Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.53. Beym eintritt werden sie mit sang und klang empfangen,Aus saiten und gesang ertönt der freude geist: Und Hassan sezt, wie ihm's die Dame heißt, Ihr gegenüber sich. Erröthendes verlangen Und schöne ungeduld bekennet, furchtsamdreist, In ihrem schwimmenden blik, auf ihren glühenden wangen, Ihm seinen sieg: Allein, aus seinen augen bricht Wie aus gewölk ein traurigdüstres licht. 54. Zwar irrt, nicht blöde mehr, sein blik von freyen stückenAuf ihren reizungen umher; Doch nicht aus Liebe, nicht mit schmachtendem entzücken, Nicht, wie sie wünscht, vom thau wollüst'ger thränen schwer. Er ist zerstreut, er scheint sie zu vergleichen, Und jeder reiz, der ihm nachstellend sich enthüllt, Mahlt nur lebendiger Amandens edles bild, Und muß, beschämt, den keuschen reizen weichen. 55. Vergebens reicht sie ihm den blinkenden pocalMit einem blik, der Amors ganzen köcher In seinen busen schießt. Beym frohsten Göttermahl Reicht ihrem Herkules den vollen Nektarbecher Mit süßerm lächeln selbst die junge Hebe nicht. Umsonst! Mit frostigem gesicht Nimmt er den becher an, den kaum ihr mund berührte, Und trinkt, als ob er gift auf seiner zunge spürte. 56. Die
53. Beym eintritt werden ſie mit ſang und klang empfangen,Aus ſaiten und geſang ertoͤnt der freude geiſt: Und Haſſan ſezt, wie ihm's die Dame heißt, Ihr gegenuͤber ſich. Erroͤthendes verlangen Und ſchoͤne ungeduld bekennet, furchtſamdreiſt, In ihrem ſchwimmenden blik, auf ihren gluͤhenden wangen, Ihm ſeinen ſieg: Allein, aus ſeinen augen bricht Wie aus gewoͤlk ein traurigduͤſtres licht. 54. Zwar irrt, nicht bloͤde mehr, ſein blik von freyen ſtuͤckenAuf ihren reizungen umher; Doch nicht aus Liebe, nicht mit ſchmachtendem entzuͤcken, Nicht, wie ſie wuͤnſcht, vom thau wolluͤſt'ger thraͤnen ſchwer. Er iſt zerſtreut, er ſcheint ſie zu vergleichen, Und jeder reiz, der ihm nachſtellend ſich enthuͤllt, Mahlt nur lebendiger Amandens edles bild, Und muß, beſchaͤmt, den keuſchen reizen weichen. 55. Vergebens reicht ſie ihm den blinkenden pocalMit einem blik, der Amors ganzen koͤcher In ſeinen buſen ſchießt. Beym frohſten Goͤttermahl Reicht ihrem Herkules den vollen Nektarbecher Mit ſuͤßerm laͤcheln ſelbſt die junge Hebe nicht. Umſonſt! Mit froſtigem geſicht Nimmt er den becher an, den kaum ihr mund beruͤhrte, Und trinkt, als ob er gift auf ſeiner zunge ſpuͤrte. 56. Die
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53.
Beym eintritt werden ſie mit ſang und klang empfangen,
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Und Haſſan ſezt, wie ihm's die Dame heißt,
Ihr gegenuͤber ſich. Erroͤthendes verlangen
Und ſchoͤne ungeduld bekennet, furchtſamdreiſt,
In ihrem ſchwimmenden blik, auf ihren gluͤhenden wangen,
Ihm ſeinen ſieg: Allein, aus ſeinen augen bricht
Wie aus gewoͤlk ein traurigduͤſtres licht.
54.
Zwar irrt, nicht bloͤde mehr, ſein blik von freyen ſtuͤcken
Auf ihren reizungen umher;
Doch nicht aus Liebe, nicht mit ſchmachtendem entzuͤcken,
Nicht, wie ſie wuͤnſcht, vom thau wolluͤſt'ger thraͤnen ſchwer.
Er iſt zerſtreut, er ſcheint ſie zu vergleichen,
Und jeder reiz, der ihm nachſtellend ſich enthuͤllt,
Mahlt nur lebendiger Amandens edles bild,
Und muß, beſchaͤmt, den keuſchen reizen weichen.
55.
Vergebens reicht ſie ihm den blinkenden pocal
Mit einem blik, der Amors ganzen koͤcher
In ſeinen buſen ſchießt. Beym frohſten Goͤttermahl
Reicht ihrem Herkules den vollen Nektarbecher
Mit ſuͤßerm laͤcheln ſelbſt die junge Hebe nicht.
Umſonſt! Mit froſtigem geſicht
Nimmt er den becher an, den kaum ihr mund beruͤhrte,
Und trinkt, als ob er gift auf ſeiner zunge ſpuͤrte.
56. Die
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