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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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56.
Im spiegel seiner eignen jugend
Sieht er nur allzugut was beyde nicht mehr sahn;
Sieht, einer Motte gleich, die unerfahrne tugend,
Sich ahnunglos der schönen flamme nahn:
Wie lieblich zieht der glanz, die sanfte wärme an!
Durch ihre unschuld selbst betrogen
Umtaumelt sie das licht in immer kleinern bogen,
Und plözlich ach! verbrennt sie ihre flügel dran.
57.
In dieser noth läßt der getreue Alte,
Mit Fatmen ingeheim zu diesem zwek vereint,
Nichts unversucht, was ihm ein mittel scheint,
Daß wenigstens bis Rom des Ritters weisheit halte;
Ihm fällt bald dies bald jenes ein,
Sie zu beschäftigen, zu stören, zu zerstreun;
Zulezt schlägt er, da alle mittel fehlen,
Zur abendkürzung vor, ein mährchen zu erzählen.
58.
Ein Mährchen nennt' er es, wiewohl es freylich mehr
Als mährchen war. Ihm hatt' es ein Calender
Zu Basra einst erzählt, als er die Morgenländer
Nach seines Herren tod durchirrte, lang vorher
Eh in die kluft des Libans aus den wogen
Der stürmevollen welt er sich zurükgezogen:
Und da es izt in ihm gar lebhaft sich erneut,
Glaubt er, es sey vielleicht ein wort zu rechter zeit.
Obe-
56.
Im ſpiegel ſeiner eignen jugend
Sieht er nur allzugut was beyde nicht mehr ſahn;
Sieht, einer Motte gleich, die unerfahrne tugend,
Sich ahnunglos der ſchoͤnen flamme nahn:
Wie lieblich zieht der glanz, die ſanfte waͤrme an!
Durch ihre unſchuld ſelbſt betrogen
Umtaumelt ſie das licht in immer kleinern bogen,
Und ploͤzlich ach! verbrennt ſie ihre fluͤgel dran.
57.
In dieſer noth laͤßt der getreue Alte,
Mit Fatmen ingeheim zu dieſem zwek vereint,
Nichts unverſucht, was ihm ein mittel ſcheint,
Daß wenigſtens bis Rom des Ritters weisheit halte;
Ihm faͤllt bald dies bald jenes ein,
Sie zu beſchaͤftigen, zu ſtoͤren, zu zerſtreun;
Zulezt ſchlaͤgt er, da alle mittel fehlen,
Zur abendkuͤrzung vor, ein maͤhrchen zu erzaͤhlen.
58.
Ein Maͤhrchen nennt' er es, wiewohl es freylich mehr
Als maͤhrchen war. Ihm hatt' es ein Calender
Zu Baſra einſt erzaͤhlt, als er die Morgenlaͤnder
Nach ſeines Herren tod durchirrte, lang vorher
Eh in die kluft des Libans aus den wogen
Der ſtuͤrmevollen welt er ſich zuruͤkgezogen:
Und da es izt in ihm gar lebhaft ſich erneut,
Glaubt er, es ſey vielleicht ein wort zu rechter zeit.
Obe-
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[0138] 56. Im ſpiegel ſeiner eignen jugend Sieht er nur allzugut was beyde nicht mehr ſahn; Sieht, einer Motte gleich, die unerfahrne tugend, Sich ahnunglos der ſchoͤnen flamme nahn: Wie lieblich zieht der glanz, die ſanfte waͤrme an! Durch ihre unſchuld ſelbſt betrogen Umtaumelt ſie das licht in immer kleinern bogen, Und ploͤzlich ach! verbrennt ſie ihre fluͤgel dran. 57. In dieſer noth laͤßt der getreue Alte, Mit Fatmen ingeheim zu dieſem zwek vereint, Nichts unverſucht, was ihm ein mittel ſcheint, Daß wenigſtens bis Rom des Ritters weisheit halte; Ihm faͤllt bald dies bald jenes ein, Sie zu beſchaͤftigen, zu ſtoͤren, zu zerſtreun; Zulezt ſchlaͤgt er, da alle mittel fehlen, Zur abendkuͤrzung vor, ein maͤhrchen zu erzaͤhlen. 58. Ein Maͤhrchen nennt' er es, wiewohl es freylich mehr Als maͤhrchen war. Ihm hatt' es ein Calender Zu Baſra einſt erzaͤhlt, als er die Morgenlaͤnder Nach ſeines Herren tod durchirrte, lang vorher Eh in die kluft des Libans aus den wogen Der ſtuͤrmevollen welt er ſich zuruͤkgezogen: Und da es izt in ihm gar lebhaft ſich erneut, Glaubt er, es ſey vielleicht ein wort zu rechter zeit. Obe-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/138>, abgerufen am 21.11.2024.