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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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auszuhecken, das Nichts und doch Alles in sich
faßt. Nichts zu denken, war grade die höchste
Aufgabe der Yogalehre.

In der Vertiefung der Mensch muß so vertiefen,
sinnentfremdet sich,

Tilgend jeder Begier Streben, von Eigenwillens Sucht
erzeugt,

Der Sinne Inbegriff bändigend mit dem Gemüthe ganz
und gar,

So strebend nach und nach ruh' er, im Geist gewinnend
Stätigkeit,

Auf sich selbst das Gemüth heftend und irgend etwas
denkend nicht --

So lauten Krischnas Worte in der Bagavad¬
gita. Weitere Vorschriften und Züge stellt Wil¬
helm Humbold aus indischen Schriften zusam¬
men: der Fromme soll in einer menschenleeren
reinen Gegend einen nicht zu hohen, nicht zu nie¬
drigen, mit Thierfellen bedeckten Sitz haben, Hals
und Nacken unbewegt, den Körper im Gleichge¬
wicht halten, den Odem hoch in das Haupt zu¬
rückziehen und gleichmäßig durch die Nasenlöcher
aus- und einhauchen, nirgends umherblickend, seine
Augen gegen die Mitte der Augenbrauen und die
Spitze der Nase richten, und die berühmte Sylbe
Om! aussprechen. -- Zu solchem unschönem,
unnatürlichem, stumpfem und dumpfem Zustande
führte auf gradem Wege das Prinzip, das der

auszuhecken, das Nichts und doch Alles in ſich
faßt. Nichts zu denken, war grade die hoͤchſte
Aufgabe der Yogalehre.

In der Vertiefung der Menſch muß ſo vertiefen,
ſinnentfremdet ſich,

Tilgend jeder Begier Streben, von Eigenwillens Sucht
erzeugt,

Der Sinne Inbegriff baͤndigend mit dem Gemuͤthe ganz
und gar,

So ſtrebend nach und nach ruh' er, im Geiſt gewinnend
Staͤtigkeit,

Auf ſich ſelbſt das Gemuͤth heftend und irgend etwas
denkend nicht —

So lauten Kriſchnas Worte in der Bagavad¬
gita. Weitere Vorſchriften und Zuͤge ſtellt Wil¬
helm Humbold aus indiſchen Schriften zuſam¬
men: der Fromme ſoll in einer menſchenleeren
reinen Gegend einen nicht zu hohen, nicht zu nie¬
drigen, mit Thierfellen bedeckten Sitz haben, Hals
und Nacken unbewegt, den Koͤrper im Gleichge¬
wicht halten, den Odem hoch in das Haupt zu¬
ruͤckziehen und gleichmaͤßig durch die Naſenloͤcher
aus- und einhauchen, nirgends umherblickend, ſeine
Augen gegen die Mitte der Augenbrauen und die
Spitze der Naſe richten, und die beruͤhmte Sylbe
Om! ausſprechen. — Zu ſolchem unſchoͤnem,
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[92/0106] auszuhecken, das Nichts und doch Alles in ſich faßt. Nichts zu denken, war grade die hoͤchſte Aufgabe der Yogalehre. In der Vertiefung der Menſch muß ſo vertiefen, ſinnentfremdet ſich, Tilgend jeder Begier Streben, von Eigenwillens Sucht erzeugt, Der Sinne Inbegriff baͤndigend mit dem Gemuͤthe ganz und gar, So ſtrebend nach und nach ruh' er, im Geiſt gewinnend Staͤtigkeit, Auf ſich ſelbſt das Gemuͤth heftend und irgend etwas denkend nicht — So lauten Kriſchnas Worte in der Bagavad¬ gita. Weitere Vorſchriften und Zuͤge ſtellt Wil¬ helm Humbold aus indiſchen Schriften zuſam¬ men: der Fromme ſoll in einer menſchenleeren reinen Gegend einen nicht zu hohen, nicht zu nie¬ drigen, mit Thierfellen bedeckten Sitz haben, Hals und Nacken unbewegt, den Koͤrper im Gleichge¬ wicht halten, den Odem hoch in das Haupt zu¬ ruͤckziehen und gleichmaͤßig durch die Naſenloͤcher aus- und einhauchen, nirgends umherblickend, ſeine Augen gegen die Mitte der Augenbrauen und die Spitze der Naſe richten, und die beruͤhmte Sylbe Om! ausſprechen. — Zu ſolchem unſchoͤnem, unnatuͤrlichem, ſtumpfem und dumpfem Zuſtande fuͤhrte auf gradem Wege das Prinzip, das der

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/106>, abgerufen am 24.11.2024.