gewisse Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstan¬ des, welche nothwendiger Weise gefällt, sofern sie ohne Vorstellung eines Zweckes wahrgenommen wird, eine Definition, die so einseitig als falsch ist, da die Zweckmäßigkeit, das ist, das Treffen des Mittels zum Zweck, wie schon bemerkt, we¬ der an sich die Schönheit ist, da es sehr viele zweckmäßig häßliche Erscheinungen gibt, noch über¬ haupt schön genannt werden kann, indem sie nur in dem Bedürftigen der Natur ihren Sitz hat. Betrachtet man mit physiologischen Augen das Innere des menschlichen Leibes, so erscheint uns darin Alles durch die Verhältnisse von Zweck und Mittel geordnet, was aber durchaus keine ästhe¬ tische Betrachtungsweise zuläßt. Zweck und Mit¬ tel sind dort in stetigem Uebergang in einander und zwar allerdings auf die künstlichste Weise, die auch nichts von der Willkühr unserer Künsteleien hat, sondern die Nothwendigkeit einer höhern Kunst. Allein Alles dieses hat die Natur unsern Augen wohlthätig verborgen, und wir drängen uns, um unsere Kenntnisse zu bereichern, in ihre in¬ nere Werkstätte. Nicht den Prozeß ihrer Thätig¬ keit, etwas viel Schöneres führt sie uns vor Au¬ gen, das Produkt derselben, in welchem alle ihre inneren Anstalten ihr Ziel erreicht haben, vollen¬ det erscheinen, bei welchem man also gar nicht
gewiſſe Form der Zweckmaͤßigkeit eines Gegenſtan¬ des, welche nothwendiger Weiſe gefaͤllt, ſofern ſie ohne Vorſtellung eines Zweckes wahrgenommen wird, eine Definition, die ſo einſeitig als falſch iſt, da die Zweckmaͤßigkeit, das iſt, das Treffen des Mittels zum Zweck, wie ſchon bemerkt, we¬ der an ſich die Schoͤnheit iſt, da es ſehr viele zweckmaͤßig haͤßliche Erſcheinungen gibt, noch uͤber¬ haupt ſchoͤn genannt werden kann, indem ſie nur in dem Beduͤrftigen der Natur ihren Sitz hat. Betrachtet man mit phyſiologiſchen Augen das Innere des menſchlichen Leibes, ſo erſcheint uns darin Alles durch die Verhaͤltniſſe von Zweck und Mittel geordnet, was aber durchaus keine aͤſthe¬ tiſche Betrachtungsweiſe zulaͤßt. Zweck und Mit¬ tel ſind dort in ſtetigem Uebergang in einander und zwar allerdings auf die kuͤnſtlichſte Weiſe, die auch nichts von der Willkuͤhr unſerer Kuͤnſteleien hat, ſondern die Nothwendigkeit einer hoͤhern Kunſt. Allein Alles dieſes hat die Natur unſern Augen wohlthaͤtig verborgen, und wir draͤngen uns, um unſere Kenntniſſe zu bereichern, in ihre in¬ nere Werkſtaͤtte. Nicht den Prozeß ihrer Thaͤtig¬ keit, etwas viel Schoͤneres fuͤhrt ſie uns vor Au¬ gen, das Produkt derſelben, in welchem alle ihre inneren Anſtalten ihr Ziel erreicht haben, vollen¬ det erſcheinen, bei welchem man alſo gar nicht
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gewiſſe Form der Zweckmaͤßigkeit eines Gegenſtan¬
des, welche nothwendiger Weiſe gefaͤllt, ſofern ſie
ohne Vorſtellung eines Zweckes wahrgenommen
wird, eine Definition, die ſo einſeitig als falſch
iſt, da die Zweckmaͤßigkeit, das iſt, das Treffen
des Mittels zum Zweck, wie ſchon bemerkt, we¬
der an ſich die Schoͤnheit iſt, da es ſehr viele
zweckmaͤßig haͤßliche Erſcheinungen gibt, noch uͤber¬
haupt ſchoͤn genannt werden kann, indem ſie nur
in dem Beduͤrftigen der Natur ihren Sitz hat.
Betrachtet man mit phyſiologiſchen Augen das
Innere des menſchlichen Leibes, ſo erſcheint uns
darin Alles durch die Verhaͤltniſſe von Zweck und
Mittel geordnet, was aber durchaus keine aͤſthe¬
tiſche Betrachtungsweiſe zulaͤßt. Zweck und Mit¬
tel ſind dort in ſtetigem Uebergang in einander
und zwar allerdings auf die kuͤnſtlichſte Weiſe, die
auch nichts von der Willkuͤhr unſerer Kuͤnſteleien
hat, ſondern die Nothwendigkeit einer hoͤhern
Kunſt. Allein Alles dieſes hat die Natur unſern
Augen wohlthaͤtig verborgen, und wir draͤngen uns,
um unſere Kenntniſſe zu bereichern, in ihre in¬
nere Werkſtaͤtte. Nicht den Prozeß ihrer Thaͤtig¬
keit, etwas viel Schoͤneres fuͤhrt ſie uns vor Au¬
gen, das Produkt derſelben, in welchem alle ihre
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/168>, abgerufen am 22.11.2024.
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