheften, die Mephiſtopheles im Fauſt zum Schuͤ¬ ler ſpricht: Es erben ſich Geſetz und Rechte Wie eine arge Krankheit fort; Sie ſchleppen von Geſchlecht ſich zum Geſchlechte Und ruͤcken ſacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unſinn, Wohlthat Plage; Weh Dir, daß Du ein Enkel biſt! Vom Rechte, das mit uns geboren iſt, Von dem iſt leider nie die Frage. Allein, wie Sie wiſſen, war es Goethe nicht vor¬ behalten, in der Politik dieſen lyriſch-ſcharfen Charakter durchzufuͤhren. Es lag vielleicht in ſei¬ ner Natur, die mehr zum Ariſtokratiſchen und Vornehmen, als zum Demokratiſchen ſich hin¬ neigte, vielleicht in dem aͤußern Lauf ſeines Le¬ bens, in der guͤnſtigen Aufnahme, die er am Hofe zu Weimar fand, in der Freundſchaft, die er mit dem Herzog und der herzoglichen Familie pflegte, in einem geheimen zarten Liebesverhaͤltniß, worin er zu einer Prinzeſſin ſtand, in ſeiner ſpaͤtern Stellung als Miniſter, vielleicht in allem dieſem

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/285>, abgerufen am 02.05.2024.