Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.48. Und als er ihn auf einen zug geleert,Ists ihm, als ob mit wollustvoller hitze Ein neuer lebensgeist durch alle adern blitze. Er fühlt sich wieder so frisch, so stark und unversehrt, Als wie er war, da er, in seinen besten jahren, Mit seinem ersten herrn zum heil'gen grab gefahren. Voll ehrfurcht und vertraun fällt er dem schönen zwerg Zu fuß; nun, ruft er, steht mein glaube wie ein berg! 49. Drauf spricht der Geist mit ernstem blick zum Ritter:Mir ist der auftrag wohl bekannt, Womit dich Karl nach Babylon gesandt. Du siehst, was für ein ungewitter Er dir bereitet hat; sein groll verlangt dein blut. Allein, was du mit glauben und mit mut Begonnen hast, das helf ich dir vollenden; Da, Hüon, nimm dies horn aus meinen händen. 50. Ertönt mit lieblichem ton von einem sanften hauchSein schneckengleich gewundner bauch, Und dräuten dir mit schwert und lanzen Zehntausend mann, sie fangen an zu tanzen, Und tanzen ohne rast im wirbel, wie du hier Ein beyspiel sahst, bis sie zu boden fallen: Doch, lässest du's mit macht erschallen, So ists ein ruf, und ich erscheine dir. 51. Dann
48. Und als er ihn auf einen zug geleert,Iſts ihm, als ob mit wolluſtvoller hitze Ein neuer lebensgeiſt durch alle adern blitze. Er fuͤhlt ſich wieder ſo friſch, ſo ſtark und unverſehrt, Als wie er war, da er, in ſeinen beſten jahren, Mit ſeinem erſten herrn zum heil'gen grab gefahren. Voll ehrfurcht und vertraun faͤllt er dem ſchoͤnen zwerg Zu fuß; nun, ruft er, ſteht mein glaube wie ein berg! 49. Drauf ſpricht der Geiſt mit ernſtem blick zum Ritter:Mir iſt der auftrag wohl bekannt, Womit dich Karl nach Babylon geſandt. Du ſiehſt, was fuͤr ein ungewitter Er dir bereitet hat; ſein groll verlangt dein blut. Allein, was du mit glauben und mit mut Begonnen haſt, das helf ich dir vollenden; Da, Huͤon, nimm dies horn aus meinen haͤnden. 50. Ertoͤnt mit lieblichem ton von einem ſanften hauchSein ſchneckengleich gewundner bauch, Und draͤuten dir mit ſchwert und lanzen Zehntauſend mann, ſie fangen an zu tanzen, Und tanzen ohne raſt im wirbel, wie du hier Ein beyſpiel ſahſt, bis ſie zu boden fallen: Doch, laͤſſeſt du's mit macht erſchallen, So iſts ein ruf, und ich erſcheine dir. 51. Dann
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0050"/> <lg n="48"> <head> <hi rendition="#c">48.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">U</hi>nd als er ihn auf einen zug geleert,</l><lb/> <l>Iſts ihm, als ob mit wolluſtvoller hitze</l><lb/> <l>Ein neuer lebensgeiſt durch alle adern blitze.</l><lb/> <l>Er fuͤhlt ſich wieder ſo friſch, ſo ſtark und unverſehrt,</l><lb/> <l>Als wie er war, da er, in ſeinen beſten jahren,</l><lb/> <l>Mit ſeinem erſten herrn zum heil'gen grab gefahren.</l><lb/> <l>Voll ehrfurcht und vertraun faͤllt er dem ſchoͤnen zwerg</l><lb/> <l>Zu fuß; nun, ruft er, ſteht mein glaube wie ein berg!</l> </lg><lb/> <lg n="49"> <head> <hi rendition="#c">49.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>rauf ſpricht der Geiſt mit ernſtem blick zum Ritter:</l><lb/> <l>Mir iſt der auftrag wohl bekannt,</l><lb/> <l>Womit dich Karl nach Babylon geſandt.</l><lb/> <l>Du ſiehſt, was fuͤr ein ungewitter</l><lb/> <l>Er dir bereitet hat; ſein groll verlangt dein blut.</l><lb/> <l>Allein, was du mit glauben und mit mut</l><lb/> <l>Begonnen haſt, das helf ich dir vollenden;</l><lb/> <l>Da, Huͤon, nimm dies horn aus meinen haͤnden.</l> </lg><lb/> <lg n="50"> <head> <hi rendition="#c">50.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">E</hi>rtoͤnt mit lieblichem ton von einem ſanften hauch</l><lb/> <l>Sein ſchneckengleich gewundner bauch,</l><lb/> <l>Und draͤuten dir mit ſchwert und lanzen</l><lb/> <l>Zehntauſend mann, ſie fangen an zu tanzen,</l><lb/> <l>Und tanzen ohne raſt im wirbel, wie du hier</l><lb/> <l>Ein beyſpiel ſahſt, bis ſie zu boden fallen:</l><lb/> <l>Doch, laͤſſeſt du's mit macht erſchallen,</l><lb/> <l>So iſts ein ruf, und ich erſcheine dir.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">51. Dann</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
48.
Und als er ihn auf einen zug geleert,
Iſts ihm, als ob mit wolluſtvoller hitze
Ein neuer lebensgeiſt durch alle adern blitze.
Er fuͤhlt ſich wieder ſo friſch, ſo ſtark und unverſehrt,
Als wie er war, da er, in ſeinen beſten jahren,
Mit ſeinem erſten herrn zum heil'gen grab gefahren.
Voll ehrfurcht und vertraun faͤllt er dem ſchoͤnen zwerg
Zu fuß; nun, ruft er, ſteht mein glaube wie ein berg!
49.
Drauf ſpricht der Geiſt mit ernſtem blick zum Ritter:
Mir iſt der auftrag wohl bekannt,
Womit dich Karl nach Babylon geſandt.
Du ſiehſt, was fuͤr ein ungewitter
Er dir bereitet hat; ſein groll verlangt dein blut.
Allein, was du mit glauben und mit mut
Begonnen haſt, das helf ich dir vollenden;
Da, Huͤon, nimm dies horn aus meinen haͤnden.
50.
Ertoͤnt mit lieblichem ton von einem ſanften hauch
Sein ſchneckengleich gewundner bauch,
Und draͤuten dir mit ſchwert und lanzen
Zehntauſend mann, ſie fangen an zu tanzen,
Und tanzen ohne raſt im wirbel, wie du hier
Ein beyſpiel ſahſt, bis ſie zu boden fallen:
Doch, laͤſſeſt du's mit macht erſchallen,
So iſts ein ruf, und ich erſcheine dir.
51. Dann
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |