Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.14. Er hatte (spricht er) bloß es ihr zu überreichenDie zeit versäumt, die allen seinesgleichen Die gärten schließt. Hat er zuviel gethan, So mag sein kopf den raschen eifer büßen. Allein die Göttin scheint in einen mildern plan Vertieft, indeß zu ihren füßen Der schöne Frefler liegt. Sie sieht ihn gütig an, Und scheint mit mühe sich zum fortgehn zu entschließen. 15. Den schönsten Jüngling, den sie jemals sah -- und schönWie Helden sind, mit kraft und würde -- fremde Der farbe nach -- in einem gärtnerhemde -- Dies schien ihr nicht natürlich zuzugehn. Gern hätte sie mit ihm sich näher eingelassen, Hielt nicht der strenge zwang des wohlstands sie zurük. Sie winkt ihm endlich weg; doch scheint ein Seitenblik, Der ihn begleitet, viel, sehr viel in sich zu fassen. 16. Sie schreitet langsam fort, stillschweigend, dreht sogarDen schönen hals, ihm hinten nach zu sehen, Und zürnt, daß er dem wink so schnell gehorsam war. War er, den blik, der ihn erklärte, zu verstehen, Zu blöde? Fehlt's vielleicht der reizenden gestalt An seele? Trügt das ungeduld'ge feuer In seinem blik? Macht die gefahr ihn kalt? Wie, oder sucht' er hier ein Anders abenteuer? 17. Ein R 4
14. Er hatte (ſpricht er) bloß es ihr zu uͤberreichenDie zeit verſaͤumt, die allen ſeinesgleichen Die gaͤrten ſchließt. Hat er zuviel gethan, So mag ſein kopf den raſchen eifer buͤßen. Allein die Goͤttin ſcheint in einen mildern plan Vertieft, indeß zu ihren fuͤßen Der ſchoͤne Frefler liegt. Sie ſieht ihn guͤtig an, Und ſcheint mit muͤhe ſich zum fortgehn zu entſchließen. 15. Den ſchoͤnſten Juͤngling, den ſie jemals ſah — und ſchoͤnWie Helden ſind, mit kraft und wuͤrde — fremde Der farbe nach — in einem gaͤrtnerhemde — Dies ſchien ihr nicht natuͤrlich zuzugehn. Gern haͤtte ſie mit ihm ſich naͤher eingelaſſen, Hielt nicht der ſtrenge zwang des wohlſtands ſie zuruͤk. Sie winkt ihm endlich weg; doch ſcheint ein Seitenblik, Der ihn begleitet, viel, ſehr viel in ſich zu faſſen. 16. Sie ſchreitet langſam fort, ſtillſchweigend, dreht ſogarDen ſchoͤnen hals, ihm hinten nach zu ſehen, Und zuͤrnt, daß er dem wink ſo ſchnell gehorſam war. War er, den blik, der ihn erklaͤrte, zu verſtehen, Zu bloͤde? Fehlt's vielleicht der reizenden geſtalt An ſeele? Truͤgt das ungeduld'ge feuer In ſeinem blik? Macht die gefahr ihn kalt? Wie, oder ſucht' er hier ein Anders abenteuer? 17. Ein R 4
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14.
Er hatte (ſpricht er) bloß es ihr zu uͤberreichen
Die zeit verſaͤumt, die allen ſeinesgleichen
Die gaͤrten ſchließt. Hat er zuviel gethan,
So mag ſein kopf den raſchen eifer buͤßen.
Allein die Goͤttin ſcheint in einen mildern plan
Vertieft, indeß zu ihren fuͤßen
Der ſchoͤne Frefler liegt. Sie ſieht ihn guͤtig an,
Und ſcheint mit muͤhe ſich zum fortgehn zu entſchließen.
15.
Den ſchoͤnſten Juͤngling, den ſie jemals ſah — und ſchoͤn
Wie Helden ſind, mit kraft und wuͤrde — fremde
Der farbe nach — in einem gaͤrtnerhemde —
Dies ſchien ihr nicht natuͤrlich zuzugehn.
Gern haͤtte ſie mit ihm ſich naͤher eingelaſſen,
Hielt nicht der ſtrenge zwang des wohlſtands ſie zuruͤk.
Sie winkt ihm endlich weg; doch ſcheint ein Seitenblik,
Der ihn begleitet, viel, ſehr viel in ſich zu faſſen.
16.
Sie ſchreitet langſam fort, ſtillſchweigend, dreht ſogar
Den ſchoͤnen hals, ihm hinten nach zu ſehen,
Und zuͤrnt, daß er dem wink ſo ſchnell gehorſam war.
War er, den blik, der ihn erklaͤrte, zu verſtehen,
Zu bloͤde? Fehlt's vielleicht der reizenden geſtalt
An ſeele? Truͤgt das ungeduld'ge feuer
In ſeinem blik? Macht die gefahr ihn kalt?
Wie, oder ſucht' er hier ein Anders abenteuer?
17. Ein
R 4
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