Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.60. Der stolze sinkt zu seines gegners füßen,Und Hüon, mit gezücktem schwert, Dringt auf ihn ein. Entlade dein gewissen, Ruft er, wenn noch das leben einen werth In deinen augen hat. Gesteh es auf der stelle -- Bandit, schreyt Amory, indem er alle kraft Zum lezten stoß mit grimm zusammenraft, Nimm dies und folge mir zur hölle! 61. Zum glücke streift der stoß, mit ungewisser handVom boden auf geführt, durch eine schnelle wendung Die Hüon macht, nur an dem fleischichten rand Des linken arms; allein, der Ritter, in der blendung Des ersten zorns, vergißt, das Hohenblat, Um öffentlich vor Karln die wahrheit kund zu machen, Noch etwas athem nöthig hat, Und stößt sein breites schwert ihm wüthend in den rachen. 62. Der frefler speyt in wellen rother flutDie schwarze seele aus. Der sieger steht, entsündigt Und rein gewaschen in seines klägers blut, Vor allen augen da. Des herolds stimme verkündigt Es laut dem volk. Ein helles jubelgeschrey Schallt an die wolken. Die Ritter eilen herbey Das blut zu stillen, das an des panzers seiten Herab ihm quillt, und ihn zum Kayser zu begleiten. 63. Der B 4
60. Der ſtolze ſinkt zu ſeines gegners fuͤßen,Und Huͤon, mit gezuͤcktem ſchwert, Dringt auf ihn ein. Entlade dein gewiſſen, Ruft er, wenn noch das leben einen werth In deinen augen hat. Geſteh es auf der ſtelle — Bandit, ſchreyt Amory, indem er alle kraft Zum lezten ſtoß mit grimm zuſammenraft, Nimm dies und folge mir zur hoͤlle! 61. Zum gluͤcke ſtreift der ſtoß, mit ungewiſſer handVom boden auf gefuͤhrt, durch eine ſchnelle wendung Die Huͤon macht, nur an dem fleiſchichten rand Des linken arms; allein, der Ritter, in der blendung Des erſten zorns, vergißt, das Hohenblat, Um oͤffentlich vor Karln die wahrheit kund zu machen, Noch etwas athem noͤthig hat, Und ſtoͤßt ſein breites ſchwert ihm wuͤthend in den rachen. 62. Der frefler ſpeyt in wellen rother flutDie ſchwarze ſeele aus. Der ſieger ſteht, entſuͤndigt Und rein gewaſchen in ſeines klaͤgers blut, Vor allen augen da. Des herolds ſtimme verkuͤndigt Es laut dem volk. Ein helles jubelgeſchrey Schallt an die wolken. Die Ritter eilen herbey Das blut zu ſtillen, das an des panzers ſeiten Herab ihm quillt, und ihn zum Kayſer zu begleiten. 63. Der B 4
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60.
Der ſtolze ſinkt zu ſeines gegners fuͤßen,
Und Huͤon, mit gezuͤcktem ſchwert,
Dringt auf ihn ein. Entlade dein gewiſſen,
Ruft er, wenn noch das leben einen werth
In deinen augen hat. Geſteh es auf der ſtelle —
Bandit, ſchreyt Amory, indem er alle kraft
Zum lezten ſtoß mit grimm zuſammenraft,
Nimm dies und folge mir zur hoͤlle!
61.
Zum gluͤcke ſtreift der ſtoß, mit ungewiſſer hand
Vom boden auf gefuͤhrt, durch eine ſchnelle wendung
Die Huͤon macht, nur an dem fleiſchichten rand
Des linken arms; allein, der Ritter, in der blendung
Des erſten zorns, vergißt, das Hohenblat,
Um oͤffentlich vor Karln die wahrheit kund zu machen,
Noch etwas athem noͤthig hat,
Und ſtoͤßt ſein breites ſchwert ihm wuͤthend in den rachen.
62.
Der frefler ſpeyt in wellen rother flut
Die ſchwarze ſeele aus. Der ſieger ſteht, entſuͤndigt
Und rein gewaſchen in ſeines klaͤgers blut,
Vor allen augen da. Des herolds ſtimme verkuͤndigt
Es laut dem volk. Ein helles jubelgeſchrey
Schallt an die wolken. Die Ritter eilen herbey
Das blut zu ſtillen, das an des panzers ſeiten
Herab ihm quillt, und ihn zum Kayſer zu begleiten.
63. Der
B 4
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