und nach hörbar und fühlbar machen kann. Die hieraus entspringende Regel nehmen sich auch die Dichter der Operntexte zu nutz, wenn sie darauf ausgehen, den Gedanken so wortreich als möglich auszuspinnen und die längsten und geschmeidigsten Worte den energisch kurzen vorziehen. Man hat den Komponisten vorgeworfen, daß ihnen die schlechteste Musik die beste wäre; aber sie ist ihnen nicht deswegen die liebste, weil sie schlecht ist, son¬ dern weil die schlechte nicht gedrängt und gepreßt zu sein pflegt. Sie sind oft genöthigt, ein Wort, eine Sylbe ein Halbdutzendmal zu wiederholen, um den entsprechenden musikalischen Eindruck zu machen. Dennoch scheint die Verbindung der Musik mit der Poesie die älteste und ursprünglichste zu sein, die Trennung eine spätere. Die Regeln des Versbaues gründen sich alle auf Harmonie, alle musikalischen Abwechselungen, Pausen sind auch in der Sprache der Poesie denkbar. So waren die ältesten Dichter zugleich auch Sän¬ ger, die älteste Poesie zugleich Musik. Wenn es heißt, daß Orpheus Leier den Marmor schmolz und Ströme in ihrem Lauf hemmte, wenn Amphion Theben baute, so wurden unter den Tönen der Leier nicht bloße musikalische Laute, noch bloße Worte, sondern der wunderbare Einklang von Poesie und Musik verstanden.
und nach hoͤrbar und fuͤhlbar machen kann. Die hieraus entſpringende Regel nehmen ſich auch die Dichter der Operntexte zu nutz, wenn ſie darauf ausgehen, den Gedanken ſo wortreich als moͤglich auszuſpinnen und die laͤngſten und geſchmeidigſten Worte den energiſch kurzen vorziehen. Man hat den Komponiſten vorgeworfen, daß ihnen die ſchlechteſte Muſik die beſte waͤre; aber ſie iſt ihnen nicht deswegen die liebſte, weil ſie ſchlecht iſt, ſon¬ dern weil die ſchlechte nicht gedraͤngt und gepreßt zu ſein pflegt. Sie ſind oft genoͤthigt, ein Wort, eine Sylbe ein Halbdutzendmal zu wiederholen, um den entſprechenden muſikaliſchen Eindruck zu machen. Dennoch ſcheint die Verbindung der Muſik mit der Poeſie die aͤlteſte und urſpruͤnglichſte zu ſein, die Trennung eine ſpaͤtere. Die Regeln des Versbaues gruͤnden ſich alle auf Harmonie, alle muſikaliſchen Abwechſelungen, Pauſen ſind auch in der Sprache der Poeſie denkbar. So waren die aͤlteſten Dichter zugleich auch Saͤn¬ ger, die aͤlteſte Poeſie zugleich Muſik. Wenn es heißt, daß Orpheus Leier den Marmor ſchmolz und Stroͤme in ihrem Lauf hemmte, wenn Amphion Theben baute, ſo wurden unter den Toͤnen der Leier nicht bloße muſikaliſche Laute, noch bloße Worte, ſondern der wunderbare Einklang von Poeſie und Muſik verſtanden.
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Dichter der Operntexte zu nutz, wenn ſie darauf
ausgehen, den Gedanken ſo wortreich als moͤglich
auszuſpinnen und die laͤngſten und geſchmeidigſten
Worte den energiſch kurzen vorziehen. Man hat
den Komponiſten vorgeworfen, daß ihnen die
ſchlechteſte Muſik die beſte waͤre; aber ſie iſt ihnen
nicht deswegen die liebſte, weil ſie ſchlecht iſt, ſon¬
dern weil die ſchlechte nicht gedraͤngt und gepreßt
zu ſein pflegt. Sie ſind oft genoͤthigt, ein Wort,
eine Sylbe ein Halbdutzendmal zu wiederholen,
um den entſprechenden muſikaliſchen Eindruck zu
machen. Dennoch ſcheint die Verbindung der
Muſik mit der Poeſie die aͤlteſte und urſpruͤnglichſte
zu ſein, die Trennung eine ſpaͤtere. Die Regeln
des Versbaues gruͤnden ſich alle auf Harmonie,
alle muſikaliſchen Abwechſelungen, Pauſen
ſind auch in der Sprache der Poeſie denkbar.
So waren die aͤlteſten Dichter zugleich auch Saͤn¬
ger, die aͤlteſte Poeſie zugleich Muſik. Wenn es
heißt, daß Orpheus Leier den Marmor ſchmolz und
Stroͤme in ihrem Lauf hemmte, wenn Amphion
Theben baute, ſo wurden unter den Toͤnen der
Leier nicht bloße muſikaliſche Laute, noch bloße
Worte, ſondern der wunderbare Einklang von
Poeſie und Muſik verſtanden.
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/229>, abgerufen am 24.11.2024.
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