Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.60. Kalif von Bagdad, spricht der RitterMit edelm stolz, laß alles schweigen hier, Und höre mich! Es liegt schon lange schwer auf mir, Karls auftrag und mein wort. Des Schicksals zwang ist bitter, Doch seiner oberherrlichkeit Sich zu entziehn, wo ist die macht auf erden? Was es zu thun, zu leiden uns gebeut, Das muß gethan, das muß gelitten werden. 61. Hier steh ich, Herr, ein Sterblicher wie du,Und steh allein, mein Wort, trotz allen deinen Wachen, Mit meinem Leben gut zu machen. Doch läßt die ehre mir noch einen antrag zu. Entschließe dich von Mahommed zu weichen, Erhöh das heilige Kreuz, das edle Christenzeichen, In Babylon, und nimm den wahren glauben an, So hast du mehr, als Karl begehrt, gethan. 62. Dann nehm' ichs auf mich selbst, dich völlig loszusprechenVon jeder andern foderung, Und der soll mir zuvor den nacken brechen, Der mehr verlangt! So einzeln und so jung Du hier mich siehst, was du bereits erfahren Verkündigt laut genug, daß einer mit mir ist, Der mehr vermag als alle deine Schaaren. Wähl izt das beste theil, wofern du weise bist! 63. Der-
60. Kalif von Bagdad, ſpricht der RitterMit edelm ſtolz, laß alles ſchweigen hier, Und hoͤre mich! Es liegt ſchon lange ſchwer auf mir, Karls auftrag und mein wort. Des Schickſals zwang iſt bitter, Doch ſeiner oberherrlichkeit Sich zu entziehn, wo iſt die macht auf erden? Was es zu thun, zu leiden uns gebeut, Das muß gethan, das muß gelitten werden. 61. Hier ſteh ich, Herr, ein Sterblicher wie du,Und ſteh allein, mein Wort, trotz allen deinen Wachen, Mit meinem Leben gut zu machen. Doch laͤßt die ehre mir noch einen antrag zu. Entſchließe dich von Mahommed zu weichen, Erhoͤh das heilige Kreuz, das edle Chriſtenzeichen, In Babylon, und nimm den wahren glauben an, So haſt du mehr, als Karl begehrt, gethan. 62. Dann nehm' ichs auf mich ſelbſt, dich voͤllig loszuſprechenVon jeder andern foderung, Und der ſoll mir zuvor den nacken brechen, Der mehr verlangt! So einzeln und ſo jung Du hier mich ſiehſt, was du bereits erfahren Verkuͤndigt laut genug, daß einer mit mir iſt, Der mehr vermag als alle deine Schaaren. Waͤhl izt das beſte theil, wofern du weiſe biſt! 63. Der-
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60.
Kalif von Bagdad, ſpricht der Ritter
Mit edelm ſtolz, laß alles ſchweigen hier,
Und hoͤre mich! Es liegt ſchon lange ſchwer auf mir,
Karls auftrag und mein wort. Des Schickſals zwang iſt bitter,
Doch ſeiner oberherrlichkeit
Sich zu entziehn, wo iſt die macht auf erden?
Was es zu thun, zu leiden uns gebeut,
Das muß gethan, das muß gelitten werden.
61.
Hier ſteh ich, Herr, ein Sterblicher wie du,
Und ſteh allein, mein Wort, trotz allen deinen Wachen,
Mit meinem Leben gut zu machen.
Doch laͤßt die ehre mir noch einen antrag zu.
Entſchließe dich von Mahommed zu weichen,
Erhoͤh das heilige Kreuz, das edle Chriſtenzeichen,
In Babylon, und nimm den wahren glauben an,
So haſt du mehr, als Karl begehrt, gethan.
62.
Dann nehm' ichs auf mich ſelbſt, dich voͤllig loszuſprechen
Von jeder andern foderung,
Und der ſoll mir zuvor den nacken brechen,
Der mehr verlangt! So einzeln und ſo jung
Du hier mich ſiehſt, was du bereits erfahren
Verkuͤndigt laut genug, daß einer mit mir iſt,
Der mehr vermag als alle deine Schaaren.
Waͤhl izt das beſte theil, wofern du weiſe biſt!
63. Der-
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