Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
47.
Der Ritter, sie von dieser pest zu heilen,
Eilt was er kann (die Liebe hieß ihn eilen)
Sein bißchen Christenthum der Holden mitzutheilen.
An eifer gab er keinem Märtrer nach,
Er war an glauben stark, doch an erkenntniß schwach,
Und die Theologie war keineswegs sein fach;
Sein Pater und sein Credo, ohne glossen,
In diesen kreis war all sein wissen eingeschlossen.
48.
Doch was vielleicht an licht und gründlichkeit
Der lehre fehlt, ersezt des lehrers feuer;
Herr Hüon, standsgemäß ein feind von wörterstreit,
Handhabt das werk gleich einem abentheuer,
Und was er glaubt, beschwört er hoch und theuer,
Erbötig, dessen richtigkeit
Dem ganzen Heidenthum mit seinem blanken eisen
Zu wasser und zu land handgreiflich zu erweisen.
49.
Groß ist in des Geliebten mund
Der wahrheit kraft; das herz, voraus mit ihm in bund,
Horcht ihm mit lust und lehrbegiergem schweigen.
Was ist so leicht zu überzeugen
Als Liebe? Ein blik, ein kuß ist ihr ein glaubensgrund.
Die Schöne, ohne sich in fragen zu versteigen,
Glaubt ihrem Hüon nach, und macht in kurzer zeit
Ihr Kreuz an stirn und brust mit vieler fertigkeit.
50. Das
I
47.
Der Ritter, ſie von dieſer peſt zu heilen,
Eilt was er kann (die Liebe hieß ihn eilen)
Sein bißchen Chriſtenthum der Holden mitzutheilen.
An eifer gab er keinem Maͤrtrer nach,
Er war an glauben ſtark, doch an erkenntniß ſchwach,
Und die Theologie war keineswegs ſein fach;
Sein Pater und ſein Credo, ohne gloſſen,
In dieſen kreis war all ſein wiſſen eingeſchloſſen.
48.
Doch was vielleicht an licht und gruͤndlichkeit
Der lehre fehlt, erſezt des lehrers feuer;
Herr Huͤon, ſtandsgemaͤß ein feind von woͤrterſtreit,
Handhabt das werk gleich einem abentheuer,
Und was er glaubt, beſchwoͤrt er hoch und theuer,
Erboͤtig, deſſen richtigkeit
Dem ganzen Heidenthum mit ſeinem blanken eiſen
Zu waſſer und zu land handgreiflich zu erweiſen.
49.
Groß iſt in des Geliebten mund
Der wahrheit kraft; das herz, voraus mit ihm in bund,
Horcht ihm mit luſt und lehrbegiergem ſchweigen.
Was iſt ſo leicht zu uͤberzeugen
Als Liebe? Ein blik, ein kuß iſt ihr ein glaubensgrund.
Die Schoͤne, ohne ſich in fragen zu verſteigen,
Glaubt ihrem Huͤon nach, und macht in kurzer zeit
Ihr Kreuz an ſtirn und bruſt mit vieler fertigkeit.
50. Das
I
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0135"/>
            <lg n="47">
              <head> <hi rendition="#c">47.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">D</hi>er Ritter, &#x017F;ie von die&#x017F;er pe&#x017F;t zu heilen,</l><lb/>
              <l>Eilt was er kann (die Liebe hieß ihn eilen)</l><lb/>
              <l>Sein bißchen Chri&#x017F;tenthum der Holden mitzutheilen.</l><lb/>
              <l>An eifer gab er keinem Ma&#x0364;rtrer nach,</l><lb/>
              <l>Er war an glauben &#x017F;tark, doch an erkenntniß &#x017F;chwach,</l><lb/>
              <l>Und die Theologie war keineswegs &#x017F;ein fach;</l><lb/>
              <l>Sein Pater und &#x017F;ein Credo, ohne glo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>In die&#x017F;en kreis war all &#x017F;ein wi&#x017F;&#x017F;en einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="48">
              <head> <hi rendition="#c">48.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">D</hi>och was vielleicht an licht und gru&#x0364;ndlichkeit</l><lb/>
              <l>Der lehre fehlt, er&#x017F;ezt des lehrers feuer;</l><lb/>
              <l>Herr Hu&#x0364;on, &#x017F;tandsgema&#x0364;ß ein feind von wo&#x0364;rter&#x017F;treit,</l><lb/>
              <l>Handhabt das werk gleich einem abentheuer,</l><lb/>
              <l>Und was er glaubt, be&#x017F;chwo&#x0364;rt er hoch und theuer,</l><lb/>
              <l>Erbo&#x0364;tig, de&#x017F;&#x017F;en richtigkeit</l><lb/>
              <l>Dem ganzen Heidenthum mit &#x017F;einem blanken ei&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Zu wa&#x017F;&#x017F;er und zu land handgreiflich zu erwei&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="49">
              <head> <hi rendition="#c">49.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">G</hi>roß i&#x017F;t in des Geliebten mund</l><lb/>
              <l>Der wahrheit kraft; das herz, voraus mit ihm in bund,</l><lb/>
              <l>Horcht ihm mit lu&#x017F;t und lehrbegiergem &#x017F;chweigen.</l><lb/>
              <l>Was i&#x017F;t &#x017F;o leicht zu u&#x0364;berzeugen</l><lb/>
              <l>Als Liebe? Ein blik, ein kuß i&#x017F;t ihr ein glaubensgrund.</l><lb/>
              <l>Die Scho&#x0364;ne, ohne &#x017F;ich in fragen zu ver&#x017F;teigen,</l><lb/>
              <l>Glaubt ihrem Hu&#x0364;on nach, und macht in kurzer zeit</l><lb/>
              <l>Ihr Kreuz an &#x017F;tirn und bru&#x017F;t mit vieler fertigkeit.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">I</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">50. Das</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] 47. Der Ritter, ſie von dieſer peſt zu heilen, Eilt was er kann (die Liebe hieß ihn eilen) Sein bißchen Chriſtenthum der Holden mitzutheilen. An eifer gab er keinem Maͤrtrer nach, Er war an glauben ſtark, doch an erkenntniß ſchwach, Und die Theologie war keineswegs ſein fach; Sein Pater und ſein Credo, ohne gloſſen, In dieſen kreis war all ſein wiſſen eingeſchloſſen. 48. Doch was vielleicht an licht und gruͤndlichkeit Der lehre fehlt, erſezt des lehrers feuer; Herr Huͤon, ſtandsgemaͤß ein feind von woͤrterſtreit, Handhabt das werk gleich einem abentheuer, Und was er glaubt, beſchwoͤrt er hoch und theuer, Erboͤtig, deſſen richtigkeit Dem ganzen Heidenthum mit ſeinem blanken eiſen Zu waſſer und zu land handgreiflich zu erweiſen. 49. Groß iſt in des Geliebten mund Der wahrheit kraft; das herz, voraus mit ihm in bund, Horcht ihm mit luſt und lehrbegiergem ſchweigen. Was iſt ſo leicht zu uͤberzeugen Als Liebe? Ein blik, ein kuß iſt ihr ein glaubensgrund. Die Schoͤne, ohne ſich in fragen zu verſteigen, Glaubt ihrem Huͤon nach, und macht in kurzer zeit Ihr Kreuz an ſtirn und bruſt mit vieler fertigkeit. 50. Das I

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/135
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/135>, abgerufen am 21.11.2024.